Für Ton Goedmakers, CEO des Schweizer Facility-Unternehmens Vebego AG und ab Februar 2018 im Vorstand der internationalen Gruppe sowie VR-Präsident der Vebego Schweiz Holding AG, steht der Mensch im Zentrum. In jedem Fall.

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Ton Goedmakers vergleicht Facility Management mit einer Familie: Damit das Kind sorgenfrei zur Schule kann, wird zu Hause gekocht, gereinigt und gewaschen. Wenn es dann sein Diplom hat, war das wohl die Leistung des Kindes, aber die Eltern haben auch etwas dazu beigetragen und dürfen stolz sein. So fühle auch er sich, wenn seine Kunden Erfolgsmeldungen hätten, sagt Goedmakers. Die Familie, die ist für ihn ohnehin ein wichtiges Stichwort, wenn es um Facility Management und Facility Services geht.

Sie sagten, Sie hätten Seife im Blut. Wie ist das zu verstehen?

Wir sind ein Familienunternehmen. Vebego steht für Vereinigte Betriebe Goedmakers. Nächstes Jahr feiern wir unser Jubiläum, 75 Jahre lang gibt es unser Unternehmen dann, seit 1943. Mein Grossvater gründete den Betrieb während dem zweiten Weltkrieg. Er hätte in der Nähe vom Niederländischen Maastricht für die Deutschen in der Waffenfabrik arbeiten müssen, doch das wollte er nicht. Wenn man einen wirtschaftlichen Beitrag an die Region leistete, also zum Beispiel eine Firma führte, musste man nicht in die Waffenfabrik. Also gründete er eine Reinigungsfirma. Bald arbeiteten zwei Freunde für ihn und er fand erste Kunden, zum Beispiel die Staatsminen, heute DSM, noch immer ein guter Kunde von uns. Hier zeigt sich auch schon ein roter Faden durch unsere Geschichte: Langfristige Partnerschaften sind und waren uns immer wichtig, sowohl mit Kunden als auch mit Mitarbeitenden.

Wie kam Vebego in die Schweiz?

Nach dem Krieg wuchs das Unternehmen stark. Wir waren die erste Reinigungsfirma mit mehreren Standorten in den Niederlanden. Reinigung ist und war unser Kerngeschäft, ausserdem waren wir im Gesundheitswesen tätig und hatten in den Sechzigerjahren ein erstes Spital als Auftraggeber gewonnen. Dass ein Krankenhaus einen solchen Auftrag an einen externen Dienstleister vergibt, das war damals ganz neu und ein heisses Eisen. Durch die Beziehungen meines Grossvaters entstand auch eine enge Zusammenarbeit mit der Firma Wetrok, die wir in den Niederlanden und in Belgien vertreten. Im Jahr 1978 wurde uns die Übernahme einer Schweizer Firma (damals Amberg Hospach) angeboten, für eine halbe Million Schweizer Franken. So machten wir die ersten Schritte ins Ausland. Heute haben wir in der Schweiz über 6000 Mitarbeitende und machen jährlich rund 230 Millionen Schweizer Franken Umsatz.

Und bald ging es durch ganz Europa…

Als mein Vater das Unternehmen übernahm, waren wir in vielen Ländern präsent und machten unsere Erfahrungen in vielen verschiedenen Geschäftsbereichen, stellten aber stets die Kontinuität sicher. Heute beschäftigen wir 35’000 Menschen in Europa. Und das Unternehmen ist damals wie heute in Familienbesitz. Aktuell findet wieder ein Generationenwechsel statt. Ich und meine zwei Schwestern werden zu dritt die Anteile meines Vaters übernehmen. Wir freuen uns, dass Vebego in der Familie bleibt. So müssen wir nicht kurzfristige Gewinne machen, um Investoren zufriedenzustellen, sondern können das tun, was wir als sinnvoll erachten, was einen positiven Beitrag an unsere Gesellschaft liefert. Dafür muss man natürlich auch Geld verdienen. Es ist das Benzin, das den Motor eines Unternehmens antreibt. Aber nur zu arbeiten, um Geld zu verdienen, das kann es nicht sein.

Der Mensch wird in Ihrem Unternehmen grossgeschrieben?

Unsere Mitarbeitenden sind unser wichtigstes Gut, sie sind unser Kapital. Wenn ich lese, dass gemäss einer Studie 80 Prozent aller Arbeitnehmer in ihrem Job unzufrieden sind, gibt mir das schon zu denken. Wir verbringen einen Drittel des Tages am Arbeitsplatz. Also müssen sich unsere Mitarbeitenden wohl und sicher fühlen können. Sie müssen spüren, dass sie sinnvolle Arbeit verrichten und sie sollen den Wert ihrer Arbeit sehen und stolz darauf sein können. Das merkt letztlich auch der Kunde. Natürlich gehören dazu auch eine gute Ausrüstung und eine gute Entlöhnung. Doch bei uns soll man nicht nur mit Kopf und Hand arbeiten, sondern auch mit Herz. Das sind Werte, die wir leben möchten. Und dazu gehört auch der Respekt. Kürzlich mussten wir einem an der Front tätigen Mitarbeitenden kündigen, worauf er mir ein Mail schrieb, dass er etwas Bestimmtes nicht fair findet. Ich wollte verstehen warum, also rief ich ihn an und verabredete mich mit ihm. Er war sehr überrascht und sagte, eher hätte er erwartet die Euro Millions zu gewinnen als dass ich ihn anrufen würde. Aber das ist uns wichtig. Man verabschiedet sich ab und zu. Doch das muss mit Anstand und Respekt geschehen.

