Bild: zVg –
Ein Schindeldach ist nicht nur schön. Es hat viele nützliche Eigenschaften. In letzter Zeit steigt
die Nachfrage nach solchen Holzdächern wieder. Gute Schindelmacher, die dieses alte Handwerk
beherrschen, gibt es aber selten.
In der Schweiz werden unterschiedliche Hölzer verwendet, um Schindeln herzustellen. Im Tessin nimmt man Kastanie, im Wallis Lärche und im Berner Oberland Fichte. «Wir sind hier nicht verwöhnt mit Lärche», sagt Marcel Brand, Dachdecker und Schindelmacher aus Spiez. «Das wäre das noch bessere Holz. Aber die Walliser brauchen die Lärche für sich selbst und geben sie ungerne ab. Also greifen wir auf unsere Fichten zurück, die ab einer Höhe von 1 000 Metern über Meer feinjährig und langsam wuchsen. Das gute Schindelholz findet man nur in den Bergen.»
Die traditionellen Berner Oberländer Schindeln sind 62 Zentimeter lang, einen bis 1,5 Zentimeter dick und hinten leicht verjüngt, damit sie auf dem Dach sauber zu liegen kommen. Das ganze Dach wird an jedem Punkt vierlagig überdeckt und was am Baum oben war, wird auch auf dem Dach oben liegen.
Handarbeit von A bis Z
Es gibt nicht mehr viele Menschen in der Schweiz, die noch wissen, wie man ein gutes Schindel- oder Schipfendach baut. Marcel Brand ist einer von ihnen. Er steht immer in Kontakt mit dem Förster, der ihm sagt, wo er Holzschläge hat. Brand geht hin, sucht passende Bäume und zeichnet diese an, damit der Förster sie zum richtigen Zeitpunkt fällen kann. «Wir möchten erst fällen, wenn das Holz aus dem Saft ist, und dafür muss es erst einmal ein bis zwei Wochen richtig kalt gewesen sein. Nach Möglichkeit wollen wir das auch kurz nach einem Vollmond machen. Manchmal lässt der Förster die Bäume stehen, fällt sie erst nach Absprache, und sollte sein Lastwagen wegen des Schnees nicht mehr fahren können, hole ich das Holz selber mit einem Transporter ab. Dann bringe ich die Stämme in die Werkstatt, säge sie, viertle sie, achtle sie, entferne den Kern und spalte den Rest auf – von Hand und mit dem Schindeleisen, bis die Schipfen eine Dicke zwischen fünf bis sieben Millimeter aufweisen. Dann werden sie gebündelt und schliesslich an der Sonne und im Wind getrocknet.»
Man sagt, ein Schindeldach halte so lange, wie es geneigt ist. «Ab 30 Grad Neigung ist für ein Schindel- oder Schipfendach aus Fichte ideal, es hält dann rund 30 Jahre lang», sagt Marcel Brand. Wie lange es tatsächlich hält, hängt auch von der Exposition eines Gebäudes ab. UV-Strahlung, Hagel und rutschende schwere Schnee- und Eismassen schaden dem Dach. In einem Föhngebiet ist ein Schindeldach wegen der Brandgefahr nicht unbedingt optimal und die Gebäudeversicherung stellt Bedingungen an ein Unterdach und den Abstand zum Nachbarhaus.
Die Nachfrage nach Schindeldächern nimmt heutzutage wieder zu. «Ein Holzdach ist schön, es ist ein nachhaltiger Baustoff und es hat eine isolierende und temperaturausgleichende Wirkung», sagt Brand. «Auch in der Kombination mit Photovoltaikanlagen funktioniert ein Schindeldach einwandfrei. Früher ersetzte man sie mit Blech oder Eternit. Eternit trug viel dazu bei, dass Schindeldächer verschwanden. Doch heute helfen uns schlechte Erfahrungen mit Asbest in alten Eternitdächern, dass wieder vermehrt Schindeln auf die Dächer kommen.»
Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Gebäudehülle“ (1-2/2020)
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