Die meisten Fachthemen sind auch Bildungsthemen, sagt Thomas Roth. Den Verband fmpro sieht er deshalb als einen Bildungsverband, der sich mutig und innovativ in der Bildungslandschaft engagiere und dort viel bewirken könne.

Thomas Roth ist langjähriger Leiter der Abteilung Höhere Fachschulen der Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule BFF Bern. Diesen Bildungs-Hintergrund bringt er auch in seine Vorstandstätigkeit für fmpro ein, wo er für verschiedene Bildungsprojekte verantwortlich ist.

Womit beschäftigen Sie sich in Ihrem Berufsalltag?
An der BFF Bern führen wir drei Bildungsgänge der Höheren Fachschulen und Vorbereitungskurse für eine eidgenössische Berufsprüfung. Im FM-Bereich sind dies die Höhere Fachschule Betriebsleiter/in in Facility Management und die Vorbereitungskurse für den Fachausweis als Bereichsleiter/in Hotellerie / Hauswirtschaft – also zwei FM-Berufe aus dem Segment Hospitality. Doch viele der rund 500 Studierenden und etwa 50 Lehrpersonen, für die ich zuständig bin, sind in den sozialen Berufen tätig. Ich kümmere mich beispielsweise um das aufwändige Aufnahmeverfahren bei den Sozialberufen, um das Personalwesen, die Diplomprüfungen und die Diplomfeiern. Der direkte Kontakt zu Studierenden und Lehrpersonen ist mir dabei sehr wichtig.

Wie wichtig ist eine gute Vernetzung für Sie?
Vernetzung ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Bildungsprozesse, gerade mit den Betrieben. Unsere FM-Studierenden entwickeln in Gruppen und im Auftrag von Betrieben praxisnahe Projekte – in Restaurants oder Spitälern, bei FM-Dienstleistern, aber auch in Produktionsbetrieben. Das umfasst beispielsweise Abklärungen, wie die Reinigung in- oder outgesourct werden kann, aber auch Fragen des Auftritts, des Marketings oder der ganzen Berechnungen. Der Markt ist klar spürbar und man muss sich als Dienstleister verstehen. Vernetzung geschieht auch durch meine Aufgaben in verschiedenen kantonalen und nationalen Gremien sowie in unserer FM-Fachkommission, wo wir mit Verbänden, Behörden und Ausbildungsbetrieben sowie mit der Studierenden- und Lehrervertretung den Austausch pflegen. Unter anderem bin ich auch im Vorstand der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die höhere Berufsbildung in Facility Management SAHF, die ein wichtiges Netzwerk darstellt, welches wir in nächster Zeit auch auf die Instandhaltung ausweiten möchten. Diese Aufgaben bringen natürlich viele Sitzungen mit sich. Mit wenigen Ausnahmen sind dies spannende Gremien, die viele Impulse geben. Oft entwickeln sich wirkliche Initiativen, wir bringen Themen vom Sitzungs-Denken in ein Projekt-Denken und stossen Veränderungen an, die es tatsächlich braucht.

Wie beurteilen Sie die Bildungslandschaft in der Schweiz?
Bildung ist von Natur aus träge und es besteht eine Tendenz, dass Bildungsanbieter und Verbände zu dieser Trägheit unnötig beitragen. Es braucht zwar durchaus auch Beständigkeit; so ist es beispielsweise sehr wichtig, dass ein Abschluss auch in zehn Jahren noch Anerkennung und Gültigkeit geniesst. Aber die Trägheit in Konzepten und im kritischen Hinterfragen von gewissen Traditionen ist nicht unbedingt gut. Ausserdem müssen diese Konzepte nicht nur entwickelt, sondern auch gut verkauft werden. Leider ist die Höhere Fachschule (HF) noch zu wenig bekannt. Man kennt die Fachhochschule und die Berufsprüfungen, aber nicht die fachlich sehr fundierte, trotzdem sehr praxisnahe HF mit Bildungsgängen über drei oder vier Jahre, obwohl es zumindest in der Deutschschweiz fast gleich viele HF- wie FH-Studierende gibt. Ich wünsche mir, dass Verbände, Behörden und dadurch auch die breite Öffentlichkeit erkennen, wie wertvoll das HF-Niveau ist, welches eben gerade nicht akademisch ausgerichtet ist und daher keine vorgängige Berufsmaturität erfordert. Auch dass wir in der Schweiz die einzige Höhere Fachschule im Bereich Facility Management sind und es auf Fachhochschul-Stufe nur eine in Wädenswil gibt, das heisst beides nur in der Deutschschweiz, bedaure ich ein bisschen.