Auf welche Bereiche des FM fokussieren Sie heute?

Wir suchen Bereiche, von denen wir überzeugt sind, damit einen zusätzlichen Mehrwert für unsere Kunden leisten zu können. Primär geht es darum, durch unsere Arbeit unsere Kunden zu unterstützen, damit sie in ihrem Kerngeschäft noch erfolgreicher sein können. Durch unsere Tätigkeit als Facility Manager können wir die Arbeitsplätze unserer Kunden attraktiver gestalten: Das erhöht die Motivation. Gleichzeitig geht es aber auch immer um Effizienzsteigerung und Kostenoptimierung. Dafür muss man das Kerngeschäft des Kunden verstehen. Beispiele in denen Vebego in den letzten Jahren grosse Anstrengungen unternommen hat sind das Gesundheitswesen, Einkaufszentren und die Bewirtschaftung von Wohn- und Büroliegenschaften mit unseren Hauswartungs-Services. Diese ermöglichen durch ihren modularen Aufbau bereits ab den kleinsten Objekten den integralen Ansatz. So wird die Dienstleistung vor Ort mit einem professionellen Informations- und Datenmanagement verbunden – und damit Mehrwert geschaffen. Gerade in Branchen, wo man direkt mit Endkunden zu tun hat, also zum Beispiel in Einkaufszentren oder an Flughäfen, sind wir mit unserem Ansatz besonders stark.

Geht der Trend am Markt also in Richtung Komplettanbieter?

Als Komplettanbieter muss man seine eigenen Stärken sehr gut einschätzen können und für diejenigen Aufgaben, die andere besser können, mit Partnern zusammenarbeiten. Man kann nicht in allem gut sein. Aber ja, der Kunde möchte weniger Sorgen haben. Hat er nur einen Ansprechpartner, der die Verantwortung für alle wichtigen Dienstleistungen übernimmt – zuverlässig, flexibel und kompetent – kann er das wohl erreichen. Unsere Kernkompetenzen in der integralen Verantwortung mit einer hundertprozentigen Eigenfertigung liegen in den Soft Services. Wir sind ein Facility Service-Anbieter mit Wurzeln in der Reinigung und in der Hauswartung, hier sind wir sehr stark. Da ist man direkt beim Kunden im Hause, mit oft täglichen Kontakten zu den Nutzern. Unsere technischen Hauswarte sind vor Ort und sind auch für das Bedienen von Anlagen und für Erstinterventionen verantwortlich. Spezifische Themen überlassen wir den Technikfirmen und arbeiten hier sehr gut mit den Besten der Schweiz zusammen. Damit schaffen wir gemeinsam mit unseren Partnern echten Mehrwert für unsere Kunden: das Massgeschneiderte, gemäss unserer Vision. Heute sind sehr individuelle Facility-Lösungen gefragt, jeder Kunde will ein Angebot, das passgenau zu seinen Bedürfnissen passt. Dafür muss man unglaublich flexibel sein. Das ist eine Herausforderung, auch für uns.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Ihrem Geschäft?

Die wichtigste Frage ist: was wollen wir damit und welche Mehrwerte können wir unseren Kunden dadurch bieten? Wir investieren relativ zu unserer Unternehmensgrösse viel in diesem Bereich. Mit der führenden CAFM-Lösung Planon als Herzstück unseres Facility Managements ist es uns möglich, auf effektive und effiziente Art einen wertvollen und konkreten Beitrag zur Wertschöpfung der Kundenunternehmen zu leisten. Mit der Implementierung von Planon haben wir eine erstklassige und integrierte Softwarelösung, die speziell für das Auftragsmanagement und die Bereitstellung von qualitativ hochwertigen Managementinformationen im Zusammenhang mit integrierten Facility-Dienstleistungen einen Mehrwert bietet. Wir entwickeln eigene Tools für unsere Kunden und Mitarbeitenden und wir sammeln Daten über den gesamten Betrieb, welche die technischen Anlagen durch eine faktenbasierte Investitionsplanung und ähnlichem verbessern. Das ist wertvoll für unsere Kunden. Man muss das Abenteuer Digitalisierung auch zusammen mit dem Kunden angehen und wir haben langjährige Kunden, mit denen wir entsprechende Partnerschaften pflegen können. Ein gutes Beispiel dafür ist der Flughafen Schiphol in Amsterdam. Hier fährt unser Abfallsammelroboter «Annie Trash» selbständig in den Passagierbereichen herum und holt den Abfall direkt von den Passagieren ab. Der Gewinn liegt hier vor allem auf der Wirkungsebene: Für den Flughafen ist es wichtig, dass die Menschen, die einen Flug buchen und entscheiden müssen über welchen Flughafen sie fliegen sollen, eine gute Erinnerung an Schiphol haben. Dann kommen sie gerne wieder und verbringen mehr Zeit in den Einkaufszonen – wovon der Flughafen langfristig gesehen profitiert. Es braucht also Kreativität und vernetztes Denken.

