Ob man sie mag oder nicht, man hat sie selten gewollt. Entdeckt man an seinem Gebäude ein Graffiti, muss es also weg. Aber wie soll man dabei vorgehen – und wie kann man sich davor schützen?
Man kann über sie denken wie man will. Für die einen ist es hohe Kunst, für die anderen ist es lästiger Vandalismus. So oder so, meistens sind sie unerwünscht und müssen wieder weg. Wer morgens mit einem Graffiti an seiner Hauswand erwacht, muss sofort handeln.
Anzeigen
Als erstes sollte der Schaden fotografiert und Anzeige erstattet werden. Das macht zwar nur ein kleiner Teil der Betroffenen, weil viele sagen, es bringe nichts. «Im schlimmsten Fall hat die Polizei dann zwar einen Täter, kann ohne Anzeige aber nichts tun», sagt Priska Rast, Graffitibeauftragte der Stadt Zürich. «Das ist ein riesen Frust. Sie müssen den Täter laufen lassen und der lacht sich ins Fäustchen. Und es spricht sich schnell rum, wo der Bann einmal gebrochen ist, wird die Hauswand rasch zur Leinwand. Eine Anzeige ist also auch Prävention.»
Reinigung
Als zweites gilt es, sich um die Reinigung zu kümmern. «Je frischer das Graffiti noch ist, desto schneller geht es runter», sagt Rast. «Ein Spraylack ändert seine Konsistenz nach einer Woche nochmals und wird hartnäckiger. Mit der Sonne kann er sich noch richtig in den Untergrund brennen. Es gibt viele Gründe, möglichst schnell zu reagieren.»
Selber zu reinigen, ist nicht empfehlenswert. Ein Graffiti geht in den meisten Fällen nur mit Chemikalien weg. Sie sollten nicht in das Grundwasser gelangen, sonst verstösst man gegen das Gewässerschutzgesetz. Ausserdem schaden viele Chemikalien dem Stein der Hauswand, der nur schon durch die Lösungsmittel Schaden nehmen kann. «Handelt es sich um eine Hauswand aus Naturstein, sollte man sich einen Fachmann aus dem Bereich Steinsanierung suchen», sagt Rast. «Eine gestrichene Fläche kann ein Maler oder ein Gebäudereiniger am besten säubern.» Doch häufig weiss der Eigentümer nicht einmal, aus welchem Material der Untergrund ist. Da kann es helfen, wenn ein Anbieter mit allen Herausforderungen zurechtkommt. Es gibt nämlich nicht nur Graffiti mit Spraylack, sondern auch solche mit Permanent-Marker, Bitumen, Carrosserie-Lack, Strassenmarkierungsfarbe, Tinte, Jod und vielem mehr. Einige dieser Graffiti gehen vergleichsweise gut weg, andere nur mit einer bestimmten Anwendung, einer Technik oder einer Chemikalie. «Leider gibt es aber keine passende Ausbildung für die Graffiti-Reinigung», sagt Rast. «Nicht einmal Maler lernen, sich intensiv mit solchen Schäden auseinanderzusetzen. Sie lernen mit der Erfahrung.»
Ein Experte ist sich den Anforderungen rund um den Gewässerschutz auch eher bewusst. Auch wenn die Umsetzung manchmal zu wünschen übriglasse, wie Priska Rast sagt. «Im Graffitischutz ist das Problem jedoch nur selten die Chemikalie für die Reinigung. Die ist zwar meistens scharf, in der angewendeten Menge aber vertretbar. Das Problem ist auch nicht ein allfälliger Graffitischutz, den man herunterwäscht. Das Problem ist die Farbe, die aufgetragen wurde», sagt Rast. Man muss sie mit einem Flies abfangen oder sogar mit einem geschlossenen System arbeiten, das Wasser sofort wieder abfängt und filtert. «Da kommt man nur langsam vorwärts und es ist eine teure Art zu reinigen», sagt Rast. «An gewissen Orten geht es aber nicht anders. Zum Beispiel am Limmatufer, an den Wänden links und rechts des Flusses.»
Wer zahlt?
