Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Pandemie kommt. Die Folgen werden apokalyptisch sein. Hygienemasken sollen schützen – 50 pro Person – sagt das Bundesamt für Gesundheit. Wirklich?

Zig Millionen Menschen sterben, die Vogelgrippe geht als schlimmste Seuche neben der Pest in die Weltgeschichte ein. Apokalyptische Zustände herrschen. Der öffentliche Verkehr, das öffentliche Leben, alles bricht zusammen. Die Lebensmittelversorgung, die Wasserversorgung, noch viel schlimmer, auch die medizinische Versorgung ist nicht mehr gewährleistet. Jene, welche die Pandemie überleben, kämpfen gegen diese widrigen Umstände. Alle schüren die Angst.

Aber keiner weiss, ob, wann und wie die Pandemie kommen wird. Keiner weiss, wie schnell der Mensch sie im Griff haben wird und wie viele Opfer sie fordern wird. Die Gefahr ist durchaus realistisch, allerdings sollten wir anstelle der auflodernden Panik seriös über das Problem und entsprechende Lösungen nachdenken.

Zur allgemeinen Beruhigung gab das Bundesamt für Gesundheit (BAG) deshalb Empfehlungen heraus, wie sich das Volk vor H5N1-Infektionen schützen kann. Leider verursachten die Empfehlungen weitere Verwirrungen, und das Thema war während Tagen in den Medien. Das Resultat: Inzwischen weiss kaum noch jemand, was nun wogegen schützt und was nicht. Bringen wir Licht ins Dunkel.

Die konkrete Gefahr

Die Vogelgrippe ist eine Zoonose, also eine Krankheit, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden kann. Solche Fälle sind derzeit selten, enden allerdings oft tödlich. Weltweit sind bis Ende Juni 2007 bereits 315 Menschen an diesem Virus erkrankt und 191 Menschen daran gestorben. Gefährdet sind nur Personen mit intensivem Kontakt zu infizierten Tieren, zum Beispiel beim Schlachten (Blut und Kot). Der Erhalt der Infektionsfähigkeit des Erregers ist in der Aussenwelt nicht sehr hoch und kann durch die handelsüblichen Desinfektionsmittel unschädlich gemacht werden – allerdings kann das Virus einige Wochen überleben, wenn es durch organisches Material wie Blut, Kot oder Ähnliches geschützt ist.

Mehrere Übergänge von Mensch zu Mensch sind möglicherweise bereits vorgekommen, konnten aber nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden. Die einzige zuverlässige Statistik über H5N1-Erkrankungen bei Menschen ist die offizielle Statistik der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die daraus hervorgehende, extrem hohe Todesrate sollte zurückhaltend interpretiert werden. Sicherlich wurden nicht alle Erkrankungsfälle untersucht und daher auch nicht gemeldet. Die Zahlen erschüttern trotzdem. In Kambodscha und Laos starben demnach alle erkrankten Menschen, in Ägypten und Vietnam war es knapp die Hälfte, in der Türkei jeder dritte Infizierte.

Das Problem ist nach wie vor aktuell. Vor allem in den ärmsten Ländern der Welt breitet sich die Infektion mit dem H5N1-Virus aus und tritt erneut auf, wo das Virus bereits erfolgreich bekämpft wurde. Allerdings stufen viele Experten das Risiko, an einer H5N1-Infektion zu erkranken, als sehr tief ein. Auch an einer gewöhnlichen menschlichen Virusgrippe können wir sterben. In der Schweiz sind das jährlich zwischen 400 und 1000 Menschen.

Viele Experten fürchten aber auch, das Virus könne sich mit einem Erreger der Humangrippe kreuzen. So könnte ein neuer Virussubtyp mit veränderten Eigenschaften entstehen. Dann könnte dieser neue Typ leichter von Tier zu Mensch oder gar von Mensch zu Mensch übergehen. Das wäre in der Tat eine schwierige Situation: Es würde zu einer Pandemie, einer weltweiten Epidemie kommen, der mehrere Millionen Menschen zum Opfer fallen könnten.

