Vom Organisationsentwickler zum Immobilienökonom. Die Themen Menschen, Kultur, Arbeit und Verhalten begleiten Enzo Moliterni seit den Neunzigerjahren – auch in seiner heutigen Position als CEO der Bouygues Energies & Services Schweiz.
Enzo Moliterni, CEO der Bouygues Energies & Services Schweiz, ursprünglich ein Kaufmann, war seit Ende der Achtzigerjahre stets in den Bereichen Organisationsentwicklung, Prozessberatung und vor allem rund um die Kernthemen Kultur und Mensch tätig. Er begleitete Unternehmen in ihrer Entwicklung und bei Fusionen, er entwickelte Teams und spezialisierte sich auf Integration und Unternehmensentwicklung. Diese Erfahrungen haben einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität und Kundenorientierung in einem Dienstleistungsunternehmen.
Wie kamen Sie zur Bouygues Energies & Services Schweiz?
Im Jahr 2006, ich war davor selbständig Erwerbender, wurde ich Integrationsmanager für die Eingliederung eines Unternehmens in die MIBAG. Ein Jahr später erwarb die Bouygues-Gruppe die MIBAG und der damalige Geschäftsführer fragte mich, ob ich diese Integration leiten wolle. MeineKundenorientierung, mein Verständnis für Unternehmenskulturen sowie meine Sprachkenntnisse waren in diesem Fall bei einem internationalen Unternehmen sehr hilfreich. Im Jahr 2008 übernahm ich die Verantwortung im Bereich Human Resources und wurde Mitglied der Geschäftsleitung. Der Mensch ist für uns der wichtigste Faktor in unserem Dienstleistungsunternehmen. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert sind, haben sie Vertrauen in die Führung und sind in der Lage den Kunden zufrieden zu stellen. Bei der Implementation eines Mandates sind motivierte Mitarbeitende der grösste Hebel für den Produktivitätsunterschied. Vor rund zwei Jahren kam dann die Ernennung zum CEO von Bouygues Energies & Services Schweiz AG.
Wer ist das Unternehmen Bouygues Energies & Services heute?
Wir, die Bouygues Energies & Services Schweiz AG, gehören zur Bouygues-Gruppe, ein sehr diversifizierter Industrie-Konzern mit rund 120’000 Mitarbeitenden in über 100 Ländern. Wir sind auf Märkten mit dauerhaftem Wachstumspotenzial positioniert, stellen im Bau erfolgreich Infrastrukturen bereit und betreiben sie auch. Bouygues bietet des Weiteren Telekom-Angebote sowie einPrivatfernsehen an und ist grösster Einzelaktionär von Alstom. Diese Durchmischung ist sehr interessant für uns, zum Beispiel hat der Telekom-Bereich einen hohen Einfluss auf die Trends in der Digitalisierung. Hiervon können wir bei Bouygues Energies & Servicesstark profitieren. Unser Geschäftsbereich umfasst unter anderem die Bereiche Industrie, Energie, Telekom, Anlagebau, Bewirtschaftung und Wartungen von Gebäuden und Infrastrukturen. Weltweit sind rund 13’000 Menschen in diesem Bereich tätig, in der Schweiz sind wir rund 1’600 Mitarbeitende.
Sie möchten also ein möglichst integraler Anbieter sein?
Ja, wir stehen für technisches, infrastrukturelles und kaufmännisches FM in der Schweiz. Dies ist schon lange der Fall. Vor zehn Jahren lag aber die Eigenfertigung bei nur etwa 30 Prozent, heute sind es je nach Mandat zwischen 70 und 90 Prozent. Wir wollen die Dinge selbst machen können und unser Dienstleistungsportfolio ständig ausweiten. Das kommt dem Schweizer Markt sicher entgegen und unterscheidet uns auch vom Ausland. Hier wird mehr Eigenfertigung erwartet. In der Gruppe gibt es den starken Wunsch in allen Ländern das gleiche vielfältige Produkte-Spektrum anzubieten. Zum Beispiel sollten wir in der Schweiz ganze Spitäler nicht nur planen und bauen, sondern auch betreiben, wie es die Gruppe in den Märkten Kanada, England oder Frankreich bereits macht. Mit der stategischen Immobilienberatung beginnen wir sehr früh im Prozess. Natürlich arbeiten wir auch sehr eng mit den Niederlassungen der Gruppe in der Schweiz zusammen. Mit Losinger Marazzi können wir Leistungen im Bereich der Immobilien- und Quartierentwicklung aus einer Hand anbieten. Ein gemeinsam erfolgreiches Projekt mit Losinger Marazzi und der Luzerner Pensionskasse ist das Studenten-Wohnheim „livingscience“ auf dem Campus Hönggerberg der ETH Zürich. Dort wurde ein Gesamtkonzept erarbeitet inklusive Bewirtschaftung und Betrieb mit nachhaltigem Verbrauch. Der ganze Vermietungsprozess läuft hier für die Studenten vollelektronisch ab. Solche Projekte interessieren uns sehr. Hierfür möchten wir uns mittels Unternehmenszukäufen in Zukunft breiter aufstellen, das Angebot erweitern, die Eigenfertigung erhöhen und die geografische Abdeckung ausweiten.