Ein Graffiti zu reinigen, ist nicht ganz günstig. Wurde zuvor ein Graffitischutz aufgetragen, kann die Reinigung bei 30 bis 50 Franken pro Quadratmeter liegen. Ohne Schutz kostet das schnell mal bis zu 500 Franken pro Quadratmeter. «Es lohnt sich also, zumindest auf Erdgeschosshöhe einen solchen Schutz anzubringen», sagt Rast. Denn die Kosten trägt immer der Eigentümer. «Die meisten Gebäudeversicherungen schliessen Vandalismus aus, egal welcher Natur», erklärt Rast. «Man müsste das separat versichern. Der Kanton Bern bietet einen Zusatz an, der sehr günstig zu haben ist. In allen anderen Kantonen bleibt der Eigentümer auf den Kosten sitzen. Das kann zu einem grossen Problem werden und schnell tausende Franken kosten. Ganz schlimm sind Farbanschläge, wenn Farbbeutel an die Fassade geworfen werden. Das geht in jede Ritze, in die Rollläden – das ist der Super-Gau.»
Es gibt verschiedene Städte und Gemeinden, die andere Lösungen anbieten. In der Stadt Zürich beispielsweise gibt es ein Graffiti-Abo, das ist ein fixer Betrag, der eine Art Versicherungsersatz bietet. In Bern ist die Altstadt mit einem Projekt abgedeckt. In Uster rückt das Tiefbauamt auf Wunsch aus und streicht. Die Stadt Luzern hat einen Ring von Malern aufgebaut, die mit der Stadt zusammenarbeiten – die Stadt bezahl einen Teil der Reinigung, der Eigentümer den anderen Teil. «Die Kommunen sind einfallsreich», sagt Rast, «und die Angebote werden auch genutzt. Pech hat man, wenn sich an einem Ort ein Pulk bildet, beispielsweise von Jugendlichen die sprayen. Oft löst sich das dann auf, sobald sie in die Lehre gehen oder wegziehen. Das kann zwei oder drei Jahre dauern und dann ist der Spuk wieder vorbei. Während dieser Zeit hat man als Eigentümer aber kaum eine Chance, dagegen vorzugehen.»
Prävention 1: Schutzanstrich
Bei einer Fassade aus Naturstein, Sichtbeton oder Holz empfiehlt Priska Rast unbedingt einen Schutz anzubringen, damit Graffiti restlos gereinigt werden können. «Die Farbe geht sonst sehr schnell in dieses poröse Material und wird aufgesaugt», sagt sie. «Dann kann höchstens heftige Chemie oder ein Sandstrahl-Einsatz helfen. Die Optik ist dann sicher dahin. Ohne präventiven Schutz können diese Flächen nicht mehr vollständig wiederhergestellt werden.»
Schutzanstriche gibt es viele und verschiedene. Es gibt filmbildende Schichten, die oben auf dem Material liegen und die Poren verschliessen. Ein Graffitischaden lässt sich damit einfach abwaschen. Es gibt temporäre, semipermanente und permanente sowie deckende Systeme. Es gibt abwaschbare oder abbürstbare Systeme. Das Problem: Die Schicht verändert die Bauphysik und ist dadurch langfristig problematisch. Gebäude werden beheizt. Wasser muss also diffundieren können. Mit einer permanenten Schutzschicht, die mehrere Millimeter tief eindringt, kann das Gebäude nicht mehr atmen. Wasser will raus und wird in Dampf umgewandelt. Hinter der Schutzschicht lagern sich Kalk, Mineralien und Salz ab. Es gibt einen Materialstau. Und wenn das Wasser in der Kälte gefriert, wird das Material brüchig. Das dauert dann 20 Jahre, aber verursacht definitiv Schäden, die irreversibel sind. Die Stadt Zürich hat deshalb ein solches Produkt entwickelt, das nicht hydrophobierend wirkt und trotzdem der Witterung standhält. «Das war früher ein Dilemma», sagt Rast. «Es gab entweder oder, aber nicht beides in einem.»
Achtung: wer einen Schutzanstrich auf einem historischen oder denkmalgeschützten Gebäude anbringen will, muss sich unbedingt vorher informieren!
Prävention 2: Freiflächen
Für die Stadt Zürich sind Freiflächen ein sehr wichtiges Präventionselement. Im Jahr 2006 konnte Priska Rast eine erste offizielle Freifläche organisieren, am Oberen Letten. Im Sommer ist dort ziemlich viel los und die Graffiti werden von weit herum gesehen, es gibt grosse zusammenhängende Flächen, wo man sich trifft und wo Graffiti auch von älteren Bewohnern durchaus akzeptiert werden. «Das war ein Wagnis», erzählt Rast. «Ich musste vor den gesammelten Stadtrat stehen und dafür argumentieren. Es gab viel Skepsis und es wurde klar gesagt, dies ein Projekt bis auf zusehends. Wir probierten es. Und das Projekt läuft noch immer.»