Die Inkubationszeit des Virus scheint länger als die zwei bis drei Tage zu sein, die bei einer Humangrippe zu beobachten sind. Die WHO hat Daten veröffentlicht, wonach es zwei bis acht Tage dauert, in Einzelfällen sogar bis zu 17 Tagen, bis die Krankheit ausbricht. Nach Krankheitsbeginn sind extrem hohes Fieber, Husten, Atemnot und Halsschmerzen die ersten Symptome. Teils kommt auch Durchfall vor, eher seltener Bauchschmerzen und Erbrechen. Im weiteren Verlauf der Krankheit kommt es zu Lungenentzündung, Magenbeschwerden, Darmbeschwerden und Erhöhung der Leberwerte. Gelegentlich entwickelten die Patienten auch eine Nierenschwäche, die sich bis hin zum kompletten Nierenversagen steigerte. Häufiger stellte sich jedoch ein tödliches Lungenversagen ein, oder die Erkrankten verstarben an einem Versagen verschiedener Organe.

«Das Vogelgrippe-Virus wird deshalb so sehr gefürchtet, weil auch bisherige Pandemien wie die Spanische Grippe auf Vogelgrippe-Viren zurückzuführen sind, die sich an den Menschen angepasst haben», weiss Dr. Urs Hinnen vom Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene. «Wir befinden uns nun in Phase drei von insgesamt sechs Phasen. Phase sechs wird dann erreicht sein, wenn im grossen Stil Übertragungen von Mensch zu Mensch vorkommen.»

Die Empfehlung des BAG

Am 15. Mai 2007 gab das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Reihe von Empfehlungen für die persönliche Hygiene im Pandemiefall heraus. Diese sollen das Infektionsrisiko begrenzen und möglicherweise die Verbreitung einer pandemischen Grippe verlangsamen. Dazu gehört regelmässiges Händewaschen mit Seife, Händeschütteln vermeiden, zum Husten und Niesen ein Papiertaschentuch verwenden und dieses danach entsorgen. Ausserdem empfiehlt das BAG das Tragen von Hygienemasken. In diesem Kontext rät das Bundesamt der Bevölkerung, einen Vorrat von 50 Schutzmasken pro Person anzulegen, da im Pandemiefall Lieferengpässe unausweichlich sind. So weit so gut. Das BAG schreibt aber anschliessend: «Im Pandemiefall kann das Tragen einer Schutzmaske ein erhöhtes Schutzniveau gewährleisten.»

Experten reagieren

«Die Information des BAG, wonach Hygienemasken nach heutigem Wissensstand den bestmöglichen Schutz der Allgemeinbevölkerung im Pandemiefall böten, ist irreführend und falsch», schreibt der Verband Schweizer PSAAnbieter swiss safety drei Tage später in einer Medienmitteilung. «Grundsätzlich unterstützen wir die vorgeschlagenen Hygieneempfehlungen wie auch das Tragen von Hygienemasken im Pandemiefall. Sie können dazu beitragen, Übertragungen der Viren von Mensch zu Mensch zu reduzieren und dadurch den Verlauf der Pandemie zu verzögern oder abzuschwächen. Aber: Nicht alle auf dem Markt erhältlichen Schutzmasken sind für eine aktive und wirkungsvolle Pandemieprävention gleichermassen geeignet.»

Der Verband legt Wert auf die Feststellung, dass das Tragen von Hygienemasken sowohl wegen ihres schlechten Dichtsitzes als auch wegen ihrer geringen Filterleistung keinen aktiven Schutz vor Viren garantiert. «Die Aussage des BAG ist faktisch falsch.»

Diese Beurteilung ist insbesondere für die persönliche Sicherheit all derjenigen bedeutsam, die in einem Pandemiefall für die Aufrechterhaltung von Infrastruktureinrichtungen oder des öffentlichen Lebens (Verkehr, Post, Lebensmittel- und Detailhandelsgeschäfte) arbeiten. Dies trifft gleichermassen auch für Einsatzkräfte der Feuerwehr, Polizei, Sanität und Armee zu. «Sie alle sind bei ihrer Arbeit besonders exponiert und einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Für den Schutz ihrer Atemwege und Schleimhäute vor Aerosolen und Viren sind Hygienemasken gänzlich ungeeignet», schreibt swiss safety.

Marina Mlinaric von Ekastu Safety schliesst sich dem an: «Man sollte den Menschen keine Hygienemaske empfehlen, da diese selbstredend nur zur Hygiene verwendet werden, nicht aber als Atemschutz.»

