Seraina Mischol war eine erfolgreiche Langläuferin. Doch dann kam sie einfach nicht mehr vorwärts.

Bis ins Jahr 2008 wurde Seraina Mischol immer besser. Dann aber liess ihre Leistung nach. Einige Zeit später erhielt sie die Diagnose Multiple Sklerose (MS).

Was bedeutete Ihnen das Langlaufen?

Es war über eine lange Zeitspanne mein Beruf, es war mein Leben. Es war ein Privileg, als Schweizer Langläuferin von diesem Sport leben zu können.

Wie merkten Sie, dass etwas nicht stimmt?

Ab dem Jahr 2009 fiel ich im Weltcup immer weiter zurück, im Jahr 2011 war ich nicht mehr in der Nationalmannschaft. Wir fanden keine Ursache. Während einer Trainingswoche im Berner Oberland hatte ich Kopfschmerzen und sah plötzlich verschwommen. Ich ging zum Augenarzt, der eine Sehnerv-Entzündung feststellte und mich ans Berner Inselspital schickte. Dort gab es ein MRI und kurz vor Mitternacht sagten mir die Ärzte, ich hätte MS.

Wie nahmen Sie diese Diagnose auf?

Ich hatte meine Symptome schon gegoogelt und hatte den Verdacht. Aber natürlich war die Diagnose ein Schock. Man sieht sich im Rollstuhl, denkt an das Schlimmste. Doch ich bin ein positiv denkender Mensch. Die Nacht schlief ich zwar nicht viel, aber am Morgen akzeptierte ich es und schaute vorwärts. Wenn das Schicksal zuschlägt, schlägt es zu.

Machten Sie noch weiter mit Langlauf?

Ich wollte meine Karriere im Frühling 2012 sowieso beenden. Nach der Diagnose war ich im Kopf nicht mehr zu hundert Prozent bereit, ans Limit zu gehen, und gab im Januar meinen Rücktritt bekannt. Ich hatte bereits eine Arbeitsstelle, alles war aufgegleist.

Gab es Rückschläge im Verarbeitungsprozess?

Nein, ich lebe jetzt seit fünf Jahren mit der Diagnose. Seither hatte ich noch eine Sehnerv-Entzündung, blieb ansonsten aber schubfrei. Das erleichtert es mir sehr.

Was machen Sie heute?

Ich bin zu 90 Prozent als Tiefbauzeichnerin für ein Ingenieurbüro angestellt und arbeite im Home Office. In diesem Betrieb machte ich schon meine Lehre und er unterstützte mich auch während meiner Langlauf-Karriere. Ich mache sehr viel Sport, wenn möglich jeden Tag. Ich bin ein Ausdauer-Junkie und der Sport ist bestimmt eine gewisse Sucht. Aber ich habe nicht mehr so viel Ehrgeiz dabei.

Welchen Tipp geben Sie anderen MS-Betroffenen?

Ich will nicht Moralapostel sein, ich weiss um meine gute Lage. Aber das positive Denken macht extrem viel aus.

Veröffentlicht in der Mediaplanet-Ausgabe “Mein Körper” (September 2016).

Bild: zVg