Beat Schwab ist VR-Profi. Sein Werdegang und seine Mandate haben allesamt Bezugspunkte zum FM, bieten aber ganz unterschiedliche Blickwinkel auf das Thema. Wir sprachen mit ihm über seine Erfahrungen im FM und über seine Sicht auf diesen Bereich.

Seit rund 25 Jahren sind Immobilien der rote Faden im Berufsleben von Beat Schwab. Der Einstieg war zufällig. Nach dem Ökonomiestudium wechselte er 1992 in die volkswirtschaftliche Abteilung der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) und kümmerte sich um Bau- und Immobilienanalysen. Es war eine spannende und herausfordernde Zeit, um eine Laufbahn in der Immobilienbranche zu starten. Damals sanken die Immobilienpreise stark, und es gab Neuhypotheken-Zinssätze von sieben bis acht Prozent. Die Preise lagen plötzlich unter der hypothekarischen Belehnung, was man in der Schweiz vorher nicht kannte.

Von der SBG kamen Sie dann zu einem Facility Services Unternehmen. Wie lief das ab?

Ich stieg ins Unternehmen meines Schwiegervaters ein, der zuvor ebenfalls in einer Bank arbeitete und das Firmenkundengeschäft betreute. Er hatte dadurch ein breites Beziehungsnetz und abends sah er im Büro die Reinigungskräfte an der Arbeit. Er dachte sich, diese Arbeiten könnte man effizienter gestalten, und kaufte ein kleines Reinigungsunternehmen. Daraus wurde eine Facility Services Firma mit letztlich 750 Mitarbeitenden, die sehr früh integrale Mandate betreute. Ende der Neunzigerjahre gewannen wir Aufträge für das Museum Tinguely und für die Fondation Beyeler, wo wir uns von der Kasse über das Sicherheitspersonal, die Gärtner, die Haustechniker, Hauswarte und Reiniger um den gesamten operativen Teil kümmerten. 2001 durften wir mit dem Stadion St. Jakob-Park in Basel ein weiteres sehr breites Mandat gewinnen, inklusive dem integrierten Tertianum und dem Shopping-Center. Wir gründeten eine Filiale in Luzern, übernahmen eine Firma in Zürich und verkauften unser Unternehmen im Jahr 2004 an die ISS Schweiz. Ich betreute diese Integration. Wenn man eine Firma verkauft, hat man zwei grosse Ziele: erstens sollen alle Mitarbeitenden bleiben können, in möglichst guten Positionen. Zweitens sollen alle wichtigen Kunden bei der Stange bleiben. Es freut mich heute noch: Das Museum Tinguely, die Fondation Beyeler, der St. Jakob-Park, das sind weiterhin gute Kunden der ISS Schweiz, rund 15 Jahre später. Hinzu kamen nach der Übernahme ähnliche Mandate wie das Stadion Letzigrund oder das Landesmuseum in Zürich.

Was machten Sie nach dieser Integration?

Ich blieb noch zwei Jahre lang bei ISS Schweiz und beschloss dann, näher zu meinen ökonomischen Wurzeln zurückzukehren. Ich erhielt die Chance, CEO der Wincasa AG zu werden und zog Ende 2006 von Basel nach Winterthur. Während sechs Jahren leitete ich das Unternehmen in einer starken Wachstumsphase, während der wir die Marktführerschaft übernehmen konnten. Heute ist die Wincasa die klare Nummer 1 in kaufmännischer Bewirtschaftung. Wincasa war eine Tochter der Credit Suisse Group und wurde Ende 2012 an die Swiss Prime Site AG verkauft. Ich persönlich blieb bei der Credit Suisse, wechselte aber auf die Seite der Investoren und Eigentümer und übernahm das Immobilien Asset Management.

So lernten Sie letztlich die gesamte Wertschöpfungskette kennen!