Welche Themen beschäftigen Sie derzeit am meisten?
Da gibt es verschiedene. Eines ist bestimmt die Sicherheit: Allen Mitarbeitenden und Nutzern einer Immobilie muss ein sicheres Umfeld geboten werden, damit diese unversehrt bleiben. Da streben wir Exzellenz an, wir wollen in der Schweiz das führende Property und Facility Management Unternehmen in Sachen Arbeitssicherheit sein. Unsere Gruppe hat eine starke Unternehmenskultur, in der auch die Arbeitssicherheit grossgeschrieben wird.
Ein zweites Thema: Wir möchten ein einzigartiges, positives Kundenerlebnis bieten können. In der Schweiz hat unser Unternehmen den Ruf, für schwierige Situationen besonders geeignet zu sein, dies ist der Fall bei komplexen Liegenschaften wie zum Beispiel in Hochhäusern, Einkaufscentren, Stadien und Spitälern.
Als drittes Thema sehe ich die heutigen Arbeitsformen versus Smartworking. Dies beschäftigt auch unsere Coporate Kunden und institutionelle Investoren. Viele Herausforderungen sind heute in Einzelarbeit an einem traditionellen Arbeitsplatz nicht mehr lösbar. Wir müssen neue Arbeitsformen finden, neue Sitzungsformen, kollaborative und partizipative Methoden. Mehr Spass bei der Arbeit bedeutet bessere Arbeitsergebnisse in Form von Lösungen. Solche Arbeitswelten müssen wir vermehrt zur Verfügung stellen.
Bei uns bedeutet das konkret Talente identifizieren und Potenziale nutzen, indem wir die Fähigkeiten unserer Mitarbeitenden fördern und nutzen. Damit wird sichtbar wer in unserer Kultur reüssieren kann zum Nutzen unserer Kunden. Dafür braucht es aber auch Innovationen und hierfür haben wir beispielsweise eine „Makers Initiative“, die Ideen und Initiativen von Mitarbeitenden aktiv fördert.
Ein wichtiges Thema für jedes Unternehmen ist natürlich die Rentabilität. Unsere Philosophie kann als Dreieck aus Kunden, Mitarbeitenden und dem finanziellen Ergebnis veranschaulicht werden. In der Mitte des Dreiecks steht die Qualität der Leistung. Gute Qualität und begeisterte Kunden führen zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit. Diese drei Themen müssen also immer in einem gesunden Verhältnis stehen. Wenn wir hier gut arbeiten, ist die Rentabilität dann das logische Ergebnis daraus. Das ist deshalb wichtig weil sich der Kunde ein stabiles und gesundes Unternehmen als Anbieter wünscht.
Welche Erwartungen haben die Nachfrager heute an einen Anbieter wie Sie?
Da muss man unterscheiden, in welchem Markt und für welche Industrie man tätig ist. Wenn ein Kunde unter grossem Druck steht, ist Standardisierung ein wichtiges Thema. Er braucht effiziente Prozesse, um zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren können. Eine Bank oder eine Versicherung, die das Gebäude für den Eigenbedarf braucht, oder ein institutioneller Kunde, der die Immobilie Mietern zur Verfügung stellt, haben andere Bedürfnisse. Sie wollen beispielsweise flexiblere Flächen, möchten in Workplace-Themen unterstützt werden. Besonders rund um ein Outsourcing gibt es dann weitere Erwartungen, zum Beispiel die Personalübernahme. Der grösste Markt ist der verdeckte Markt. Wenn ein Unternehmen eine Leistung outsourct, sucht es einen Anbieter, der sich auch bei der Personalübernahme bewährt hat. Es ist ja schliesslich nicht der Mitarbeitende, der sich entschieden hat, nicht mehr dort zu arbeiten. Also stellt sich die Frage, wer diese Menschen integrieren kann. Bei uns bleiben über 90 Prozent der Mitarbeitenden, die teils auch mit neuen Aufgaben betreut werden. Wir erkennen und nutzen ihr Potenzial und entwickeln uns dank dem Kompetenz-Zuwachs ständig weiter.
Wie sehen Sie den Schweizer Markt im Vergleich zum Ausland?
