Building Information Modeling (BIM) ist in aller Munde. Viele sehen das grosse Potenzial, einige nutzen es bereits, andere sind noch kritisch und erachten es als zu teuer und zu umständlich. Kalt lässt BIM jedoch niemanden.

«So lange ich nicht dazu gezwungen werde, wende ich BIM nicht an», sagt ein Planer. So wie er, kommen noch längst nicht alle Beteiligten ins Schwärmen, wenn es um die Möglichkeiten des
Building Information Modeling (BIM) geht. Dass eine informationsgetriebene Planung viele Vorteile mit sich bringt, ist zwar unumstritten. Dennoch hat sich BIM in der Schweiz noch nicht grossflächig etabliert. Viele Entscheidungsträger zögern, vor allem aus Respekt vor Investitionen und eingeschränktem Spielraum am Markt. Und sie haben eine Menge offener Fragen dazu:

  • Welche Daten und Informationen werden in BIM aufgenommen und abgebildet und wann stehen diese zur Verfügung?
  • Welche Tools und Prozesse liegen BIM zugrunde und wie werden sie angewandt?
  • Wann und wo entstehen welche Kosten und ist die dreidimensionale Darstellung nur eine teure Spielerei?
  • Gibt es Abstufungen im Sinne einer zunehmenden Professionalisierung oder ist BIM eine absolute Lösung ohne Schattierung?
  • Welche Ausbildungsmöglichkeiten werden angeboten?

Wann ist BIM ein Thema?
Erreicht ein Neu- oder Umbauprojekt eine gewisse Grösse oder eine erhöhte Komplexität, rücken bereits in der Entwicklungsphase Themen wie Effizienz und Effektivität im Planungs- und Realisierungsprozess in den Fokus. Heute noch ist diese Realität häufig durch allerlei Dokumente geprägt und mit dem Projektabschluss werden Datenträger, Planschachteln und Ordner erstellt und tendenziell eher zu spät als zu früh in die Bewirtschaftung übergeben. Doch der Gebäudebetrieb startet schon während der Projektphase. «Bei dieser Übergabe geht enorm viel Wissen verloren», sagt Andres Stierli von IFMA Schweiz. «Wir sprechen hier vom Death Valley of Know-how. Diese Lücke wieder zu füllen kostet Blut, Schweiss, Tränen und vor allem ganz viel Geld.» Er weist darauf hin, dass nahezu alle Informationen von mehreren Projektbeteiligten benötigt werden, dass allerdings jede Partei sehr individuelle Schritte macht, diese autonom aufbereitet und sich dann wundert, dass zunehmend signifikante Abweichungen entstehen. Zentrale Daten schaffen dem Abhilfe und können erst noch in den Betrieb überführt werden. «Es schaudert mich, wenn es noch heute heisst, die Anlagendokumentation müsse dreifach ausgestellt in Papierform und auf CD übergeben werden», sagt Stierli. «Zu oft nimmt der Betreiber das hin, ganz nach dem Motto wir nehmen was wir bekommen. Das ist eigentlich schon eine Kapitulation.» Er plädiert dafür, die Weichen früher zu stellen: «Ich bin überzeugt, dass BIM eine Lösung sein kann. Wir müssen zusammen bauen und haben gemeinsame projektbezogene Informationsansprüche – vom Investor und dem Architekten über den Controller, den Ersteller und den Vermarkter bis hin zum Nutzer und zum Facility Manager ist eine bessere Koordination und eine gemeinsame Datenbasis erforderlich. Wir müssen Know-how sichern und weiterführen, wir dürfen es nicht wieder hergeben. Mit einer solchen Wertschöpfungspartnerschaft können alle Beteiligten die Marge erhöhen. BIM steht schliesslich für effiziente Prozesse und effektives Arbeiten.» Bereits würden erste Projekte in der Schweiz entsprechend ausgeschrieben, die Aufträge dann aber ins Ausland vergeben, weil Schweizer Unternehmen dafür noch nicht bereit sind. «Wer jetzt nicht agiert, wird schon in wenigen Jahren die Chance verpasst haben», warnt Stierli.

