Ebola verschwindet zusehends aus der Medienberichterstattung. Es bleibt zu hoffen, dass wir es als das verstanden haben, was es war: ein Warnschuss für eine tatsächliche Pandemie mit hochinfektiösen, tödlichen Viren. Spitäler sollten ihre Erkenntnisse und Massnahmen deshalb aufrechterhalten.
Ebola ist kein neues Virus. Seit den 1970er-Jahren tauchte es immer wieder auf. Man vermutet, dass es von Affen abstammt. Es verbreitet sich über Körperflüssigkeiten auch von Mensch zu Mensch. Von Afrika aus gelangte es Ende des letzten Jahres nach Westeuropa und in die USA, meistens über Menschen, die vor Ort helfen wollten und sich dabei ansteckten.
Besonders in Kulturen wie Afrika oder Asien lebt man oft körperlich nahe beisammen und Todesopfer werden gewaschen und verabschiedet. Für das Virus sind das ideale Voraussetzungen, sich zu verbreiten. Die meisten Infizierten erkranken und aufgrund der schwierigen medizinischen Versorgung der Patienten in diesen Ländern sterben auch viele von ihnen. Das führte in unserer Bevölkerung zu einer gewissen Unruhe: was, wenn die Krankheit hier genauso stark ausbricht wie in Westafrika?
«Gemäss einer Information der Europäischen Kommission für Reisende vom Oktober 2014 lässt sich das Virus leicht durch Seife, Bleichmittel, Sonnenlicht, hohe Temperaturen oder Trocknen abtöten», sagt Ralf Mengwasser, Leiter Expertise Services Umweltsicherheit der Swiss TS und Gefahrgutbeauftragter einiger Spitäler. «Eine intakte, unverletzte Haut sowie ein fehlender Kontakt mit Schleimhäuten und Körperflüssigkeiten schützen vor Ansteckung. Eine adäquate Schutzausrüstung im Umgang mit Patienten ebenfalls.»
Szenario: Entsorgung von kontaminierten Schutzanzügen
Wenn man sich also mit dem Thema Ebola auseinandersetzt, relativiert sich die Unruhe ein wenig. Doch entdeckt man plötzlich auch einige ganz besondere Herausforderungen. Die Entsorgung von kontaminierten Abfällen ist zwar in der Theorie geregelt, die Praxis zeigt jedoch Schnittstellenprobleme. «Spitäler haben Entsorgungskonzepte und die Entsorgung der täglich anfallenden Abfälle im Griff», sagt Mengwasser. Die diversen Abfallarten sind erfasst, geeignete und zugelassene Verpackungen stehen zur Verfügung, das Personal ist geschult, und das alles auf einem hohen Standard. «Verbesserungswürdig ist jedoch die Kommunikation der verschiedenen Verantwortlichen sowie Schnittstellen. Ärzte sind verantwortlich für Patienten, das Thema Abfall ist für sie je nach ihrer Aufgabe nicht zentral. Auf die Entsorgung von hochgradig infektiösen und tödlichen Erregern ansprechend, hörte man, dass mit tödlichen Erregern kontaminierte Abfälle mit den täglich anfallenden infektiösen Abfällen entsorgt werden könnten. Eine Falscheinschätzung: denn weder die Verpackungen noch die Entsorgungswege sind für derartige hochinfektiöse Abfälle geeignet und zulässig.»
So gibt es auf dem Markt nur wenige Unternehmen, die zugelassene Behälter für hochinfektiöse Abfälle herstellen. Diese Behälter waren allerdings nur bis zu einer Menge von 30 Kilo erhältlich, was einem nutzbaren Volumen von zirka 25 Liter entspricht. In den USA und in Spanien steckte sich in je einem Fall Spitalpersonal mit dem Ebola-Virus an. Vermutlich wurden definierte Prozesse beim Ausziehen des Schutzanzuges nicht eingehalten. Beim Ausziehen der Schutzanzüge ist es wichtig, diese nicht mehr von aussen zu berühren. Daher müssen genügend grosse Behältnisse zur Verfügung stehen, in die man unter anderem die Schutzanzüge problemlos und sicher hineinlegen kann. Die bisher auf dem Markt verfügbaren, für den öffentlichen Transport zugelassenen Behältnisse, sind vom Volumen her für eine sichere Handhabung zu klein. «Die zuständigen internationalen Gremien sowie das zuständige Bundesamt in Bern haben schnell reagiert und es mit einer sogenannten multilateralen Sondervereinbarung möglich gemacht, neu auch grössere Behältnisse zu verwenden. Ein belgisches Unternehmen hat innert Kürze Behältnisse mit einem Nutzvolumen von 180 Liter für den Transport von Abfällen, welche hochansteckende und tödliche Erreger enthalten, entwickelt und die europäische Zulassung erhalten. Somit stehen nur den Abgebern grossvolumige, zugelassene Behältnisse zur Verfügung, in denen abgestreifte Schutzanzüge sicher ohne Pressen eingelegt werden können. Doch ob ein Spital solche Spezial-Behältnisse anschafft liegt in der Zuständigkeit der dortigen Verantwortlichen. Klingt Ebola ab, ist das Thema schnell nicht mehr aktuell und die Entscheidung lässt allenfalls auf sich warten», sagt Mengwasser.
