Nicht jeder Mensch ist geborener Chef. Aber wer tatsächlich eine Führungsposition übernehmen möchte, kann alles lernen, was es dazu braucht. Zentral ist dabei, sich selber zu kennen und reflektieren zu können.
Viele Aspekte der Führungsarbeit kann man lernen. Es gibt Tools, Anleitungen, Bücher oder Seminare, mit denen man seinen Werkzeugkoffer füllen kann. Führungsarbeit hat aber auch mit der Persönlichkeit zu tun. Ein guter Chef und eine gute Chefin sind selbstsicher und können nicht nur andere führen, sondern vor allem auch sich selber. Das hat mit einer gewissen Reife zu tun, aber nicht zwingend mit dem Alter.
Gute Chefs
Da stellt sich unweigerlich die Frage: gibt es den optimalen Chef oder die optimale Chefin? Wie sieht diese Person aus? Was tut sie? «Es gibt dafür kein Rezept», sagt Erika Rupp, Betriebsökonomin FH in Facility Management und diplomierte Erwachsenenbildnerin HF. «Ich bin überzeugt, dass es vor allem darum geht, sich selber zu kennen und reflektieren zu können. Das sind wichtige Elemente für eine gute Führungsperson. Es hilft, wenn man aus dieser Situation hinaus entscheiden kann, wie man mit Situationen umgeht. Sich selber zu verbiegen, eine andere Rolle zu spielen, das funktioniert nicht. Man muss aus der eigenen Überzeugung in eine Handlung übergehen.» Reto Suter, diplomierter Arbeitspsychologe FH und Erwachsenenbildner HF, stimmt dem zu: «Die Frage, ob jeder und jede eine Führungsposition übernehmen kann, wird dann müssig. Wenn man sich selber kennt, kann man sich die Frage selber beantworten, ob einem die Führungsrolle liegt oder nicht. Wer das will, kann eine gute Führungskraft werden. Dann kann man trainieren, was noch fehlt, und an seinen Schwächen arbeiten.»
Führung lernen
Suter und Rupp leiten jedes Jahr eine ((kursiv)) Studienwoche Führung, ((normal)) die im Rahmen des Studiengangs Dipl. Betriebsleiter/in in Facility Management HF der BFF Bern stattfindet. Und zwar möglichst früh während des Studiums. «Je früher sich die Studierenden damit beschäftigen, desto besser», sagt Rupp. «In dieser Studienwoche legt man die Grundlagen und weckt die Grundbereitschaft. Die braucht es. Tools, Methoden, Theorien, Vorgehensweisen, die kann und wird man später im Laufe des Studiums noch lernen. Aber das Bewusstsein rund um den Rollen- und Perspektivenwechsel und die Bereitschaft, sich mit sich selber auseinanderzusetzen, diese Dinge müssen von Beginn an da sein. Das sind die Grundvoraussetzungen.» Über Erlebnisse und Erfahrungen soll erreicht werden, dass sich die Studierenden kennen und reflektieren. «Ein Weg dazu sind Rückmeldungen. So kann man das Selbstbild und das Fremdbild sehr gut erkennen», sagt Suter.
C’est le ton qui fait la musique
Fähigkeiten, die während der Studienwoche trainiert und sichtbar gemacht werden und für eine Führungskraft wichtig sind, gibt es natürlich sehr viele und teilweise auch sehr unterschiedliche.
- Körper und Stimme: «Die Studierenden tragen zwei verschiedene Gedichte vor», sagt Suter. «Im ersten spricht ein König, laut, kraftvoll, deutlich und klar, mit der entsprechenden Körperhaltung und Körpersprache. In einem zweiten Gedicht geht es um das lebendige Erzählen, damit man gerne zuhört.» Die Studierenden sollen erleben, wie sie sich ausdrücken und wie das tun kann, wenn jemand als König auftritt. «Manche wissen gar nicht, dass sie so laut sprechen können», erzählt Rupp. «Andere merken wiederum, dass ihnen das sehr viel Mühe macht. Sich damit auseinanderzusetzen, das löst etwas aus.»