Auch Beat Alfred Graber hält nicht viel von der Empfehlung des BAG. Graber ist Eigentümer und CEO der Firma Unico Graber AG und war Gründer und langjähriger Präsident des Verbandes Schweizer Unfallverhütungsfirmen (VSU), der sich heute swiss safety nennt. «Die Maske entfaltet eher psychologische Wirkung. Mehr kann sie auch nicht. Sie ist bestens geeignet, Steine und Schmetterlinge einzufangen, aber sie ist keine persönliche Schutzausrüstung und dürfte vor allem denjenigen nützen, die sie verkaufen. Das Interesse seitens der Käufer hat übrigens bereits wieder abgenommen. So kurzlebig ist die Zeit.» Das erinnert Graber an Schweizerhalle. «In meine VSU-Präsidialzeit fiel die Sandoz-Brandstiftung im Werk Schweizerhalle vor 20 Jahren. Völlig unqualifiziert und realitätsfremd hatte das Volk damals nach Gasmasken für jedermann gerufen. In meiner Firma hätte ich während zwei bis drei Wochen im Telefondienst durchaus einen Seelsorger beschäftigen können. Auch meine damaligen Radiointerviews, die ich geben durfte, vermochten den Durchschnittsbürger nicht zu beruhigen. Doch nach zirka drei Wochen war das ganze Ereignis Geschichte. So dürfte auch die Geschichte mit den Pandemie-Masken enden. Was mir sehr viel wichtiger erscheint, ist eine Steigerung der persönlichen Hygiene. Sollte die Angelegenheit bewirken, dass Herr und Frau Schweizer häufiger die Hände waschen, ist möglicherweise schon viel erreicht», sagt Graber.

Dr. Urs Hinnen relativiert: «Zur Verunsicherung beigetragen hat der Umstand, dass bei den Empfehlungen nicht unterschieden wurde zwischen zwei verschiedenen Ansteckungsmöglichkeiten. Für jedermann, der sich unter Menschen bewegt, besteht die Gefahr einer so genannten Tröpfchen-Infektion durch Husten oder Niesen. Eine Ansteckung ist möglich bis zu einem Abstand von zirka einem Meter. Die einfachen Hygienemasken fangen diese Tröpfchen ab. Eine weitere Möglichkeit, sich anzustecken, ergibt sich aus dem Vorhandensein von infektiösen Aerosolen in der Raumluft. Die beste Abhilfe bietet eine gute Fensterlüftung. Personen, die in regelmässigem Kontakt mit Erkrankten stehen, sollten Masken mit höherer Schutzwirkung tragen, die auch gegen Aerosole schützen. Solche Masken sind jedoch teuer und unangenehm zu tragen. Ausserdem gibt es noch keine wissenschaftlichen Studien, mittels derer die Schutzwirkung vor Ansteckung seriös abgeklärt wurde. Es ist deshalb müssig, über allfällige Qualitätsunterschiede zu diskutieren. Die BAG-Empfehlungen sind durchaus vernünftig.»

Die Firma 3M, Herstellerin von Hygienemasken, betont klar, Hygienemasken könnten die Verbreitung von Grippeviren durch Husten oder Niesen durchaus reduzieren, aber sie schützten insofern in erster Linie die Umwelt, nicht den Träger. Das schreibt denn auch swiss safety: «Die Hygienemasken sind nicht dazu bestimmt, die Einatemluft zu filtern, sondern sollen nur die Umgebung des Maskenträgers vor dessen Ausatemluft schützen.»

Was kommt noch?

Der Vorbereitungsstand und die nationale und internationale Zusammenarbeit verbessern sich laufend. Im Bereich der Überwachungssysteme, der Betreuung von Patientinnen und Patienten, der internationalen Zusammenarbeit sowie der Forschung, vor allem im Bereich der Impfstoffe, werden konkrete Fortschritte erzielt.

Seit geraumer Zeit wird eine Impfung gegen das Virus erforscht. Ein verlässlicher Impfstoff gegen den Erreger kann allerdings erst hergestellt werden, wenn der Ernstfall schon eingetreten ist. Denn erst dann werden wir wissen, mit welcher exakten Form des Virus wir es zu tun haben.

