Wenn Dinge plötzlich nicht mehr gehen, die früher noch gingen, kann der Verdacht aufkommen: ist es Alzheimer?
Bereits bei einem Erstkontakt mit einem Arzt können einfache Tests mit hoher Sicherheit feststellen, ob es Alzheimer ist oder nicht. «Manchmal erkennt man aber auch, dass die Gedächtnis- und Hirnleistungsstörungen andere Ursachen haben, beispielsweise eine Depression», sagt Prof. Dr. med. Reto Kressig. Bleibt der Verdacht, geht es zu einer vertieften medizinischen und neuropsychologischen Untersuchung inklusive einer Bildgebung, meistens mittels eines MRI. «Wenn wir uns dann immer noch sehr unsicher sind, vor allem in einem sehr frühen Stadium, können wir anhand von Biomarkern wie typischen Ablagerungen in der Hirnflüssigkeit mehr erkennen», sagt Kressig. Vor etwa fünfzehn Jahren entwickelte er eine weitere Methode, die Aufschluss geben kann: eine Ganganalyse. Denn wer an Alzheimer erkrankt, läuft von Schritt zu Schritt unregelmässiger. Das kann ein sehr frühes Zeichen sein.
Je früher, desto besser
Je eher man mit einer Behandlung starten kann, desto grösser ist die Chance, die Krankheit stoppen zu können. Am besten noch bevor Symptome auftauchen. «Der Mangel an Neurotransmittern ist das Hauptsymptom einer Demenz. Medikamente können die Konzentrationen von Neurotransmittern erhöhen und so die Übermittlung von Informationen zwischen den Nervenzellen verbessern», sagt Kressig. Derzeit gibt es zwei Medikamente, die sich auch kombinieren lassen. Aus Registerdaten kann man erkennen, dass ein Eintritt in Pflegeheime viel später erfolgt, wenn man rechtzeitig mit einer Kombinationstherapie beginnt. Diese symptomatische, medikamentöse Behandlung bringt zwar keine Heilung und verbessert die Hirnleistung nicht unbedingt, aber sie erhöht die Lebensqualität. Das ist sowohl für die Betroffenen als auch für die Betreuer wichtig. Hinzukommt dann eine nichtmedikamentöse Therapie, zum Beispiel mit Musik. «Das wirkt», sagt Kressig, «die Patienten reden besser, haben eine bessere räumliche Orientierung und verhalten sich sozialer. Vor allem die Pflegenden merken das. Und sie darf man auf keinen Fall vergessen. Geht es dem Betreuer gut, geht es auch dem Betreuten gut. Das ist eine enorme Wechselwirkung.»
Mit der Krankheit umgehen
Noch immer ist es so: Wenn man Alzheimer hat, dann hat man es. «Aber auch mit dieser Diagnose ist das Glas nicht leer, nicht einmal halb leer», sagt Kressig. Es sei zwar eine Krankheit, aber eine, mit der man umgehen und noch immer viel Positives erleben könne. «Es kommt sehr darauf an, wie man sich mit der Krankheit auseinandersetzt. Wir haben so viele Nervenzellen im Hirn, die wir ein ganzes Leben lang gar nicht brauchen. Man muss das Hirn auf verschiedenste Arten stimulieren. Mit einer vielseitigen und mit Emotionen verbundenen Stimulation kann man brachliegende Hirnreserven und Hirnareale involvieren und aktivieren, die dann Funktionen absterbender Areale übernehmen können. Wer es sich gewohnt ist, mit dem Hirn zu arbeiten, kann viel kompensieren und die Symptome kommen viel später.»
Bringt die Zukunft Heilung?
Demenz kommt immer seltener vor. Offensichtlich gibt es präventive Ansätze, die funktionieren. Die Ernährung, die körperliche Aktivität, die soziale Aktivität, all das sei wichtig, sagt Kressig. «Wahrscheinlich kann man mit der Wahl des Lebensstils viel mehr selber beeinflussen, als wir uns das dachten.» Vielleicht lässt sich die Krankheit eines Tages auch heilen. «Vor drei oder vier Jahren hatte ich weniger Hoffnung als heute», sagt Kressig. «Ich bin sehr positiv gestimmt, wir sind einer Lösung wieder näher. Die Forschung macht Fortschritte und es gibt einige neue Erkenntnisse. Ich denke, in etwa fünf Jahren werden wir mehr Klarheit haben, ob und dass es eine Lösung gibt. Ich hoffe, ich kann sie dann noch anwenden.»
Veröffentlicht in der Mediaplanet Ausgabe “Mein Körper” (September 2016).
Bild: Maren Beßler / pixelio.de
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