Tatsächlich war das ein sehr spannender Weg, in dem ich im gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes tätig war. Ich kenne die Tätigkeit als Analyst und Prognostiker, die Facility Services und das Facility Management, das kaufmännische Property Management und die Eigentümer- und Investorenseite. Dieser Mix an Erfahrungen erlaubte es mir, mich im Jahr 2017 selbständig zu machen. Es war schon länger absehbar, dass ich bei der Firma Zug Estates Holding AG – wo ich bereits zum Ende meiner CS-Zeit im Verwaltungsrat war, den VR-Präsidenten würde ablösen dürfen, der altershalber zurücktreten musste. Fast gleichzeitig fragte ein Headhunter bei mir für ein VR-Mandat bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) an. Für die SBB wurde der Immobilienbereich strategisch und hinsichtlich Cash Flow immer wichtiger. Man wollte das Thema deshalb im Verwaltungsrat vertreten haben. Für mich waren diese beiden Mandate ein perfektes Startportfolio. Ich kündigte bei der CS Group, organisierte die Übergabe an die Nachfolge und war fortan selbständig, mit einem Büro in Winterthur. Es ergaben sich bald andere Mandate, die mein Portfolio gut ergänzen. Zum Beispiel pom+, die führende Immobilienberatungsfirma der Schweiz. Ich wollte immer nahe an die Trends, die Innovationen und die Forschung, das gibt Inputs für andere Mandate, die sich gegenseitig befruchten. Und ich schaute immer gerne über den Tellerrand. Deshalb ist beispielsweise das Mandat bei der Varia US Properties AG so spannend. Das ist eine in der Schweiz kotierte Gesellschaft, die in US-amerikanische Wohnimmobilien investiert. Erst kürzlich reisten wir durch verschiedene US-Bundesstaaten und sammelten Eindrücke. Ein kleineres Mandat ist die AG Grand Hotels Engadinerkulm in St. Moritz – da ich bei der CS Group auch einen Hospitality Fonds führte und mir in diesem Bereich viel Know-how aneignete, passte das ebenfalls gut. Und kürzlich kam ein grösseres Mandat hinzu, die Raiffeisen Schweiz Genossenschaft. Hier waren meine Bank- und Finanzerfahrungen relevant, aber auch meine Immobilienkenntnisse – die Raiffeisen ist nämlich die grösste Hypothekar-Bank der Schweiz, was viele gar nicht
wissen.

Wie entwickelte sich Ihre Wahrnehmung des FM durch die verschiedenen Berührungspunkte?

Vor allem entwickelte sich die Branche, und zwar positiv. Vor 20 Jahren war sie viel fragmentierter und in den einzelnen Disziplinen gab es ein ausgeprägtes Silodenken. Das veränderte sich stark. Am meisten fällt das rund um die technische Kompetenz der Anbieter auf. Früher waren FM-Firmen eher Einkäufer, Zusammenführer und Koordinatoren von verschiedenen Leistungen, die sie aber nicht selbst ausführten. Inzwischen haben fast alle eine hohe Fertigungstiefe und können die ganze Dienstleistungspalette mit eigenen Mitarbeitenden anbieten. Das ist ein qualitativer Quantensprung. Und da ist die Schweiz auch international auf einem sehr hohen Stand. Auch die kaufmännischen Dienstleister versuchen heute verstärkt, eigene FM-Dienstleistungen anzubieten. Den integralen Ansatz findet man auf allen Seiten. Für die Kunden ist das eine positive Entwicklung, die sie mit integralen Ausschreibungen natürlich auch nachgefragt haben.

Wenn Sie Ihre eigene Wahrnehmung des FM zu Zeiten in der Reinigungsfirma mit der Zeit auf der Investorenseite vergleichen – gibt es da Unterschiede?