Szenario: Entsorgung von kontaminierten Matratzen
Eine weitere Herausforderung: Was ist eigentlich, wenn sich ein Ebola-Patient über seine Matratze erbricht? Passt diese nun auch in die grösseren Behälter? «Das tut sie nicht. Um das Virus beispielsweise mit Javel-Wasser abzutöten, müsste man die Matratze darin tränken. So wird sie desinfiziert. Soweit die Theorie. Es gibt Spitäler, in denen möchten die Verantwortlichen hierfür keine Garantie übernehmen», sagt Mengwasser. Und was tun mit der kontaminierten Matratze? Ist das Virus inaktiviert, handelt es sich um normalen Abfall. Ist jedoch nicht sichergestellt, dass die Matratze keine ansteckenden Erreger mehr enthält, so muss diese entweder intern autoklaviert werden, oder aber es müssten sich für den Transport zugelassene Verpackungen finden. Solche Behältnisse stehen derzeit nicht zur Verfügung. Wie also soll man diese verpacken und transportieren? «Da sind Gesetzgeber und die internationalen Gremien gefragt», sagt Mengwasser. «Im Falle einer Pandemie müssten solche Entscheidungen ad hoc getroffen werden. Das gab es schon während der Vogelgrippe. Man erlässt temporäre Erlasse, um der speziellen Situation Rechnung zu tragen. Auch bei Grossereignissen, zum Beispiel bei Verkehrsunfällen mit vielen Verletzten, würden in einem Spital besondere Abläufe nötig. Ankommende Patienten werden nach Schwere ihrer Verletzungen triagiert: Die Presse sowie Angehörige hätten keinen Zutritt zum Spital, damit ein halbwegs geordneter Spitalbetrieb gewährleistet bleibt. Auch in Fällen einer Pandemie mit vielen Patienten wäre wohl ein ähnliches Vorgehen nötig.»
Szenario: Kleinere Spitäler mit Ernstfällen
Erkrankte gehen in der Regel entweder zum Hausarzt oder in das nächste Akutspital. Dort werden je nach Krankheitsbild dem Patienten Proben entnommen und an die entsprechenden Labore zur Untersuchung gesandt. Für den Nachweis auf Ebola gibt es in der Schweiz derzeit zwei Hochsicherheitslaboratorien, eines davon in Genf, das andere in Spiez. Der Patient wird in der Zwischenzeit isoliert, die entstehenden Abfälle separat gesammelt. Ist bestätigt, dass der Patient mit dem Ebola-Virus infiziert ist, werden die Patienten unter Sicherheitsvorkehrungen von den Regional- in die Universitäts-Spitäler verlegt. Diese Häuser haben das nötige Fachwissen und Equipment. Der Krankenwagen sowie das Quarantäne-Zimmer müssen nach Verlegung des Patienten entsprechend desinfiziert werden.
«Im Falle einer Pandemie mit leicht übertragbaren und tödlichen Erregern sind wir alle enorm gefordert», sagt Mengwasser. «Nur mit unseren Universitäts-Spitälern kann die Versorgung infizierter Patienten im Pandemiefall nicht sichergestellt werden. Auch allfällige Zimmerkontingente anderer Spitäler wären bald ausgelastet. Für den Tag X sollten daher Szenarien entwickelt werden, wie die Behandlung der Bevölkerung sichergestellt werden kann.»
Szenario: Evakuation eines Ebola-Patienten
Im November 2014 bedrohte ein Hochwasser ein Spital in Locarno. Es wurde sicherheitshalber evakuiert. Dafür hatte das Spital mehrere Stunden Zeit, ein Ebola-Patient war glücklicherweise nicht dort. Denn nur wenige Spitäler verfügen derzeit über das nötige Equipment, einen hochansteckenden Patienten mit ausreichender Sicherheit zu verlegen.
