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Rolf Truninger ist Gründer und Geschäftsführer der QualiCasa AG, einem Unternehmen, das sich auf das Real Estate Controlling spezialisiert. Wir wollten von ihm wissen, was genau unter Real Estate Controlling zu verstehen ist und wie er das FM wahrnimmt.
Rolf Truninger machte einst eine Lehre zum Elektromonteur. Er weiss, was es bedeutet, sich bei minus 15 Grad mit dem Hammer auf den Daumen zu schlagen. Diese Erfahrungen seien bis heute sehr wertvoll und nützlich. Später studierte er berufsbegleitend Informatik und Betriebswirtschaftslehre. In den Neunzigerjahren arbeitete er für eine Bank und betreute während der damaligen Immobilienkrise die notleidenden Kreditpositionen. Es ging darum, Sanierungsstrategien zu finden. Doch gab es kein Modell, mit dem man in die Zukunft schauen und erkennen konnte, ob die Qualität eines Gebäudes überhaupt stimmt und ob sich eine Investition lohnt. Um eine Strategie zu finden, muss man Szenarien jedoch durchdenken können. Was ihm in dieser Zeit auch auffiel: Ob ein Unternehmer fair arbeitete oder nicht und ob ein Gebäude das Geld tatsächlich wert ist, das Käufer bezahlten, konnte gar nicht kontrolliert werden. Das war die Geburtsstunde der Idee zur Firma QualiCasa.
Die QualiCasa AG macht «Real Estate Controlling». Was darf man darunter verstehen?
Es geht darum, dass Eigentümer Lenkungsinstrumente erhalten. Sie müssen ihr Portfolio steuern können, Daten dazu haben und eine Qualitätssicherung bei Neu- oder Umbauten betreiben können, die neutral ist und nur dem Eigentümer dient. Das war anfangs schwierig. Wir hatten kein Tool dazu, also keine Software, und wir fragten uns, wie man eine Qualitätssicherung in der Baubranche überhaupt schlank und sinnvoll aufsetzen könnte. Dank innovativen Kunden, welche uns Pilotprojekte in Auftrag gaben, konnten wir mit einem hohen Mass an Praxisbezug Produkte entwickeln. Wir studierten die Qualitätssicherungs-Systeme aus anderen Branchen und erarbeiteten zusammen mit den Kunden und Unternehmern ein QS-System, das für alle am Bau Beteiligten griffig und funktional wurde. Parallel zum Aufbau des neuen QS-Systems schenkte uns die Swisslife das Vertrauen und wir konnten für ihr Portfolio ein neuartiges LifeCycle-Modell entwickeln. Über die letzten 15 Jahre bauten wir unser Expertenwissen, eine Datenbank rund um Bauschäden sowie mathematische LifeCycle-Modelle auf. Heute können wir Verträge genau überprüfen und wissen, was man im Vertrag wie beschreiben muss, damit es überprüfbar ist. Wir wissen, welche Bauschäden durch einen nicht kontrollierten Einbau entstehen können. Wir ermöglichen eine bauprozessbegleitende Qualitätssicherung. Dank unseren Controlling-Instrumenten lässt sich bei der Abnahme beispielsweise erkennen, ob man die bestellte Lüftung erhielt oder ob eine Wärmepumpe tatsächlich die ausgeschriebenen Werte erreicht. Ich behaupte, nur rund zehn Prozent der Eigentümer machen ein richtiges QS und Monitoring während dem Bau mit Schlussabnahme und in der Garantiezeit. Die anderen 90 Prozent wissen nicht genau, ob sie das bestellte Gebäude mit der geplanten Leistung erhalten. Mit unseren heute erprobten Produkten können letzte Mängel und fehlerhafte Installationen fristgerecht erledigt werden. Diese Punkte sind letztlich für den ganzen Lebenszyklus der Immobilie relevant und beeinflussen die Betriebskosten. Wenn der Vertrag erfüllt ist, kann ich ohne weiteres den ganzen Lifecycle in unserer Software abbilden. Die Betriebskosten und die Instandsetzungskosten werden sichtbar. Unsere Modelle, welche auf empirischen Daten basieren, kennen die Nutzungsdauer der Bauteile und berechnen die Ausfallwahrscheinlichkeit einzelner Materialien. Der Eigentümer kann Massnahmen je nach seinem Risiko-Appetit und seinem Nutzen steuern und mit risikobehafteten Bauteilen gezielt umgehen. Ein Beispiel: ein Flachdach müsste saniert werden, aber in nächster Zeit steht ohnehin eine gesamte Gebäudesanierung an. Der Eigentümer kann das Facility Management anweisen, das Dach bis zur Gebäudesanierung regelmässiger zu kontrollieren. So lässt sich der Zeitpunkt der Flachdachsanierung hinauszögern. Für eine solche Strategie ist dieses Wissen sehr wertvoll. Wenn ich das Ausfallrisiko eines Bauteiles kenne, kann ich damit umgehen.
