Bild: Suva –
Die IV-Stelle und die Suva-Agentur Solothurn lancierten vor etwas mehr als zwei Jahren den sogenannten Schulterschluss: Ärzte, Arbeitgeber und Versicherungen sollen gemeinsam dafür sorgen, dass erkrankte oder verunfallte Arbeitnehmer so rasch wie möglich wieder arbeiten können. Mit einer solchen partnerschaftlichen Zusammenarbeit können Ausfalltage reduziert und dadurch Kosten gespart werden. Vor allem aber lässt sich dadurch viel Leid verhindern.
«Der Mensch ist spannend, einzigartig, vielseitig, manchmal auch widersprüchlich. Und es ist beeindruckend, was er alles meistern kann!» Das sagt Karin Fiechter-Jaeggi. Sie muss es wissen. Sie ist nämlich Leiterin der IV-Stelle Solothurn und hat viel mit Menschen zu tun, die gerade nicht arbeiten können – weil sie schon seit einiger Zeit krank sind oder einen schweren Unfall erlitten.
Gemeinsam ist man stärker
In diesen Situationen geht plötzlich vieles nicht mehr so, wie es zuvor ganz normal war. Zum Beispiel das Arbeiten. Das muss der Mensch auch, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aber das alleine greift zu kurz. Wer nicht arbeiten kann, verliert soziale Kontakte, wichtige Aufgaben und die Möglichkeit, mitzugestalten und sich persönlich weiterzuentwickeln – und wird so erst recht nicht gesünder. Hinzu kommt: je länger jemand bei der Arbeit ausfällt, desto geringer ist die Chance auf eine erfolgreiche Rückkehr an den Arbeitsplatz. Nach sechs Monaten sinkt sie bereits um die Hälfte.
Deshalb brauchen Betroffene ein starkes Team um sich: ihren Arzt, ihren Arbeitgeber und auch die Sozialversicherungen. «Wir sind alle ein Teil unseres Sozialsystems und sitzen dadurch alle im gleichen Boot», sagt Dr. med. Michael Fluri. Als Arzt will er für die Patienten das Beste und das ist grundsätzlich, ihre Arbeitsplätze als wichtige soziale Absicherung und als Ort von sozialen Kontakten zu erhalten. Deshalb sucht er manchmal den Kontakt mit dem Arbeitgeber, um Kenntnisse über den Arbeitsplatz zu gewinnen und zu klären, was, wann und wie möglich ist. Die Grenze ist klar gezogen: der Arbeitnehmer sagt, was er mitteilen möchte. Das ist sein höchstpersönliches Recht. Die meisten Betroffenen sind jedoch froh darüber. «Ist ein Patient skeptisch, ist der Mist meist eh geführt», sagt Fluri.
Schwierige Situationen meistern
Eine rasche Wiedereingliederung ist also das Ziel. Doch rasch soll nicht unkoordiniert bedeuten. Ganz im Gegenteil. Alle müssen zusammenarbeiten, Missverständnisse verhindern und Vorurteile abbauen. Deshalb initiierten die IV-Stelle und die Suva-Agentur Solothurn im Jahr 2011 eine Initiative, die 2014 zu einem runden Tisch und Anfang 2016 zum Schulterschluss führte, einer Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen Ärzten, Versicherungen und Arbeitgebern. Der runde Tisch wurde mit inzwischen mit einem Vertreter der Psychiatrie und der Krankentaggeldversicherungen verstärkt. Wenn alle Beteiligten den gleichen Wissenstand haben, die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen und professionell und strukturiert Bewegung in den Genesungs- und Wiedereingliederungsprozess bringen können, profitieren auch alle – am meisten die Betroffenen selbst. «Ich bin überzeugt, dass es nur gemeinsam geht», sagt Karin Fiechter-Jaeggi. «Dann haben wir die besten Chancen, schwierige Situationen zu meistern.»
Monika Meier, Personalchefin der Härterei Gerster AG in Egerkingen, ist genau gleicher Meinung. Das Unternehmen wurde mit dem Solothurner Sozialstern ausgezeichnet, weil es die direkte Kommunikation zwischen Ärzten und der Firma fördert. «Es ist alles viel einfacher, wenn man miteinander redet», sagt Meier. «Man muss sich in die Augen schauen, den Menschen in den Mittelpunkt stellen und dafür sorgen, dass es ihm gut geht und er wieder arbeiten kann.» Diesen Wiedereinstieg müsse man koordinieren und individuell gestalten. Kommunikation, Wertschätzung, Respekt, Vertrauen, Feedback, Klarheit, eine Begegnung auf Augenhöhe und der Fokus auf ein gemeinsames Ziel, um zusammen etwas zum Erfolg der Firma beizutragen – auf eine solche Kultur legt die Härterei Gerster AG viel Wert und diese Faktoren stehen auch im Zentrum des Schulterschlusses. Ein derartiger Kulturwandel, der braucht allerdings seine Zeit. «Wir können nicht von heute auf morgen alles auf den Kopf stellen, sagt Kilian Bärtschi, Leiter der Suva-Agentur Solothurn. «Man muss sensibilisieren, investieren und stets dranbleiben».
Im Bild
Arbeitgebende, Ärzte und Versicherungen vertreten durch (von links nach rechts): Monika Meier (Härterei Gerster AG), Kurt Jäggi (Glutz AG), Karin Fiechter-Jaeggi (IV-Stelle Kanton Solothurn), Kilian Bärtschi (Suva Solothurn), Christian Hunziker (Solothurner Handelskammer), Thomas Lack (Basler Versicherungen), Claudia Werthmüller (Vidar AG), Dr. med. Michael Fluri (Hausarztpraxis Weissenstein).
Veröffentlicht im Magazin „Mensch Solothurn“ (Ausgabe 2018).
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