Optimale Nutzung oder absehbarer Misserfolg: Die Qualität der Basisdokumente legt die Richtung eines BIM-Vorhabens bereits fest.

Die Vorteile von richtig eingesetztem Building Information Modeling (BIM) sind sowohl auf zeitlicher Ebene als auch auf der Kostenseite spürbar. Das sagt Harald Schäfer. Als Senior Consultant bei der TÜV SÜD Advimo GmbH prüfte er schon viele BIM-Vorhaben.

Was sind gute und was sind schlechte Beispiele für BIM-Projekte?

Ein Beispiel für ein sehr positiv verlaufenes Projekt ist der Bau des 17‘000 Quadratmeter grossen New South Glasgow Hospitals-Campus mit zwei Kliniken. Die Bauherren verlangten, den Gesamtenergieverbrauch gegenüber dem durchschnittlichen Energieverbrauch der rund einhundert Bestandsbauten um ein Viertel zu senken. Dieses Ziel konnte nicht nur erreicht, sondern sogar um weitere 25 Prozent unterboten werden. Ermöglicht wurde dies durch die Verbesserung der Modelle auf Basis der Ergebnisse von Material-, Auslegungs- und Flächensimulationen in den die digitalen Prototypen. Schlechte Beispiele von BIM-Vorhaben ergeben sich meist aus der ungenügenden Berücksichtigung elementarer Grundlagen wie einer durchdachten BIM-Strategie, einer zielführenden Ausschreibung des Bauvorhabens und einer konsequenten und professionellen Umsetzung im Projektverlauf.

Wie lassen sich BIM-Vorhaben überprüfen und beurteilen?

Das primäre Augenmerk bei der Prüfung und Auditierung von BIM-Vorhaben liegt auf den Basisdokumenten. Diese werden entweder grundsätzlich für ein Unternehmen oder eine Organisation festgelegt. Oder sie werden – wie beispielsweise die Auftraggeberinformationsanforderung (AIA) oder der BIM-Abwicklungsplan (BAP) – projektspezifisch erstellt und bilden als Vertragsbestandteil die Grundlage für ein Bauvorhaben. Die Qualität dieser Dokumente legt bereits die Richtung fest, in die sich ein Vorhaben entwickelt. Und sie ist ausschlaggebend dafür, ob von vornherein eine optimale Nutzung der BIM-Methodik vorgesehen wird oder ob der mögliche Misserfolg des Projekts bereits absehbar ist. Elementar wichtig und in einem Audit zu überprüfen ist, ob die Umsetzung in der Praxis der in den Dokumenten beschriebenen Theorie gerecht wird. Ist die Projektorganisation entsprechend aufgebaut? Existieren kompetente BIM-Koordination und leistungsfähiges BIM-Management? Werden die Daten in der geforderten Qualität geliefert und geprüft? Entspricht die Qualität des gesamten Modells den vorgegebenen Anforderungen und Standards? Erst wenn Grundlagen und Umsetzung positiv geprüft sind, kann man von objektiv gut aufgesetztem BIM sprechen. Erst dann stehen die Zeichen – zumindest aus Sicht der Herangehensweise – für das gesamte Bauvorhaben auf Erfolg.

Gibt es dafür auch Zertifikate oder Prüfzeichen?

Die Entwicklung von Zertifikaten für die Auditierung von BIM-Projekten im deutschsprachigen Raum ist derzeit nicht befriedigend. Insbesondere öffentliche Auftraggeber setzen daher eher auf die AIA, um dort projektspezifische Prüfstandards zu verankern und die zurzeit noch fehlenden Prüfstandards zu kompensieren.

An welchen Stellen scheitert der Erfolg von BIM-Projekten häufig?

