Ricarda Berg kennt das Facility Management aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. An der Schweizer FM-Branche schätzt sie vor allem die Fähigkeit, stets einen guten Weg zwischen Strukturen, Prozessen und Pragmatismus zu finden.
Ricarda Berg ist eine Quereinsteigerin. Eine, der die FM-Branche sehr am Herzen liegt. «Sie ist interessant und vielseitig und ich versuche, sie weiterzubringen und Mitarbeitende entsprechend zu sensibilisieren und zu fördern», sagt sie. Seit September 2017 macht sie das als Geschäftsführerin der Sauter FM GmbH.
Wer ist das Unternehmen Sauter FM?
Sauter steht seit über 100 Jahren für Qualität und nachhaltige Lösungen in Gebäuden. Bekannt ist das Unternehmen vor allem als Produkte- und Systemlieferant in der Gebäudeautomation. Dabei wird stets versucht, die Betriebs- und Energiekosten über den ganzen Lebenszyklus einer Immobilie zu optimieren. Aus diesem Grund ist das Unternehmen seit einigen Jahren auch im Facility Management tätig. In Deutschland macht dieser Geschäftsbereich rund 100 Millionen Euro Umsatz, in der Schweiz ist er noch im Aufbau. Durch die Tradition liegt der Schwerpunkt im technischen Facility Management. Wir bieten aber auch Gesamtmandate inklusive dem infrastrukturellen und kaufmännischen FM an. Wir kaufen dann Leistungen zu, koordinieren und kontrollieren, oder übernehmen Mitarbeitende.
Welche Erwartungen haben Nachfrager heute an Anbieter wie Sie?
In erster Linie wollen Kunden eine tadellose Leistung zu einem vernünftigen Preis, eine hohe Verfügbarkeit und keine Ausfälle. Das ist so klar. Was sie ausserdem erwarten: dass man von ihrem Geschäft etwas versteht. Wenn wir Prozesse kennen und verstehen, können wir das FM effektiver und effizienter gestalten. Unsere Mitarbeitenden haben sehr viel technisches Know-how und tiefe Beziehungen zu den Themen der Kunden. Nehmen wir die besonderen Raumanforderungen in der Pharmabranche: Unsere Mitarbeitenden verstehen, wie wichtig das ist und was passiert, wenn beispielsweise die Lüftung aussteigt. Auch erwarten die Kunden eine gewisse Berechenbarkeit, zum Beispiel, dass keine unerwarteten Zusatzleistungen auf der Rechnung erscheinen. Bevor man einen Preis vereinbart und einen Vertrag unterschreibt, muss man genau definieren, welche Leistungen darin enthalten sind und welche nicht. Eine Selbstverständlichkeit sollte auch das proaktive Denken und Handeln sein. Das ist nicht immer ganz einfach und auch dafür muss man den Kunden, sein Geschäft und sein Gebäude gut kennen.
Finden Sie genügend Fachleute für diese Aufgaben?
Auf dem Schweizer Markt gibt es genug Fachleute. Man hat in den vergangenen Jahren viel gemacht, um Facility Manager auszubilden. Man muss jedoch genauso in Fachleute investieren, die nicht nur managen, sondern auch das Handwerk ausüben können, um den wachsenden technologischen Herausforderungen gerecht zu werden. Wir brauchen Mitarbeitende, die ihre Aufgaben an der Front beherrschen, und das sind sehr vielfältige Berufe, was das FM auch so interessant macht. Die Herausforderung liegt dann eher in der Preis-Leistungs-Thematik, hier im Besonderen bezogen auf das Salär. Man ist sich nicht bewusst, wie komplex das FM eigentlich ist. Manchmal hat man das Gefühl, FM könne und dürfe nichts kosten. Wir müssen also nicht nur gute Leute finden, sondern unsere Aufträge so organisieren und bepreisen, dass wir markt- und fachgerechte Saläre bezahlen können.
Wo steht die Schweizer FM-Branche im internationalen Vergleich?
Der Schweizer FM-Markt ist sehr professionell. Die Schweiz findet immer einen guten Weg zwischen Strukturen, Prozessen und Pragmatismus. Wenn ich das mit Deutschland, den USA oder dem UK vergleiche, stehen wir sehr gut da. Diesen Pragmatismus müssen wir uns erhalten. Auch haben in der Schweiz die Branchenverbände viel dazu beigetragen, mit Modellen und Zertifizierungen und vielem mehr. Insofern müssen wir uns international nicht verstecken. Hinzu kommt, dass wir sprachlich einen grossen Vorteil haben, um uns mit den verschiedenen Landessprachen international zu bewegen und auszutauschen. Das geschieht sehr rege.
Wie schätzen Sie die Wahrnehmung des FM von aussen ein?
