Im Rennsport dreht sich alles um Effizienz: Bessere Aerodynamik, idealer Grip, höhere Beschleunigung, schnellere Boxenstopps, jedes etwas effizientere Detail kann am Ziel entscheidend sein. Das Sauber F1 Team aus Hinwil zieht das Thema Effizienz aber noch viel weiter und stellt es auch in Sachen Umwelt- und Energiemanagement in den Mittelpunkt.
Ein schonender Umgang mit Ressourcen und ein gutes Recycling haben beim Sauber F1 Team Tradition. Beispielsweise nutzt es seit der Eröffnung des neuen Gebäudes in Hinwil Fernwärme von der sehr nahe gelegenen Kehrichtverwertung Zürcher Oberland. Diese Traditionen goss der Rennstall dann in ein Managementsystem und entschied sich für die Serie ISO 14000 und eine Zertifizierung nach ISO 14001. Der Rennstall nutzte die ISO-Systematik, um durch den ganzen Betrieb zu gehen, alles zu hinterfragen, zu organisieren, festzuschreiben und untereinander zu verbinden. Vor allem in den ersten zwei Jahren nach der Systemeinführung wurde viel umgekrempelt. Es wurde abteilungsübergreifend diskutiert und das Team stiess auf verbesserungswürdige Details, die es so noch gar nie bedachte. Unter anderem konnte der Energieverbrauch massiv gesenkt werden, teilweise durch Änderungen der Software, aber auch durch eine saubere Analyse der einzelnen Prozessphasen.
Der Windkanal und die Energie
Der grösste Energieverbrauch des Sauber F1 Teams ist auf den Windkanal zurückzuführen, den es am Standort Hinwil betreibt und der einer der besten seiner Art ist. Bis Ende 2009 wurde er ausschliesslich zur Entwicklung eigener F1-Fahrzeuge genutzt. Seitdem die FIA (Fédération Internationale de l’Automobile) im Reglement Nutzungseinschränkungen zur Entwicklung eigener F1-Fahrzeuge eingeführt hat, ist er auch verstärkt für Kundenprojekte im Einsatz. Lange kannte der Rennstall nur dessen Gesamtverbrauch, heute kennt er auch den Verbrauch der einzelnen Teilsysteme. «Der Energieverbrauch des Windkanals ist beachtlich», sagt Adrian Schwarz, Umweltbeauftragter der Sauber Motorsport AG. «Der durchschnittliche Verbrauch der letzten fünf Jahre entspricht etwa 70 Prozent des gesamten Energiebedarfs des Unternehmens. Wir betreiben ihn möglichst während 24 Stunden und an sieben Tagen in der Woche. Je öfter er in Betrieb ist, desto wirtschaftlicher ist sein Einsatz. Während eines Betriebsjahres werden rund 15 000 Testläufe durchgeführt. Wir sind ständig bestrebt, die Effizienz des Windkanals zu steigern. Anfangs war das Einsparungspotenzial sehr hoch, wir konnten beispielsweise die Steuerung verschiedener Aggregate optimieren und dabei unter anderem bei den Druckluftkompressoren signifikante Stromeinsparungen erreichen. Zudem wurden Anlagen bedingt durch ihre Lebensdauer durch effizientere Systeme ersetzt und die Abläufe des Windkanals werden stetig optimiert, was zu kürzeren Laufzeiten für dieselben Ergebnisse führt und somit weniger Energie verbraucht. Die Stromkosten wurden tatsächlich um einen sechsstelligen Franken-Betrag reduziert.»
Der Windkanal und das Wasser
Der Windkanal ist auch Hauptverbraucher des Wasserbedarfs der Sauber Motorsport AG. «Die Testläufe im Windkanal müssen immer unter einer konstanten Lufttemperatur von 20 Grad Celsius durchgeführt werden», erklärt Schwarz. «Um dies zu erreichen, werden bei Windgeschwindigkeiten von 300 Stundenkilometern etwa 1,2 Millionen Liter Luft pro Sekunde durch einen Kühler gepresst – mit dem Effekt, dass dadurch das Kühlwasser erwärmt wird. Ein zweiter Kreislauf mit Leitungswasser kühlt es über einen Wärmeaustauscher wieder ab. Dieses Kühlsystem basiert auf dem Verdunstungsprinzip. Das erwärmte Leitungswasser wird in sogenannte Kühltürme gepumpt, wo es grossflächig versprüht und dadurch abgekühlt wird. Ein Teil des Wassers verdunstet dabei in die Umwelt, was dementsprechend den Wasserverbrauch bestimmt.»