Drei Milliarden Franken in zehn Jahren
Ein wichtiges Thema ist BIM derzeit beim Schweizer Pharmakonzern Roche. Auf dem Areal in Basel will er in den nächsten zehn Jahren rund drei Milliarden Schweizer Franken in Neubau-Projekte investieren und so den Standort erneuern. «Die Immobilie, also die Arbeitsumgebung ist neben den Mitarbeitenden ein entscheidender Faktor, um Medikamente für die Zukunft entwickeln zu können», sagt Jan Leibundgut, Leiter Real Estate Management Roche Basel und Kaiseraugst. Aufgrund eines Masterplans und der fehlenden Möglichkeit nach einem Wachstum in die Breite müssen die neuen Gebäude auf dem bestehenden Platz höher und vor allem effizienter gebaut werden. Ausserdem muss jeder Bereich auch während den Bauphasen durchgehend betriebsfähig sein. Daniel Riekert, Project Initiation Director: «Genau deshalb befassen wir uns mit BIM. Wir standen vor der Herausforderung, wie wir dieses Vorhaben nun angehen sollen. Noch nie hatten wir eine solche Anzahl Projekte einer solchen Dimension gleichzeitig zu bewältigen. Zudem ist die Verfügbarkeit hochqualifizierter Projektierer limitiert und der Markt wäre bald leer gesaugt. Also müssen wir neue Wege gehen.» Riekert betont, dass die Methode BIM nicht aufs Mal einführt wird, sondern Schritt für Schritt: «Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut», sagt er. «Doch die Wertschöpfung durch BIM endet auch nicht mit dem Bauprojekt, wir versprechen uns das noch grössere Potenzial sogar erst danach.» Derzeit gilt es, die grossen Herausforderungen und Ansätze zu verfei- nern. Die Zusammenarbeit mit Softwarefirmen ist dabei ein zentraler Punkt. «Die Lösungen, die wir brauchen, gibt es zum Teil noch gar nicht», sagt Riekert. «Das ist ein grosser Schritt für alle Beteiligten. Es gibt viele knifflige Fragen, die man nur im Team und im Kontext beantworten kann. Theoretisch können wir uns das alles vorstellen, auch dass es funktioniert, nun müssen wir es aber noch umsetzen.»

Erfahrungen und Herausforderungen
Verschiedene Länder sind uns in Sachen BIM bereits weit voraus. Zum Beispiel die USA, aber auch Grossbritannien: «Wir hatten eine Rezession», sagt Reid Cunningham, Strategic Development Director bei BAM FM Ltd. UK. «Die britische Regierung will 30 Prozent sparen. Das kann sie, indem sie rund um ihre vielen Gebäude auf BIM setzt. So wurde das Thema bei uns stark vorangetrieben.» Cunningham hat inzwischen eine Menge Erfahrungen mit und rund um BIM gesammelt. «Zu Beginn waren solche Projekte noch eher teuer, inzwischen ist der Return on Investment bereits nach ungefähr zwei Jahren erreicht. Die anfänglich hohen Investitionen sind rasch kompensiert, das geht sehr schnell», sagt er und betont nicht nur die Vorteile in der Planungs- und Bauphase, sondern vor allem auch jene für die Bewirtschafter und Endnutzer.
Peter Scherer, Partner, Bereichsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung der Amstein + Walthert AG in Zürich, kennt ebenfalls verschiedene Länder, die schon einen Schritt weiter sind als die Schweiz. In Deutschland und Österreich sind bereits detaillierte Normen in Arbeit, in den skandinavischen Ländern und in den Niederlanden ist die Nutzung von BIM bei öffentlich finanzierten Bauvorhaben schon seit dem Jahr 2008 vorgeschrieben. Die einzelnen Länder gehen mit dem Thema unterschiedlich um, je nach (Bau-)Kultur. In der föderalistischen Landschaft Schweiz wird die Herausforderung anders zu lösen sein, als in einem zentralistisch geführten Land. «Die Schweizer Baubranche ist nicht besonders Digital-affin», sagt Scherer. «Deshalb ist der Bausektor die eigentlich grösste Herausforderung.» Die überwältigenden Zahlen zum Nutzen von BIM rät er mit Vorsicht zu geniessen. Dennoch empfiehlt er, die Besteller und Betreiber damit zu konfrontieren. «Jeder Stakeholder hat derzeit ein eigenes Businessmodell», sagt er. Auf der technischen Ebene ist bereits heute vieles möglich. «Doch wir müssen Klarheit schaffen. Mit informierten, digitalen Modellen kommen wir der Wahrheit so nahe wie möglich. Dies führt allerdings dazu, dass man sich von der heutigen Darstellung verabschieden und den Informationsaustausch neu definieren muss.» Doch genau diese Transparenz erachtet er auch als eines der grössten Hindernisse für die Einführung von BIM. «Wir müssen nicht von Anfang an auf den Mond fliegen», sagt er. «Wir müssen damit beginnen, lernen und zusammenarbeiten. Derzeit befinden wir uns in einer Zwischenphase. Von den sogenannten Early Adopters muss das Thema nun auf die breite Masse überspringen.» Denn schliesslich sei die reinste Form des Wahnsinns, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändere, zitiert er Albert Einstein.

Diskussionsstoff
BIM bietet Diskussionsstoff und wird es auch noch eine Weile lang tun. Die Datenflut ist ein Thema, viele Beteiligte haben Angst vor den grossen Datenmengen. Der Roche-Konzern wiederum sieht BIM für seine Projekte als ökonomische und kreative Notwendigkeit. Der eingangs erwähnte Planer sagt, er brauche BIM nicht, er müsste in der Ausschreibung dazu gezwungen werden, um diese Methodik anzuwenden. Leider gehen derzeit Aufträge genau solcher Ausschreibungen, die BIM vorschreiben – beispielsweise jener des Basler Felix-Platter-Spitals – ins Ausland. Also sollte das Augenmerk auch von Planern vielleicht eher auf die Wettbewerbsfähigkeit gelegt werden, die die Methodik BIM erhöht – ähnlich wie es mit der Einführung von CAD einmal war, auf die heute niemand mehr verzichten würde.

 

Zum Original-Artikel:

 

 

 

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift “fmpro service” (Mai 2015).

 

Bild: Roche