Das ist tatsächlich etwas völlig anderes. Wenn man in der Dienstleister-Rolle ist, hat man manchmal den Eindruck, das Thema sei wahnsinnig wichtig. Man denkt, der Eigentümer befasse sich jeden Tag damit und wolle optimieren, Kosten sparen und die Qualität steigern. Doch in der Realität brennen den Investoren ganz andere Themen unter den Nägeln. Das FM wird deshalb oft stiefmütterlich behandelt, sehr zum Leidwesen der Branche, die mehr Wertschätzung und einen höheren Stellenwert verdient hätte. Aber man muss verstehen, dass die Kosten für die Investoren zwar relevant sind und künftig noch relevanter werden, je höher die Leerstände sind. Aber Investoren in der Schweiz – Pensionskassen, Anlagestiftungen, börsenkotierte Immobiliengesellschaften oder Immobilienfonds – haben vor allem ein gros ses Thema: wie investieren wir das Geld und wie findet wir Immobilien, die nicht überteuert sind? Sie sind in einem Bieterwettbewerb, in Übernahmen, in Objektintegrationen, in IT- und Digitalisierungsprojekten, in Verkaufsstrategien. Sie beschäftigen sich damit, wie sich Shoppingcenter oder der Detailhandel entwickeln, wie viele davon verschwinden und welche Auswirkungen das hat. Überall sinken die Mietpreise für den Retail-Bereich, sogar an prominentester Lage wie der Bahnhofstrasse in Zürich. Was soll man mit den freiwerdenden Flächen tun? Welche neuen Konzepte sind erfolgsversprechend? Wie entwickelt sich die Bürowelt? Was bedeuten Home Working, Co-Working oder Desk Sharing? Diese Strukturwandel beschäftigen die Investoren viel mehr. Auch wenn das FM an Bedeutung gewann, es spielt noch immer eine untergeordnete Rolle. Obwohl in der Theorie alle wissen, dass die Lifecycle-Kosten wichtig sind, werden sie im Alltag viel zu selten berücksichtigt. Da muss sich die Branche überlegen, wie sie das besser auf den Punkt bringen und sich Gehör verschaffen kann.

Haben Sie eine Idee?

Es gäbe verschiedene Ansätze. Es hilft bestimmt, pointierte Studien zum Thema zu machen und gute Zahlenbeispiele vorzubringen, um das zu illustrieren. Zum Beispiel, wie hoch die Betriebskosten bei einer realen Nutzungsdauer effektiv sind oder was es bedeutet, wenn man die Betriebskosten durch eine FM-Optimierung um zehn Prozent tiefer halten kann. Man muss aber auch festhalten, dass es noch wenig gute Anreizstrukturen gibt. Nehmen wir den Bereich Mietwohnungen, wo der Mieter die Nebenkosten zahlt, und sagen wir, die Miete liegt bei 1800 Franken. Hinzu kommen 200 Franken Nebenkosten, die man um zehn Prozent senken könnte. Das sind 20 Franken, und das ist nur ein Prozent der Bruttomiete. Das ist nicht matchentscheidend, ob man die Wohnung mietet oder nicht, auf jeden Fall nicht, solange wir einen tiefen Leerwohnungsbestand hatten. Deshalb wird das von den Investoren häufig unterschätzt, von der FM-Branche aber vielleicht überschätzt. Hinzu kommt, dass der Bewirtschafter auch einen Prozentsatz des Nebenkostenertrags in Rechnung stellen kann, für den Aufwand der Nebenkostenabrechnung. Das zahlt auch der Mieter. Der Bewirtschafter hat also eigentlich mehr davon, wenn die Nebenkosten steigen, zumindest finanziell. Und: Steigt der Ölpreis, erhält er mehr, obwohl er gleich viel zu tun hat. Solche Dinge müsste man sinnvoller gestalten.

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Branche?