Die WHO hat im Juni 2006 Richtlinien zur Behandlung von H5N1-Patienten veröffentlicht. Bei erkrankten Menschen können im Frühstadium der Krankheit die antiviralen Medikamente Tamiflu oder Relenza helfen, sofern der Erreger gegen diese Medikamente nicht resistent ist. Nach Berichten von japanischen Medizinern gibt es bereits gegen Tamiflu resistente Virenstämme von H5N1. «Trotzdem geht man davon aus, dass Tamiflu auch im Falle einer Pandemie wirksam sein wird», sagt Dr. Urs Hinnen. Rechtzeitig eingenommen, verläuft die Krankheit weniger schwer und weniger lang. Diverse Betriebe haben sich bereits einen Vorrat für ihre Mitarbeitenden angeschafft. «Tamiflu ist rezeptpflichtig, die Abgabe hat über einen Betriebs- oder Arbeitsarzt zu erfolgen. Es kann angewendet werden, wenn kein oder zu wenig genügend wirksamer Impfstoff vorhanden ist.»

Nach einer Umfrage der deutschen Wirtschaftswoche verfügt aber nur die Hälfte der börsenkotierten deutschen Unternehmen über einen Notfallplan für den Fall einer Pandemie. Ein wesentliches Problem bei der Pandemie-Vorsorge besteht in der Bevorratung der richtigen Mengen an Atemschutzmasken, Schutzanzügen oder Schutzbrillen. 3M hat eine Software entwickelt, mit deren Hilfe sich der individuelle Bedarf von Unternehmen und Institutionen an persönlicher Schutzausrüstung und anderen Materialien zur Pandemie-Vorsorge kalkulieren lässt. Der Beratungs-Service umfasst neben einer individuellen Szenario- und Bedarfsplanung auch Konzepte zur Lagerhaltung.

Jeder Betrieb sollte einen Pandemieplan erstellen. «Darin wird entschieden, ob und in welcher Form im Fall einer Pandemie der Betrieb aufrecht erhalten wird. Wo möglich ist auch an Heimarbeit zu denken. Falls eine wirksame Schutzimpfung vorhanden ist, würde ich mich unbedingt impfen lassen», sagt Hinnen, «im Zug und auf der Strasse würde ich eine einfache Hygienemaske tragen, den Kontakt mit Freunden auf ein Minimum einschränken.»

Marina Mlinaric schliesst sich an: «Ich würde grosse Menschenansammlungen meiden. Ausserdem sollte jede Firma schon vor dem Eintreffen einen Pandemieplan haben.»

«Ich werde ganz normal zur Arbeit gehen », sagt Graber, «glücklicherweise auf dem Lande. Den öffentlichen Verkehr, Supermärkte oder Restaurants würde ich eher meiden. Masken brauche ich deshalb keine, sicherlich nicht solche, wie vom BAG empfohlen.»

Auch Oliver Kress von MSA Auer schliesst sich den Meinungen an, die Urs Hinnen, Marina Mlinaric und Beat Alfred Graber vertreten. Wie er sich selbst verhalten wird, weiss Kress noch nicht: «Da das Ausmass einer eintretenden Pandemie heute nicht definiert werden kann, ist eine Beobachtung der Geschehnisse meiner Meinung nach die primäre Vorsorge. Unser Unternehmen verpflichtet sich als Anbieter von PSA, mit Produkten, Fachwissen und Empfehlungen jederzeit zur Verfügung zu stehen. Der Schutz des Menschen bleibt unsere wichtigste Verpflichtung. Sollte die Vogelgrippe-Pandemie ausbrechen, wird unser Betrieb deshalb weitergeführt. Unsere Mitarbeiter und deren Familien rüsten wir mit Masken der Schutzstufe FFP2 2V mit Ausatemventil aus. Mit unseren Medienpartnern versuchen wir die arbeitende und private Bevölkerung richtig und zeitnah über den Gebrauch richtiger Schutzausrüstungen zu informieren.»

Eine Grippepandemie wird irgendwann einmal auftreten, das steht ausser Frage. In den letzten Jahrtausenden gab es etwa alle 30 bis 40 Jahre eine solche Seuche, zuletzt 1918 die Spanische Grippe und 1968 die Hongkonggrippe. «Statistisch gesehen wäre es wieder an der Zeit», sagt Mlinaric. Die globale Vernetzung und die weltweite Mobilität begünstigen eine schnelle Ausbreitung. Ob es die Vogelgrippe sein wird, wissen wir nicht. Wie wir uns in dieser Situation verhalten werden, ist nicht abzuschätzen. Und auch sonst bleiben Fragen offen: Wann kommt die Pandemie und wie schlimm wird sie?

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift Safety-Plus (September 2007).