Eine Gestaltung einer Hauswand kann auch für Hauseigentümer ein Präventionselement sein. Eine abgesprochene Auftragsarbeit mit einem Konzept und allenfalls auch mit einem Bezug zum Ort, wird durchaus respektiert. «Es gibt in der Szene ein ungeschriebenes Gesetz», erklärt Rast. «Wenn man über ein bestehendes Bild malt, muss das eigene Bild besser oder mindestens gleich gut sein. Natürlich gibt es auch jene Sprayer, die sich um gar nichts scheren, oder es gibt das bekannte Spiel der FCZ- und GCZ-Sprayer, die sich gegenseitig aus Prinzip übersprayen. Aber wenn es um ‘Fame and Respect’ geht, dann sollte man sich schon Mühe geben.» Rast empfiehlt einem Auftraggeber, dem Sprayer möglichst viel Raum zu lassen, damit sie ihr Bild so gestalten können, dass es eine gewisse Strassen-Glaubwürdigkeit hat und von anderen Sprayern respektiert wird. «Sonst gilt der Kodex nicht», sagt sie. «Fotorealistische Bilder werden auch weniger respektiert. Der künstlerische Wert mag dann zwar höher sein, aber das zieht als Prävention nicht. Es muss wenigstens ansatzweise so daherkommen, als ob es illegal wäre.»
Prävention 3: Bepflanzung
Besonders bei Stützmauern kann auch eine Begrünung einen präventiven Effekt haben. Sprayer suchen sich in der Regel Flächen, die ihre Bilder weiterherum und gut sichtbar zeigen. Durchbrochene Untergründe oder eben auch durch Bepflanzung lebendige Wände meiden sie normalerweise. Jedoch hat die Begrünung auch Nachteile: «Kletterpflanzen müssen sich am Mauerwerk halten und können in Mauern eindringen», sagt Rast. «Diese Schäden sind ebenfalls nur schwer zu entfernen.»
Zahlen und Fakten
Die Fachstelle Graffiti gibt es seit dem Jahr 1997. Sie wurde geschaffen, weil es damals eine Serie von rassistischen Sprayereien gab. Der Stadtrat sagte, er wolle keine Leinwand für solche Äusserungen bieten. Die Fachstelle versuchte dann also schnellstmöglich die Gebäudeeigentümer zu kontaktieren, sie zu beraten und die Reinigung zu organisieren. «Das ist nach wie vor so: Rassistische, sexistische oder bestimmte Personen(-gruppen) verletzende Schmierereien wollen wir so schnell wie möglich entfernen», sagt Rast. «Ungefragt zu putzen, ist aber schwierig. Damit sind wir nicht besser als die Sprayer selbst. Wenn wir die Eigentümer nicht sofort kontaktieren können, überstreichen wir diese Schmierereien mit einer abwaschbaren Farbe. Dafür kann die Stadtpolizei sogar nachts einen Pikett-Malerdienst aufbieten. So gewinnen wir etwas Zeit. Auch im Winter können wir oft nicht mit Wasser arbeiten. Dann müssen wir dafür sorgen, dass die unerwünschten Botschaften nicht mehr sichtbar sind und sie im Frühling dann ganz entfernen.»
Priska Rast ist seit Februar 2005 Graffitibeauftragte der Stadt Zürich. Sie merkt, dass sich einiges verändert, kann aber nicht alles davon mit Zahlen untermauern. «Ich erkenne, dass die klassischen, grossen, bunten Graffiti weniger werden», sagt sie. «Wer wirklich etwas gestalten will, sucht sich eine Freifläche. Wer illegal sprayen will, sprayt kleinere Dinge. Es gibt viel Tags und das Problem der Kleber und Collagen nimmt massiv zu.» Die Stadt Zürich pflegt natürlich ihre eigenen Gebäude und hat dafür auch eine Kostenstatistik. Die zeigt: In den letzten zehn Jahren nahmen die Kosten um rund einen Drittel ab.
Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „fmpro service“ (Mai 2017).
Bild: Stadt Zürich
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