Sie haben das Facility Management ins Spiel gebracht. Welchen Stellenwert hat es aus Ihrer Sicht?
Der Stellenwert wurde immer grösser und es gab eine Verlagerung vom traditionellen Hauswart hin zum Facility Management. Das ist ganz offensichtlich. Das FM umfasst heute sämtliche Dienstleistungen. Das hat sich gut etabliert und diesen Stellenwert wird das FM auch nicht mehr verlieren. Das betrifft ganz besonders das technische FM, weil die Portfolios viel grösser sind und anders geführt werden als früher. Die heutigen Eigentümer-Organisationen sind für FM-Firmen viel besser geeignet.
Wie wird das FM aus Ihrer Sicht wahrgenommen – zum Beispiel von Immobilien-Investoren?
Schlicht und einfach als Dienstleister. Ich weiss, das FM will nicht nur Dienstleister, sondern Partner sein. Aber das wird schwierig werden. Man gewöhnte sich daran, ein Mandat einfach wieder einmal auszuschreiben. Dann unterbieten sich die verschiedenen Anbieter. So wird man ein normaler Dienstleister bleiben und dokumentiert sogar noch seine eigene Auswechselbarkeit. Man kann keinen Datenbestand aufbauen, weil die Stammdaten nicht oder schlecht vorhanden sind. Was hier auch nicht förderlich ist: Die Firmen werden immer affiner rund um den Datenschutz und wollen ihre Daten bei sich und nicht beim FM-Dienstleister haben. Das gilt auch bei BIM. Das BIM-Modell soll beim Eigentümer sein. Diese Entwicklung stellen wir in den letzten Monaten vermehrt fest und ich nehme an, die neue Datenschutz-Grundverordnung und deren baldige Adaption in der Schweiz ist dafür der Treiber.
Wie liesse sich das FM in der Öffentlichkeit noch stärker positionieren?
Vielleicht müsste man die Kundenkontakte besser nutzen. Facility Manager haben viel Kundenkontakt, aber sie werden als Heinzelmännchen wahrgenommen. Wenn die Heizung läuft, interessiert es leider niemanden, wer das überhaupt ermöglicht hat. Auf dem Objekt spürt man das FM eigentlich selten. Das ist hart, aber es ist so. Es ist auch klar: wenn man ein riesiges Pflichtenheft hat, will man so schnell wie möglich auf das Objekt und so schnell wie möglich wieder weg. Gespräche mit dem Mieter und Nutzer liegen fast nicht drin. Aber sie würden helfen. Das können Kleinigkeiten sein, um darauf aufmerksam zu machen, dass man seinen Job gemacht hat. Weshalb nicht im Eingangsbereich Blumen platzieren mit einem Gruss vom FM-Team? Das würde auch zeigen, dass man Freude am Objekt hat.
«Der Stellenwert des FM wurde immer grösser. Es wird ihn auch nicht mehr verlieren.»
Wie sehen Sie die Rolle des FM in Bauprojekten und in welcher Phase sollte es miteinbezogen werden?
Facility Management ist Mikro-Management. Dieses Know-how ist wichtig. Deshalb sollte das FM beizeiten miteinbezogen werden – aber ja nicht zu früh! Es gibt das baubegleitende FM, das in Gewerbehäusern, wo viele Nutzungswechsel stattfinden, sehr wertvoll ist. Ich glaube aber, ein gutes FM-Konzept würde schon reichen, als Grundlage für die Ausschreibung und die Werkserstellung. Wenn man beispielsweise 20 Lavabos nur mühsam reinigen kann, es aber eine leicht zu reinigende Alternative gäbe, summiert sich der Aufwand über die Jahre massiv. Solche Erfahrungen hat der Facility Manager und Erfahrungswerte einfliessen zu lassen, ist immer gut. Man kann nie alles wissen. Hat man in einer Phase vor der Ausschreibung – wenn man die grundlegenden Eigenschaften des Gebäudes kennt – ein FM-Konzept, kann man das nochmals durchgehen und gewisse Dinge anpassen. Zumindest kann man bewusste Entscheidungen treffen, wenn man sich für eine Lösung entscheidet, die im Betrieb teurer ist. Wenn dieses Konzept steht, brauche ich aber lange Zeit keinen Facility Manager mehr. Nach Unterzeichnung des Werkvertrages braucht es vor allem eine Kontrolle, dass man das Bestellte auch erhält, und das bezieht sich natürlich auf das ganze Werk und nicht nur auf die FM-relevanten Bauteile.
Welche Herausforderungen beschäftigen Sie derzeit am meisten?