Besonders durch jene Menschen, die mit dem FM nicht sehr vertraut sind, wird es leider immer noch häufig mit dem «Abwart» verglichen und zu selten als professionelle Dienstleistung wahrgenommen. Dass es ein sehr komplexer Bereich mit vielen Schnittstellen ist, dass FM in allen Phasen des Lebenszyklus einer Immobilie gefordert ist, das wird nicht genügend verstanden. Eine Problematik, an der wir selber Schuld tragen, sind die Begrifflichkeiten. Wo ist das FM nun angesiedelt – über oder unter dem Property Management oder dem Real Estate Management? Das müssen wir lösen. Eine der Visionen ist, bald in jeder Geschäftsleitung einen Corporate Facility Manager oder ähnlich zu haben. Es ist eine grosse Herausforderung dies umzusetzen. Man darf auch nicht vergessen: FM ist kein Selbstzweck. Wir sind Dienstleister, ob für externe oder interne Kunden. Unsere Aufgabe ist es, eine Leistung zur Verfügung zu stellen, damit die anderen arbeiten können.
Welche grossen Herausforderungen gilt es heute und künftig zu meistern?
Als Sauter FM in der Schweiz müssen wir nun die erste Hürde zum Wachstum nehmen, die Chance erhalten, Kunden von unserer Leistungsfähigkeit zu überzeugen. Für den FM-Markt liegt eine der grossen Herausforderungen bestimmt in der Salär- und Preispolitik. Viele Kunden lagern das FM aus, weil sie sparen wollen. Also denken sie, es müsse nun viel günstiger sein. Dass der FM-Dienstleister dann natürlich Probleme hat, gute Mitarbeitende zu finanzieren, ist klar. Hier müssen wir manchmal auch streng sein. Aufträge, die wir von Beginn an als unrentabel beurteilen, nehmen wir nicht an. Es muss realistisch sein, dass wir einen Auftrag erfolgreich abwickeln können, sowohl qualitativ als auch finanziell.
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung?
Sie hat heute schon einen grossen Einfluss und in der Zukunft noch mehr. Alle reden von Big Data und BIM, nur schon das Thema CAFM ist sehr breit. Abgesehen von den technologischen Möglichkeiten und den dafür nötigen Infrastrukturen ist aber vor allem wichtig, dass wir solche Projekte richtig aufbauen. Die Mitarbeitenden an der Front erfassen Daten. Wenn sie den Sinn und Zweck davon – also was mit den Daten passiert und weshalb man sie braucht – nicht verstehen, werden wir keine guten Daten erhalten. Unsere Herausforderung ist also nicht die Technologie als solche, sondern den Mitarbeitenden die Technologie so nahezubringen, dass sie vernünftig genutzt werden kann. Man muss sich auch überlegen, wo man sie überhaupt nutzen möchte. Und dann brauchen wir etwas Geduld, bis sie ausgereift ist. Die Robotik beispielsweise funktioniert noch nicht ganz so, wie wir sie gerne hätten. Das hat auch etwas Schönes: es braucht uns Menschen noch.
Worauf müssen Facility Manager heute besonders achten?
Dass man rund um die neuen Technologien am Ball bleibt und den Anschluss nicht verpasst, aber sich gut überlegt, an welcher Stelle man was einführt. Facility Manager müssen auf die Kundennähe achten und auf das Verständnis für die Herausforderungen der Kunden. Sie sollen das Bewusstsein für das FM weiterentwickeln. Wir und unsere Mitarbeitenden sind diejenigen, die den Berufsstand fördern und das Verständnis für FM in die Breite tragen können. Auch sollte man darauf achten, sich nicht in die Billig-Ecke drängen zu lassen. Denn all die Herausforderungen, über die wir nun sprachen, da schenkt uns niemand etwas. Wir müssen das finanzieren.
Ricarda Berg
Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre war Ricarda Berg bei IBM als Supply + Inventory Manager für die Beschaffung von PCs und später von Grosscomputern zuständig. Sie rutschte in die internen Services, organisierte die ganzen internen Dienstleistungen inklusive dem Facility Management in der Schweiz. Als IBM Mitte der Neunzigerjahre das FM europaweit an Zander outsourcte, wechselte sie dorthin und baute das Schweizer Geschäft auf – am ersten Arbeitstag auf einem Gartenstuhl und mit dem PC auf einer Kartonschachtel. Bald war sie für die Gruppe tätig, auch international und für Key Accounts. Später wechselte sie zu TREOS und lernte FM von einer ganz anderen Seite kennen: Bewirtschaftung, Property Management und klassische Hauswartung. Nach sieben Jahren nahm sie im September eine neue Aufgabe an, die zurück zu den Wurzeln führt: Bei Sauter FM baut sie nun, wie damals bei Zander, das Schweizer Geschäft auf.
Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „fmpro service“ (Februar 2018)
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