Ist die Mehrsprachigkeit ein wichtiges Thema für die Bildungslandschaft?
Grundsätzlich ist unser Berufsbild mehrsprachig, interkulturelle Kompetenzen sind gefordert. Wer heute im Hospitality-Bereich tätig ist, arbeitet mit Menschen, die mehrheitlich aus anderen Kulturkreisen stammen. Wir bieten deshalb Freikurse in Fremdsprachen an und begrüssen es sehr, wenn unsere Studierenden den Mut zu einem Praktikum in der Westschweiz, im Tessin oder sogar im Ausland haben. Wir haben Kontakte zu befreundeten Schulen im Ausland und es gibt hier eine gewisse Tradition, dass unsere Studierenden nach einem Praktikum gleich im Tessin oder in der Romandie bleiben und dort diese Funktionen übernehmen. Das hat sicher damit zu tun, dass die Ausbildung dort fehlt, die entsprechenden Fachleute aber ebenfalls gebraucht werden. Hier sehen wir den leidigen Röstigraben, der gerade in der Schweizer Bildungspolitik sehr ausgeprägt ist. Es ist mir ein Anliegen, diesen Graben soweit wie möglich zuzuschütten, aber zumindest möglichst viele breite Brücken darüber zu bauen. Auch vom Verband fmpro aus stehen wir in Kontakt mit Bildungsanbietern. Die Berufsprüfungen gibt es in allen Sprachregionen, die Teilnehmerzahlen sind aber teils sehr unterschiedlich. Der Bekanntheitsgrad der höheren Berufsbildung ist in der Westschweiz sicher noch zu klein und dort die Tendenz stärker, nur die Fachhochschule und die Uni als höhere Bildungsabschlüsse anzuschauen. Dem möchten wir verstärkt entgegen treten und werden in Zukunft verstärkt vermitteln, dass gerade die HF ein praxisnaher und für die eigenen Karriereaussichten mindestens so bedeutender Abschluss ist. Dies zeigen verschiedene Arbeitsmarktstudien, nicht zuletzt die regelmässigen fmpro-Lohnstudien.

Wie kamen Sie eigentlich zum Verband?
Bereits mit dem fmpro-Vorläufer FM Schweiz hatte ich immer wieder regen Kontakt, zumal er bei uns als Ausbildungsstätte für die Höhere Fachschule im FM immer ein wichtiger Partner war. Kaum wurde ich hier vor 14 Jahren Abteilungsleiter, lud man mich an FM Schweiz-Sitzungen ein und ich merkte: da ist ein Verband, der sich einmischt und klare Ansprüche und Erwartungen hat, hinter dem aber auch ein unglaubliches Engagement für Bildungsfragen steht. Mit Interesse und viel Sympathie habe ich auch den Fusionsprozess zwischen den beiden doch recht eindeutig auf Frauen (FM Schweiz) und Männer (MFS) ausgerichteten alten Verbänden mitverfolgt. Mit der erfolgreichen Fusion hat dann fmpro auch einen Meilenstein in der ansonsten leider immer noch stark nach Geschlechtern geprägten Schweizer Bildungs- und Verbandspolitik gesetzt. Als dann vor gut zwei Jahren die Anfrage kam, ob ich im Vorstand mitwirken möchte, nahm ich mir eine längere Bedenkzeit. Ich wusste, das verlangt einiges von mir, denn es war klar, dass es um die Übernahme des Bildungsbereichs ging, der weit über das hinaus geht, was wir hier an der BFF anbieten. Der Verband ist sehr mutig, innovativ und bewegt viel. Ich habe es noch in keinem Moment bereut.