Wir bräuchten eigentlich lange Lebenszyklen bei den Bauteilen. Doch die Nutzungsdauern werden immer kürzer. Eine Gasheizung wurde in der Vergangenheit 24 bis 28 Jahre lang genutzt, heute ist die Tendenz nur noch bei 14 bis 18 Jahren. Das ist logisch, weil dahinter eine industrielle Produktion steht, die ganz Europa beliefert. Da kann man wunderbar designen, wie lange das Produkt hält. Man weiss, wie viele Anlagen verbaut sind und wie viele davon nächstens fällig sind. Eine Lebensdauer von 25 Jahren bringt dem Manager im Amt aber nichts, wenn die Anlage jedoch nach 14 Jahren schon ausgewechselt werden muss, kann er sich immer noch profilieren. Dazu kommt dann noch ein teurer Servicevertrag und nach acht Jahren gibt es keine Ersatzteile mehr. Das läuft immer mehr so, ob es um Kühlschränke, Backöfen, Küchen, Brandschutzanlagen, Heizungen oder Lüftungen geht. Das ist für die Hauseigentümer ganz generell eine schlechte Entwicklung, die auch die Kostenkurve eines Gebäudes betrifft. Meine grösste Kritik am Ganzen: Die Lieferfirmen haben gelernt, dass sie besonders bei Neubauten den Auftrag erhalten, wenn sie günstig offerieren. Danach kommen aber die grössten und teuersten Serviceverträge zum Zug. Das sind im Normalfall verrechenbare Nebenkosten, sprich: der Mieter zahlt. Beispielweise schliesst die Aufzugs-Branche schon nach der Inbetriebnahme einen Servicevertrag ab, obwohl die Garantiezeit noch läuft. Dann korrigieren sie Softwarefehler, die mich eigentlich nicht interessieren, weil ich ein fertiges Produkt bestellte. Wenn es da noch Softwarefehler gibt, betrifft das die Garantie und nicht den Servicevertrag. Nun beginnt auch die Brandschutz-Industrie mit kurzen Serviceintervallen. Einen Kunststoffschlauch, der für eine Nutzung von 30 Jahren ausgelegt ist, muss man nicht jedes Jahr kontrollieren. Die Krux dabei: Die von den Brachen beeinflussten Normen und Gesetzesgrundlagen zementieren diese Entwicklung. Die Betriebs- und Unterhaltskosten werden in den gängigen Buchhaltungssystemen als verrechenbare Kosten verbucht und dem Mieter übertragen. Dabei müsste man ein Gebäude immer Brutto anschauen. Aber die Gesamtkosten will man heute gar nicht wissen. Würde schon in den Inseraten immer alles inklusive Nebenkosten ausgeschrieben werden, läge das Risiko beim Eigentümer und aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre das richtig. Dann würde der Eigentümer nämlich etwas unternehmen und bei denen bestellen, die langlebige Sachen anbieten – wenn ihnen die Branche das überhaupt erlaubt.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Branche?
Natürlich beschäftigt uns dieses Thema stark. Zum Beispiel, wie man aus einem BIM-Modell die Eigentümer-relevanten Informationen extrahieren kann, welche Daten man braucht oder wie man sie ins FM integrieren kann. Die Eigentümer werden dafür besorgt sein, dass die Daten eines BIM-Modells bei ihnen sein werden. Das war schon mit der Bauschlussdokumentation so und diese Marktlogik ist schwer zu durchbrechen. Wir haben BIM seit Beginn mitverfolgt. Trotz der Trägheit des Immobilienmarktes geht es jetzt rasch vorwärts. Alle erhoffen sich etwas davon und ich finde es gut, dass diese Transformation kommt. Ich muss aber auch sagen: es gibt noch einiges daran zu arbeiten Und ich sehe noch nicht, wie sich das FM vermehrt einbringen kann. Es wäre super, wenn man bei der Ausschreibung ein FM-Konzept eingeben, dementsprechend eine Leistung offerieren und letztlich auch so managen könnte. Dann liesse sich einfach eine FM-Liste ausdrucken und die zu den einzelnen Bauteilen nötigen Aktivitäten ableiten. So würde sich der Kreis schliessen und das wären definitiv Effizienzgewinne.
Haben Sie einige Tipps an Facility Manager, beispielsweise um den Stellenwert und die Wahrnehmung des FM zu erhöhen?
Ich finde es eine spannende Idee, mehr auf sich aufmerksam zu machen und kleine Formen des Kundenkontakts zu nutzen. Was auch eine Idee wäre: eigene Marken einbringen, zum Beispiel rund um Heizungen, Lüftungen oder auch Brandmeldeanlagen. Man könnte ein langlebiges Produkt suchen, das man 20 Jahre lang geliefert erhält und für das es 25 Jahre lang Ersatzteile gibt. Man bezieht es unter einem White Label und bietet dem Kunden dadurch ein eigenes Produkt, das langlebig und günstig im Betrieb ist und das man selber perfekt unterhalten kann. Damit könnte man sich profilieren, längere Vertragsdauern erreichen und nicht nur ein FM-Konzept einbringen, sondern auch gleich die optimale Anlage mitsamt Wartung offerieren. Ganz ehrlich, diese Idee hatte ich in diesem Moment, aber sie scheint mir tatsächlich sehr interessant!
Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „fmpro service“ (Herbst 2019).
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