Der Begriff „Projekt“ impliziert gemäss der Definition eines Projekts eine begrenzte Zeitdauer für die Nutzung der BIM-Methodik. Das ist aber irreführend, da Sinn und Zweck von BIM nicht darin liegen, lediglich die Planung, vielleicht auch noch den Bau zu begleiten und mit der Inbetriebnahme des Objektes das „Projekt“ abzuschliessen. Richtig eingesetztes BIM begleitet das Objekt über den gesamten Lebenszyklus bis zu seinem Abbruch und erfordert die laufende Pflege des Modells in Zusammenarbeit mit einem System für die infrastrukturelle und kaufmännische Betriebsführung des Objektes. Gleichzeitig ist dies einer der Gründe, weshalb BIM-„Projekte“ teils als gescheitert oder zumindest weniger erfolgreich angesehen werden. Bezieht man die Methodik nur auf die Planung und lässt die Betriebsphase aussen vor, vergibt man einige der grössten Chancen und Vorteile eines gut umgesetzten BIM-Vorhabens: beispielsweise optimierte Energieverbräuche, Wartungsflächen oder Flächenauslastungen. In den meisten Fällen findet man Ursachen für Misserfolge von BIM-Vorhaben noch vor deren Beginn: unklare Zielstellungen, eine schlechte Qualität oder das vollständige Fehlen von Basisdokumenten oder die inkonsequente oder unprofessionelle Umsetzung während der Planungs- und teilweise der Bauphase. Genau in diesen Phasen entstehen die Modelle und müssen mit Leben und Daten gefüllt werden. Doch selbst wenn das Vorhaben in seinen Grundzügen gut aufgesetzt ist, hängt viel von den Beteiligten ab. Ziehen diese nicht mit oder fehlt ein übergeordnetes und durchsetzungsstarkes BIM-Management, nützt auch die beste Qualität der BIM-Basisdokumente nichts. Nehmen Projektbeteiligte im schlimmsten Fall eine Verweigerungshaltung ein oder versuchen, den Auftraggeber von gesetzten Standards und Anforderungen in ihrem Sinne abzubringen, ist der Erfolg des Vorhabens ernsthaft gefährdet.

Welche Phasen des Gebäude-Lebenszyklus sind heute schon weit mit BIM, welche haben noch aufzuholen?

Grundsätzlich kann man sich den Entwicklungsstand des BIM-Einsatzes über den Lebenszyklus hinweg in einer negativen Kurve vorstellen, beginnend mit der schon recht weit entwickelten Planung bis zum bislang noch kaum berücksichtigten Abbruch eines Objekts. In der Planung hat ein BIM-Vorhaben seinen Ursprung, dementsprechend ist dies auch die am weitesten entwickelte Phase hinsichtlich der Nutzung der Methodik. Trotzdem besteht auch hier noch Entwicklungsbedarf, vor allem bezüglich der Vermittlung des BIM-Know-hows. In der Bauausführung werden meistensnoch 2D-Papierpläne eingesetzt. Erst wenige Bauprojekte sind konsequent auf BIM getrimmt. Um die Möglichkeiten des Modells auch auf der Baustelle zu nutzen, ist eine entsprechende technische Ausstattung mit Bildschirmen oder Mobilgeräten nötig. Der Übergang vom Bau zum Betrieb, das „BIM2FM“, findet erst sehr eingeschränkt statt. Sinnvollerweise wird der spätere Gebäudebetrieb bereits in der Planung berücksichtigt, wo FM-spezifische Anforderungen beachtet werden müssen, um später höhere Instandhaltungskosten zu vermeiden. In der letzten Phase, dem Abbruch eines Gebäudes, erfolgt keine Erzeugung oder Aktualisierung von Daten mehr. Hier steht die Nutzung der vorhandenen Informationen im Vordergrund. Ein Abbruch lässt sich deutlich kostengünstiger planen und realisieren, wenn das Gebäude, sein Aufbau und die verbauten Materialien vollständig bekannt sind und eine Verwertung noch vorhandener technischer Anlagen und Einbauten sinnvoll berücksichtigt werden kann.

Weshalb wird die Betriebsphase in BIM-Vorhaben heute noch viel zu selten mitbedacht und miteinbezogen?

Das ist in der Historie des Bauens begründet. Bau und Betrieb waren immer getrennte Disziplinen, deren Vernetzung erst in den letzten Jahren zunimmt. Daraus resultiert auch das oft noch fehlende gegenseitige Verständnis für die Bedürfnisse des anderen. Aus Sicht des Baus wird der Betrieb mit seinen praxisbezogenen Anforderungen in der Planungs- und Errichtungsphase oft als hinderlich angesehen, wohingegen sich der Betrieb oft genug im Nachhinein über die aus seiner Sicht unpraktikable Planung ärgert – Konfrontation statt Kooperation ist im Moment leider noch der Regelfall. Das Denken in Leistungsphasen statt einem gesamtheitlichen Immobilien-Lebenszyklus muss überwunden werden, um beim Einsatz von BIM nachhaltige Erfolge zu erzielen.

Wie sieht ein Return on Investment rund um das Arbeiten mit BIM in der Regel aus?

Die Vorteile sind sowohl auf zeitlicher Ebene als auch auf der Kostenseite deutlich spürbar. Die möglichen Einsparungen variieren von Projekt zu Projekt. Überschlägig lässt sich sagen: eine Einsparung von fünf bis acht Euro je investierten Euro ist für einzelne Projekte durchaus realistisch.

Veröffentlicht in der Mediaplanet-Ausgabe „Zukunft der Schweizer Bauwirtschaft“ (Dezember 2017).

Bild: Michael Gaida / pixabay