Tranquillo Barnetta fällt meistens mit einem Ball am Fuss auf. Letzten November tat er das aber auch mit seinem Schnauz.

Der 30-jährige Tranquillo Barnetta ist einer der besten Schweizer Fussballer seiner Generation. Und er engagiert sich für die Gesundheit anderer.

Wie wichtig sind Bewegung und Ausdauer für die Gesundheit?

Das ist das A und O, für die körperliche und mentale Gesundheit. Für mich ist es entscheidend, dass man dabei Spass hat. Dann tut man sich wirklich etwas Gutes. Man steht dahinter, macht es gewissenhaft und kann sich motivieren. Ich gehe beispielsweise nicht enorm gerne rennen. Wäre das nicht Teil meines Berufes, könnte ich mich wohl nicht täglich dazu aufraffen.

Wie oft trainieren Sie?

Das kommt auf die Phase an. Während der Saison müssen wir ein bis zwei Mal pro Woche Höchstleistungen bringen, dann ist die Regeneration sehr wichtig. Aber während der Vorbereitung trainieren wir täglich zwei bis drei Mal, manchmal schon vor dem Frühstück. Dann geht es vor allem um die Kondition und darum, sich die physischen Grundlagen für die ganze Saison zu erarbeiten.

Haben sich die Trainingsmethoden in den letzten Jahren verändert?

Sicherlich, besonders was die Kondition angeht. Früher liefen wir oft 50 oder 60 Minuten lang, das gibt es heute nicht mehr. Die Läufe sind abgestimmt auf die eigene Herzfrequenz, die Anfang Saison getestet wird. Dann läuft man in seinem Bereich und fokussiert auf Intervalle, das ist für den Fussball erfolgversprechender.

Trainieren Sie als 30-Jähriger anders als ein 20-Jähriger?

Das macht man unbewusst. Die Erfahrung beginnt eine Rolle zu spielen, was im Training und im Spiel zum Tragen kommt. Beispielsweise erkennt man, dass es nicht so vielversprechend ist, nochmals einen 70-Meter-Sprint hinzulegen, wo man als junger Wilder auf jeden Fall mitging.

Sie hatten auch schon Verletzungspech, das Kreuzband und der Innenmeniskus. Wie schlimm war das?

Die Verletzung am Innenmeniskus war mental viel härter zu verkraften als der Kreuzbandriss. Beim Kreuzbandriss war es ein schweres Foul, ich wusste sofort, dass etwas kaputt war. Die Szene mit dem Innenmeniskus war überhaupt nicht schlimm, ich erinnere mich nicht mal richtig daran und spielte sogar noch weiter. Erst am nächsten Tag ging ich zum Arzt und als mir dieser sagte, dass man das operieren müsse, war das ein Schock. Nach etwa zwei Monaten spielte ich zwar wieder, bekam aber nie Ruhe mit dem Knie. Nach einem halben Jahr operierte man es erneut und ich fiel sieben oder acht Monate lang aus.

Wie war es, so lange keinen Sport zu treiben?

Man beginnt in der Rehabilitation schnell wieder mit anderen Sportarten, Kraft- und Oberkörpertraining, Aqua-Jogging, Höhentrainings, Velofahren, da ist man bis zu acht Stunden täglich dran. Während einer Reha macht ein Fussballer mehr, als wenn er in der Meisterschaft steckt. Man probiert, alles andere in Schuss zu halten und natürlich auch explizit am Knie zu arbeiten.

Fehlte Ihnen das Fussballspielen?

Sicher. Wie in jedem anderen Beruf gibt es auch für uns Tage, an denen man wenig Lust hat. Erst wenn man so eine Verletzung hatte, schätzt man es wieder, jeden Tag auf den Fussballplatz zu dürfen.

Letzten November spielten Sie mit einem Schnauz. Weshalb?

Roman Neustädter, mein Team- und Zimmerkollege bei Schalke 04, sprach mit mir über die Movember Foundation. Das Projekt will die Gesundheit von Männern verbessern, fokussiert vor allem auf Hoden- und Prostatakrebs und fordert auf, sich im November einen Schnurrbart wachsen zu lassen, um Gespräche darüber anzuregen. Ich dachte mir: Das ist eine super Sache, da kann ich mit wenig Aufwand einen Monat lang Menschen auf etwas aufmerksam machen. Wenn ich damit bewirken konnte, dass man sich Gedanken darüber macht oder sogar zur Vorsorge geht, habe ich mein Ziel erreicht.

Wie gefielen Sie Ihrem Umfeld und sich selbst mit Schnauz?

Ich erhielt die einen oder anderen Spitznamen, jemand schenkte mir ein Luigi-Kostüm. Ich selbst musste mich während der ersten zwei Wochen etwas daran gewöhnen, dann ging es. Aber ich müsste das nicht das ganze Jahr über haben.

Werden Sie ihn sich wieder wachsen lassen?

Ich denke schon. Wichtig ist im Leben, dass man auch über sich selbst lachen kann. Man sollte solche Dinge allerdings nicht jedes Jahr machen, sonst verlieren sie ihre Wirkung. Aber diesen November könnte man es nochmals versuchen.

Veröffentlicht in der Mediaplanet-Ausgabe „Männergesundheit“ (August 2015).

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Bild: zVg