Im Falle eines Brandes drängt die Zeit, eine Evakuation wird schwierig, wenn nicht gar unmöglich. In diesen Fällen muss man dann situativ entscheiden. Steht das nötige Equipment zur Verfügung, reicht die Zeit den Patienten sicher aus der Gefahrenzone zu bringen? Bei einem sich rasch ausbreitenden Brand kann man dies nicht sicherstellen. Dieses Problem besteht grundsätzlich mit allen bettlägerigen Patienten und mangelnder Zeit. Auch die Evakuation einer Intensivstation ist ein sensibles und heikles Thema. «Je nachdem muss man mit einem gewissen Verlust rechnen», sagt Mengwasser. «Offen spricht das Thema keiner gerne an und glücklicherweise kommt es sehr selten vor.» Umso wichtiger ist es, sich bereits bei der Planung eines Spitals zu überlegen, welche Abteilungen und somit Patienten wo platziert werden. Eine Intensivstation im Erdgeschoss ist leichter zu evakuieren als eine im vierten Stock. Mobile Patienten können hingegen auch in höheren Stockwerken liegen. Daher ist es umso wichtiger, dass keine Brandlasten in Verkehrs- und Fluchtwegen vorhanden sind, dass Fluchtwege freigehalten werden und dass das Personal gut instruiert ist.
«In historisch gewachsenen Gebäuden kann man oft die Gegebenheiten nicht oder nur mit hohem Aufwand ändern. Es gibt Fälle, in denen in Providurien – also in Provisorien, die zum Dauerzustand werden – improvisiert wird. Darunter leidet dann die Sicherheit. Ich würde mir wünschen, dass die Arbeit der Sicherheitsbeauftragten ernster genommen würde. Sehr gute Ansätze sowie nötige Evakuierungsübungen werden den Spitalleitungen vorgelegt und warten dann leider viel zu oft auf Entscheidungen», sagt Mengwasser.
Ein Warnschuss für den Tag X
Für ihn war und ist Ebola in erster Priorität ein Warnschuss. Eine Hauptprobe für den Tag X. Denn hochinfektiöse und tödliche Krankheiten mit drastischer Wirkung gab es schon häufig. Ein prominentes Beispiel ist die Pest, die durch Flöhe von Ratten auf Menschen gelangte und je nach Schätzung die Bevölkerung Europas um die Hälfte reduzierte. Die letzte richtig grosse Pandemie war die Spanische Grippe zwischen 1918 und 1920. Je nach Quelle starben damals 25 oder sogar 50 Millionen Menschen. Seitdem sind wir mit unseren medizinischen Mitteln prima durchgekommen. Ob das nochmals so lange klappt, ist fraglich. Gegen Bakterien haben wir Antibiotika, die jedoch immer häufiger wirkungslos bleiben. Mit der Schweinegrippe, der Vogelgrippe oder SARS bedrohten uns Viren, die glücklicherweise nicht auf den Menschen übertragbar waren. «Doch der Tag X wird kommen», sagt Mengwasser. «Darin sind sich die Experten einig.» An diesem Tag wird die Menschheit mit einem Erreger konfrontiert, der ihr tatsächlich sehr grosse Probleme bereitet. Experten haben vor allem Respekt, dass es einem hochinfektiösen Erreger gelingen wird, zum Beispiel via Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen werden zu können. Das wäre ein Horrorszenario. Ein anderes: Terroristen bedienen sich leicht übertragbarer Erreger, bringen diese in Umlauf und greifen auf diese Weise unsere freie Gesellschaft an.
Auf etwaige Szenarien sollten sich die Spitäler, unsere Gesellschaft und auch die Politik vorbereiten und frühzeitig Lösungsansätze entwickeln. «Schlussendlich ist es die Gesellschaft, die entscheidet, welches Sicherheitsniveau wir wollen», sagt Mengwasser. «Gesetze und Vorschriften sind
Resultate unserer Demokratie. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, jedoch sollten wir diskutieren, auf welche Höhe wir die Sicherheitslatte legen möchten und wie viel uns dies wert ist. Wir haben uns ein gewaltiges Wissen erarbeitet, haben es gespeichert, haben Zugriff darauf und können es auch dank modernsten Kommunikationsmitteln austauschen sowie Zusammenhänge verstehen. Es ist damit zu rechnen, dass eines Tages Erreger die Menschheit bedrohen werden. Wir sollten zu diesem Zeitpunkt gewappnet sein, was dann zu tun ist. So tragisch die Ebola-Epidemie in Teilen von Afrika ist, sollten wir hier das Virus und einzelne Patienten als Übung verstehen und die Erkenntnisse sowie Massnahmen daraus für spätere Szenarien aufrechterhalten.»
Zum Original-Artikel:
Bild: Dicasto / wikimedia
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