Die verschiedenen Branchen sind unterschiedlich stark betroffen. Man muss am Ball bleiben, und die Eigentümer haben hohe Erwartungen. Aber man darf vor lauter Digitalisierungsprojekten nicht die Qualität auf dem Objekt und vor Ort vernachlässigen und einem Hype unterliegen. Die Digitalisierung ist wichtig und verändert viel, aber es gibt Branchen, in denen es immer physische Arbeit brauchen wird. Die Versicherungsbranche dürfte beispielsweise sehr stark von der Digitalisierung betroffen sein. Hier ist es sehr wahrscheinlich, dass die meisten Geschäfte künftig im Internet abgeschlossen werden. Eine Bindung zu einer Firma entfällt, der Markt wird kompetitiver und die Preise sinken. Persönliche Gespräche finden über Skype statt, eine Generalagentur ist mehr nötig, und viele Standorte werden verschwinden. Eine Immobilie ist hingegen immer immobil. Das heisst, sie steht wo sie steht. Es wird dort immer gewisse Arbeiten zu erledigen geben. Auch die Reinigung wird meines Erachtens nicht so bald mit Robotern ersetzt, da kommt man seit Jahren nicht entscheidend vorwärts. Fensterreinigung, Gartenarbeit oder Schneeräumung werden physische Arbeiten bleiben, auch wenn Roboter gewisse Arbeitsplätze ersetzen. Es gibt aber auch in der FM-Branche andere Aufgaben, in denen die Digitalisierung zu Automatisierungen führen wird: Qualitätserfassung, Auftragserteilung, Abrechnungen, Reportings, Mängelerfassung oder digitale Dossiers beispielsweise. Hier wird die Digitalisierung vieles vereinfachen und effizienter machen. Kurz: Auch das FM wird von der Digitalisierung stark betroffen sein, aber in meinen Augen etwas weniger stark als andere Branchen, wo das Geschäft dereinst zu hundert Prozent digital sein wird. Das wird dem FM nicht passieren.

Wie beschäftigen Sie sich mit der Digitalisierung?

Ich beschäftige mich unter anderem stark mit der PropTech-Szene, das ist eine Art Hobby von mir. Es gibt spannende digitale Lösungen rund um Immobilien und bei einigen bin ich selber investiert. Zum Beispiel bei Houzy, einem Unternehmen, das digitale Lösungen für Einfamilienhausbesitzer ermöglicht: eine saubere Dokumentation, eine Analyse der Bauteile und deren Lebensdauer, aktuelle Bewertungen und mehr. Oder bei Workspace2go, einer Plattform für temporäre Sitzungszimmer. Ich bin auch Venture Partner bei PropTech1 Ventures, einem Fonds, der in PropTech-Firmen investiert ist. Solche Dinge helfen mir, wichtige Trends nicht zu verpassen und mit Jungunternehmern in Kontakt zu sein, sie zu coachen und zu unterstützen. Das macht mir sehr viel Spass und ich mache das vor allem für geistige Fitness und nicht, um damit Geld zu verdienen.

Zurück zu Ihren VR-Mandaten: Es sind aktuell sechs. Ist das nicht etwas viel?

Das ist nicht so viel, wie man meinen könnte. Als Verwaltungsrat ist man sehr strategisch tätig. Ein kleineres Mandat nimmt mich ungefähr zehn Tage pro Jahr in Anspruch, das sind also weniger als fünf Prozent der Arbeitstage. Grössere Mandate liegen natürlich eher bei 15 bis 20 Prozent, aber insgesamt geht es gut auf. Ich habe genug Freiraum, um mich mit strategischen Themen wie Innovationen oder der Digitalisierung zu befassen. Ich mache heute auch nichts anderes mehr, sondern bin sogenannter VR-Profi. Ich habe das Glück, in einer Immobilien-Branche tätig zu sein, der es sehr gut geht und in der es in der gesamten Wertschöpfungskette ganz unterschiedliche Mandatsmöglichkeiten gibt. Das gefällt mir gut und es ist abwechslungsreich. Ich kann oft unabhängig von Ort und Tageszeit arbeiten, und es gibt Zeiten im Jahr, während denen keine physischen Sitzungen stattfinden. Das macht mich sehr flexibel. Was ich am meisten schätze: Ich muss nicht jeden Morgen ins Büro, um präsent zu sein und Mitarbeitende zu führen. Ich kann mich dem Tag und dem Wetter anpassen. Man muss natürlich fleixibel sein und es ist wichtig, dass man nicht zu hundert Prozent ausgelastet ist. Egal wo ich bin, ich schaue jeden Tag meine Mails an und bin verfügbar, wenn es dringend ist, auch am Wochenende und in den Ferien. Dieses Ausserordentliche kommt allerdings nicht sehr häufig vor. Im Normalfall kann man lange vorausplanen und hat Stabilität. Bei einigen Mandaten sind bereits die Termine für das Jahr 2021 festgelegt und es gibt wiederkehrende Saisonmuster, auf die man sich vorbereiten kann.

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „fmpro service“ (Dezember 2019).