Positive Umweltberichte
Der Windkanal mag der grösste Energieverbraucher sein, er ist aber nicht der einzige. Überall erlaubte die systematische Herangehensweise der ISO-Systematik Verbesserungen in der Effizienz. Die Umweltberichte und die Umweltbilanz der Sauber Motorsport AG fallen seither laufend positiv aus. Gegenüber 2013 ging der absolute Stromverbrauch im Jahr 2014 um 12,6 Prozent zurück, der absolute Wasserverbrauch sogar um 33 Prozent. Der Bedarf an Heizenergie lag um 13,3 Prozent tiefer, die Treibhausgas-Emissionen um 2,8 Prozent. Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen seit 2011 Treibhausgas-neutral und kompensiert die verursachten Emissionen zu 110 Prozent. Der Energieverbrauch weist einen sehr hohen Anteil an erneuerbarer Energie auf. Über 60 Prozent der Elektrizität wird aus Wasserkraft gewonnen, zudem wird wie erwähnt die Fernwärme der benachbarten Kehrichtverwertung genutzt. Die im Jahr 2012 in Betrieb genommene Solaranlage produzierte im letzten Jahr 175 520 Kilowattstunden Strom, was in etwa dem jährlichen Stromverbrauch von 49 Haushalten entspricht.
Kleine Details, grosse Summe
Die vielen Massnahmen, die der Rennstall umsetzte, kamen übrigens nicht zwingend aus der Chefetage, sondern auch von zahlreichen Mitarbeitenden, die über ein Vorschlagswesen zusätzliches Verbesserungspotenzial identifizierten und somit einen aktiven Beitrag zur Erreichung der ambitionierten Ziele leisteten. Solche umgesetzten Beispiele aus dem Jahr 2014 sind unter anderem die Einrichtung von Glas-Recyclingbehältern im Windkanal, die Berücksichtigung umweltfreundlicher Kriterien bei der Auswahl von Give-Aways für Gäste – die inzwischen wo immer möglich per Seefracht und nicht mehr per Luftfracht an die Rennstrecken transportiert werden – sowie die Verbesserung der Abfalltrennung metallischer Stoffe in der Fertigung. Durch einen Modellwechsel der Lastwagen und durch Eco-Drive-Kurse für die Chauffeure wird heute weniger Treibstoff verbraucht, im Jahr 2014 waren es 4,5 Prozent weniger als noch im Vorjahr. Und dank des neu eingeführten Hybrid-Antriebstrangs und der reglementsbedingten Verbrauchslimitierung konnte der Treibstoffverbrauch der F1-Rennfahrzeuge im Vergleich zum Vorjahr um 28 Prozent gesenkt werden. Früher verbrauchte der Rennstall jährlich fünf Tonnen Aceton, ein wenig umweltfreundlicher Stoff. Heute sind es nicht einmal mehr zehn Prozent. Zwar seien das alles Details, genauso wie wenn defekte Ventile an Druckluftleitungen ausgetauscht würden, doch in der Summe könne man so mit wenig Aufwand viel erreichen, sagt der Rennstall.
Kein abgeschlossener Prozess
Inzwischen ist das Unternehmen in Sachen Umwelt- und Energiemanagement allgemein auf einem hohen Niveau und entsprechend wird die Lernkurve kleiner. Es gilt nun, die grossen Fortschritte aufrecht zu erhalten und mit kreativen Ideen weitere Details auszubügeln. Denn ein Energiemanagement ist kein abzuschliessender Prozess, sondern läuft immer weiter und muss stetig angepasst werden. Auch für die Zukunft hat sich die Sauber Motorsport AG deshalb noch einiges vorgenommen. «Wir haben uns viele und ganz unterschiedliche Ziele gesetzt», sagt Schwarz. «Unter anderem werden wir 2015 die gesamte Pumpenanlage des Windkanal-Kühlsystems erneuern. Das heisst, die Pumpen werden dann nur noch mit einem Bruchteil der zuvor benötigten Leistung betrieben. Zudem ersetzen wir im Eventbereich des Windkanalgebäudes die bisherigen hundert Halogenlampen durch sparsamere LED-Leuchtmittel. Ganz im Hinblick auf Energieeffizienz steht auch die Massnahme, Desktop-PCs durch virtuelle Computer zu ersetzen. Bereits konnten so rund 6000 Kilowattstunden Strom eingespart werden. Durch Prozesszeitoptimierung in der Strömungssimulationsberechnung konnte eine Reduktion der Prozesslaufzeit um 17 Prozent erreicht werden, wodurch der Stromverbrauch im selben Masse reduziert wurde. Zu unseren Zielen gehören aber auch neue Luftfracht-Container, die unser Rennequipment zu den Übersee-Rennen bringen. Durch die Anschaffung leichterer Flight Cases reduziert sich unser Luftfrachtgewicht signifikant, womit sich entsprechend auch die durch den Lufttransport verursachten CO2-Emissionen verringern.»
Verantwortung
Die Sauber Motorsport AG bekennt sich klar zum Rennsport. «Unser Credo lautet jedoch: wir möchten das, was wir tun, so verantwortungsvoll wie möglich tun», sagt Schwarz. Schliesslich heisst Ressourcen schonen in den meisten Fällen auch das Portemonnaie zu schonen. Der ISO-Systemaufbau inklusive den Zertifizierungskosten und den Honoraren für externe Berater war übrigens bereits nach weniger als sechs Monaten amortisiert.
Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „fmpro service“ (Juli 2015).
Zum Original-Artikel:
Bild: Sauber Motorsport AG
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