- Ausgleich schaffen: Wer eine Führungsaufgabe übernimmt, braucht auch einen guten Ausgleich dazu. Während der Studienwoche ist ein Nachmittag dafür reserviert, sich zu bewegen, zu joggen oder zügig zu spazieren. «Die Message ist natürlich, dass ein Ausgleich wichtig ist», sagt Reto Suter. «Das wird oft geschätzt, die Studierenden können den Kopf lüften. Nicht alle finden aber, dass sich joggen dazu eignet. Doch die Erkenntnis, welchen Ausgleich man bevorzugt, ist sehr wichtig.»
- Entscheidungen fällen: Manchmal hat man mehr Zeit dafür und kann sich strukturierte Gedanken machen, Informationen und Argumente sammeln, sich vorbereiten. Manchmal muss es aber sehr schnell und spontan gehen. Auf jeden Fall kommt man nicht darum herum: als Führungsperson muss man Entscheidungen treffen. «Das muss man trainieren und das braucht Mut. Den kann man sich aneignen», sagt Erika Rupp.
- Fehler machen: Das dürfe man, sind sich beide sicher. «Es kommt natürlich darauf an, welche Fehler man macht», sagt Rupp. «Eine eher ungeschickte Vorgehensweise, ein zu langes Zögern, ein schlecht geführtes Gespräch, ja, das kann und darf passieren. Wir sind Menschen, das gehört dazu. Wenn das gepaart ist mit der Bereitschaft, sich zu reflektieren, passiert das auch nicht andauernd.»
- Gruppen führen: Die Studierenden erhalten Anfang Woche den Auftrag, am Donnerstag eine 45-minütige Sequenz zu gestalten, in der Führung erlebbar wird. «Da kommen immer ganz unterschiedliche Themen zusammen», sagt Suter. «Die Gruppe kann Erfahrungen sammeln, wie man eine solche Sequenz leiten kann, wie man wirkt und wo und wann man wie Einfluss nehmen kann, um die Gruppe wirklich zu führen. Der Lerneffekt ist immer da. Entweder können wir aufzeigen, weshalb eine gute Organisation oder klare Aufträge dazu führten, dass die Klasse mitmachte. Oder wir können aufzeigen, wo man wie eingreifen kann, damit die Sequenz nicht chaotisch wird.»
- Innere Überzeugung: Ein weiterer Halbtag der Studienwoche fokussiert die innere Überzeugung. «Es gibt Glaubenssätze. Beispielsweise, dass die typische Betriebsleiterin in FM der Hauswirtschaftsdrachen ist. Oder dass man es als Frau in einer Führungsposition schwieriger hat als Männer. Es geht darum, methodisch zu erkennen, wo man was verändern will», sagt Rupp. Und Suter wirft ein: «Dass sich junge Frauen weniger durchsetzen können, ist ein weit verbreitetes Stereotyp. Man sagt das so. Wir gehen dem dann auf die Spur. Warum sagt man das und was kann man beitragen, damit sich das ändert? Wenn man sich mit solchen Fragen auseinandersetzt, wird man sich der eigenen Meinung mehr bewusst. Das stärkt die Führungspersönlichkeit.»
Fundierte Führungsausbildung
«Wir haben Studierende, die sehr jung diplomiert werden, ihre Führungsrolle aber sehr souverän wahrnehmen», sagt Rupp. «Die Erfolgsquote ist hoch und das ist kein Zufallsprodukt, sondern liegt an der fundierten Führungsausbildung, die wir anbieten und die ich in dieser Art aus keiner anderen Branche kenne.»
Übrigens: für alle, die den Studiengang nicht absolvieren, sich aber dennoch mit dem Thema beschäftigen möchten, haben Erika Rupp und Reto Suter inzwischen einen weiteren Kurs entwickelt. Auch das Seminar «Stark in Führung» vermittelt keine Tools und Rezepte, sondern geht auf die Persönlichkeit, die Reflexion und das Erleben ein, unabhängig von der Branche und dem individuellen Erfahrungsschatz.
Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „fmpro service“ (Dezember 2016).
Bild: Thomas Max Müller / pixelio.de
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