Welchen Stellenwert haben Bildungsfragen heute im Verband?
Einen hohen Stellenwert. Es ist offensichtlich, fmpro ist ein Bildungsverband und alles was er macht, hat letztlich eine Bildungs-Komponente. Nur über die Bildung kann er echte Dienstleistungen erbringen. Das erlebe ich auch, wenn ich die Fachzeitschrift lese: Fachthemen sind Bildungsthemen. Wir diskutieren viel über Bildungsprojekte, auch über das Projekt Academy, das die einzelnen verstreuten Weiterbildungen unter ein Label bringen und eine Art Anerkennung und Validierung schaffen und die besten Angebote zertifizieren wird. Es ist wichtig zu wissen, was fachlich und didaktisch geboten wird, damit Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden für die richtige Ausbildung motivieren können. Meine Vision ist, das verstreute FM-Bildungsangebot vom Einzelkurs über die Berufs- und Höheren Fachprüfungen, die HF bis hin zu CAS/MAS auf einer Plattform vergleichend darstellen zu können. zusammenzubringen. Eine solche Übersicht und Vergleichbarkeit will übrigens auch das vom Bund angestossene Projekt zum Nationalen Qualifikationsrahmen NQR erreichen, welches die Abschlüsse der Berufsbildung (von der Attestausbildung bis zur Höheren Fachprüfung) nach Niveaus einreiht, so dass diese mit denjenigen von Fachhochschulen und Unis verglichen werden können. Wir wissen schon heute, dass einige Höhere Fachprüfungen es auf den Level von Masterabschlüssen von Fachhochschulen und Unis schaffen werden. Dies ist ein sehr hohes Niveau, welches zu Recht von allen Beteiligten höchste Ansprüche fordert. Gerade dazu braucht es dann Zertifizierungen und ein Qualitätslabel.

Was raten Sie jungen Berufsleuten, die sich für das FM interessieren?
Ich rate Ihnen, dass Sie sich über alle Optionen informieren und eine gut überlegte Entscheidung treffen, welche ihre mittel- und langfristigen Karriereziele mit umfassen. Für viele junge Berufsleute macht die HF unter Umständen mehr Sinn als ein Vorbereitungskurs auf die eidgenössische
Berufsprüfung.

Welches ist das vordringlichste Bildungsprojekt im Verband?
fmpro hat bereits vor einigen Jahr unter dem Namen Bildungskonzept eine umfassende Reform der drei eidgenössischen Prüfungen IHF/IHL und FML angestossen. Das Ziel dabei ist, diese sehr stark strukturierte und aufwändige Prüfung zu vereinfachen. Gleichzeitig sollen die fachlichen, methodischen, sozialen und persönlichen Kompetenzen, welche grösstenteils Mitte der 1990er-Jahre definiert wurden, den heutigen Anforderungen in der Maintenance und im FM angepasst werden. Dieser Prozess ist für den IHF weitgehend abgeschlossen, beim IHL/FML stecken wir noch mitten drin und werten zurzeit eine breit angelegte Befragung der Absolventen und Absolventinnen der letzten drei Jahre sowie aller Experten und Expertinnen aus. Je nach Ergebnis wird es noch eine intensive Runde mit den wichtigsten Fachpersonen brauchen. Von der neuen Struktur her ist es dagegen klar: wir werden in allen drei Prüfungen einen beträchtlichen Teil der Kompetenzüberprüfung in die Module vorlagern, die unsere Bildungspartner selber durchführen und abnehmen können. Das gibt den Teilnehmenden mehr Sicherheit. Wenn sie einzelne Module in der Tasche haben, können sie die eidgenössische Prüfung mit besseren Aussichten abschliessen. Selbstverständlich müsste sich das auf die Erfolgsquote auswirken. Es ist nicht befriedigend, dass ein Viertel der Kandidaten scheitert. Würden sie früher Rückmeldungen erhalten, wüssten sie besser, woran sie sind, könnten ein Modul ein zweites Mal belegen und würden damit noch kein ganzes Jahr verlieren.

Welches Bild haben die Studierenden vom Verband?
Er bekommt gute Noten bezüglich Dienstleistungen, Vernetzungsmöglichkeiten und auch für die Verbandspublikationen. Unsere HF-Studierenden und Dozenten haben aber manchmal die Befürchtung, dass das Hospitality Management im Verband untergeht. Wir müssen aufzeigen, dass wir diesen Bereich weiterhin sehr stark repräsentieren. Wenn wir die Balance zwischen unseren vielen Themenschwerpunkten immer wieder finden, bin ich sehr zuversichtlich. Es gibt im Verband nun einmal mehrere Berufsbilder, die sich unter einem Dach versammeln, doch das empfinde ich als eine kreative Spannung und es braucht ein solches Dach, sonst wird keines der einzelnen Berufsbilder gesellschaftlich genug wahrgenommen. Das FM und die Maintenance ist eine enorm Mehrwert schöpfende Branche, sie ist entscheidend beteiligt an der Qualität von Produkten, Dienstleistungen und der Versorgung der Bevölkerung, vom Spitalbetrieb bis zum Unterhalt von ganz komplexen Anlagen. Wir leisten einen grossen Beitrag für eine sichere, effiziente, aber auch soziale Dienstleistungserbringung. Darauf können wir stolz sein.

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „fmpro service“ (Juli 2015).

Zum Original-Artikel:

 

 

 

 

 

 

 

Bild: Stefan Kühnis