Die Branche hat sich in den letzten 20 Jahren sehr professionalisiert. Im Unterschied zu anderen Ländern haben wir starke Grundlagen für die Standardisierung. Schweizer sind sehr methodisch. Heute sind die Erwartungen der Kunden rund um das Reporting hoch, man muss aufzeigen, was weshalb welche Kosten verursacht und wie wir diese effizienter steuern können. Da ist es eine Stärke der Schweiz, dass sie gerne normiert und standardisiert und das konzeptionell gut formulieren kann. Man muss gleiche Logiken anwenden, vor allem wenn man viele Liegenschaften hat, die verglichen werden müssen. Natürlich gibt es in der Schweiz auch ein sehr ausgeprägtes Spezialistentum. Viele Mitarbeitende verstehen ihre Disziplin sehr gut. Wenn der Wettbewerb zunimmt, braucht es jedoch integrale Lösungen. Es gibt so viele Schnittstellen, da braucht es jemanden, der die ganzen Prozesse betrachten und verstehen kann. Es gibt heute zu viele Prozesse die keinen Mehrwert generieren. Im Ausland versucht man stärker, gesamthaft Mehrwerte zu erzielen. Da können wir sicher noch lernen. Wir haben hier jedoch eine gute Umsetzungsqualität, solide Grundausbildungen, Normierungen, Standardisierungen, darum beneidet uns das Ausland.
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung heute?
Für die Mandatsführung wird es anspruchsvoller, Verträge sind komplexer und teils international, man muss den Leistungskatalog gut kennen und steuern. Wir haben hier gute Voraussetzungen, auch gute Infrastrukturen in der IT und gute Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen. Das ist eine riesen Chance für die Schweiz, um bei Trends wie Smart Cities und der Digitalisierung im Allgemeinen dabei zu sein. Auch wir machen mit bei Angeboten rund um integrierte Systeme, Verkehrsüberwachung, Leitsysteme, Sicherheitsdienste, Energieversorgung, Beleuchtung oder Kommunikationsnetzwerke. In verschiedenen Städten wird das heute nachgefragt. Dieser öffentliche Raum, der digitaler wird, ist ebenfalls ein verdeckter Markt. Sein Potenzial ist enorm und wird in den nächsten 20 Jahren noch viel grösser. Man muss rund um die Digitalisierung jedoch schauen, wo die Mehrwerte genau zu finden sind, woraus ein intelligenter Prozess besteht. Hier ist wiederum das Branchenwissen sehr wichtig. Einkaufszentren haben ganz andere Herausforderungen als ein Spital, beispielsweise. Ein Gebäude erfüllt einen bestimmten Zweck, die Menschen gehen aus einem bestimmten Grund dorthin. Man muss also darauf achten, wo Automatisierung und Digitalisierung mit intelligenten Prozessen helfen, dieses Ziel besser zu erfüllen.
Es braucht also Generalisten und Spezialisten – finden Sie genügend gute Fachkräfte?
Es braucht beides und es gibt beides. Eine Eigenart des FM ist es, dass es hunderte Berufe umfasst. Eine wunderbare Vielfalt! Man muss die Menschen also einerseits in Prozessen gut ausbilden und anderseits Bewirtschafter finden, die integral arbeiten wollen. Manche Fachkräfte findet man leichter, andere weniger. Mit den Ingenieuren ist es beispielsweise sehr schwierig und das hat genau mit der Spezialisierung zu tun. Wir brauchen auch Ingenieure, die Generalisten sind. Man muss in komplexen Immobilien einzelne Situationen technisch richtig einschätzen und verstehen können, um in einem Notfall angemessen zu reagieren. Es ist also eine Herausforderung für unsere Branche, Arbeitsfelder zu definieren, die für Ingenieure attraktiv sind. Wir bilden auch selber Fachkräfte aus. Ein typisches Beispiel ist BIM (Building Information Modelling). Die Gebäudedatenmodellierung wollen wir selbst vorantreiben. Generell gibt es in der Schweiz an Fachhochschulen in bestimmten Bereichen zu wenig Abgänger. Wir wünschen mehr Fachkräfte, die gerne konzeptionell arbeiten und Freude an der Führungsaufgabe mitbringen.
Worauf müssen Facility Manager heute besonders achten?
Eine Voraussetzung ist eine hohe Kunden- und Service-Orientierung aus innerer Überzeugung. Dies ist ein zentrales Thema, damit die Qualität stimmt. Der Service-Gedanke steht stets an erster Stelle und die Kunden möchten das auch spüren und sehen. Ausserdem nimmt die Komplexität stetig zu, man muss schauen, dass man den administrativen Teil sauber vom operativen Teil trennt. Dieser administrative Teil hat durch die Professionalisierung an Bedeutung gewonnen. Früher vertraute man sich, heute muss in der Regel alles dokumentiert sein, sonst hat man es nicht gemacht. Der Kunde will auch nicht, dass man Erwartungen ständig übertrifft, weil er sonst denkt er müsse für etwas bezahlen,das er gar nicht bestellt hat. Es ist wichtig die versprochenen Leistungen gezielt zu erbringen und dabei Mehrwerte zu erzielen. Damit bieten wir unseren Kunden eine einmalige positive Erfahrung.
Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „fmpro service“ (Oktober 2017).
Bild: zVg
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