Wie beurteilen Sie den Schweizer Markt im Vergleich zum Ausland?

Das Facility Management zielt auf zwei verschiedene Kundengruppen: Die Eigentümer der Immobilien und die Nutzer. Für die Eigentümer steht das Gebäude im Vordergrund, wobei hier auch zunehmend der Mieter als Nutzer mit seinen täglichen Bedürfnissen wichtig wird. Für die Nutzer stehen die Services im Vordergrund. Dazu gehören neben den Soft Services auch die Leistungen, die für das Klima, das Licht und die weitere Infrastruktur nötig sind. In den Anfängen des Facility Management in der Schweiz standen die Gebäude-orientierten Leistungen im Vordergrund. In den Niederlanden waren von allem Anfang an die Services im Zentrum. Hier wollen wir mit unseren niederländischen Wurzeln eine zunehmend grössere Rolle spielen.

Empfehlen Sie eher eine ergebnisorientierte oder frequenzorientierte Reinigung?

Ergebnisorientiert. Das ist schwierig messbar und das ist das Problem. Aber niemandem ist gedient, wenn ich fünf Mal pro Woche ein Büro reinige, das an zwei Tagen gar nicht besetzt ist. Das kostet bloss Geld und bringt nichts. Letztlich bieten wir diese Dienstleistung ja nur an, weil sie die Mitarbeitenden produktiver machen soll. Wenn einem Mitarbeitenden hingegen ein voller Abfalleimer dabei hilft und er damit glücklich ist, dann können wir natürlich auch dafür sorgen. Häufig entscheiden sich Unternehmen für die frequenzorientierte Reinigung, weil sie kein Vertrauen in den Anbieter haben. Also muss die ergebnisorientierte Reinigung irgendwie messbar werden. Deshalb haben wir mit einer Universität in den Niederlanden eine Umfrage entwickelt. Und deshalb reinigen wir häufig tagsüber, nicht nur morgens und abends. So nehmen wir die Bedürfnisse der Menschen im Gebäude wahr. Dazu braucht man natürlich auch gutes Personal, das die Sprache spricht und kommunikativ ist.

Wie beurteilen Sie die Wahrnehmung des FM von aussen?

Es ist eine unterstützende Branche. Das bedeutet, dass man nicht im Vordergrund steht. Man sollte eigentlich eher unsichtbar sein. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Wahrnehmung: Die Branche betrachtet uns als notwendiges Übel. Dadurch wird das FM unterschätzt. Der Einfluss der unterstützenden Prozesse und somit des Facility Management auf die Wertschöpfung ist in allen Branchen gross. In Spitälern machen die FM-Kosten rund 20 Prozent der Gesamtkosten aus. Es ist sehr vernetzt, sehr komplex und es ist nicht einfach, dass es wirklich für jeden Kunden genau passt.

Finden Sie genügend Fachleute?

Das wird immer schwieriger, in der Schweiz gibt es im FM zu wenig Fachleute und nur eine Hochschule. FM wirkt offenbar nicht sehr attraktiv, obwohl ich es sehr attraktiv finde. Man ist bei allen Kunden zu Hause. Wenn man neugierig ist und gerne Abwechslung hat, gibt es nichts Besseres. Diese nötige Kombination von Know-how und der Liebe für Menschen, das ist schwierig zu finden. Es braucht auch Leute, die Reklamationen annehmen und die Probleme lösen können. Wir müssen jeden Tag Probleme lösen. Man muss in diesem Geschäft Probleme lieben und Chancen sehen. Ich bin mir sicher, dass es diese Menschen gibt. Wir müssen bloss breiter und besser suchen. Denn letztlich hat auch ein ambitionierter, junger Mensch in dieser Branche alle Freiheiten und Chancen, um Verantwortung zu übernehmen und sich weiterentwickeln zu können.

Worauf müssen Facility Manager heute besonders achten?

Man muss die Kunden verstehen, ihre Strategie, ihr Unternehmensmodell, ihre Bedürfnisse. Es braucht aufrichtiges Interesse für den Menschen. Nur dann kann man für ihn die richtige Dienstleistung anbieten.

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift “fmpro service” (Dezember 2017).