Oswald Grübel ist eine Koryphäe in der Banken- und Finanzbranche. Ich wollte von ihm wissen, wohin sich diese Geschäfte entwickeln.

 

Wie hat sich das Bank- und Finanzgeschäft in den letzten Jahren entwickelt?

Es ist sehr abhängig von der Technologie, die man leider in den letzten Jahren auch benutzte, um zu betrügen. Menschen werden immer versuchen zu manipulieren, solange es möglich ist.

Wie weit bestimmt die Technologie heute das Geschäft?

Alle arbeiten daran, mittels digitaler Technologien näher an den Kunden zu kommen. Das birgt natürlich auch Gefahren. Die Sicherheit muss garantiert werden und wir alle wissen: Das hat nicht immer geklappt.

Ist ein persönlicher Kontakt überhaupt noch nötig?

Nicht im Finanzgeschäft. Was wir durch persönliche Kontakte erfahren können, lässt sich auch mittels Technologie darstellen. Zudem verlangt die heutige Gesetzgebung, dass der Kunde vollumfänglich informiert werden muss, und da bietet sich die digitale Übermittlung an. Sie wird mehr und mehr benutzt werden, weil gar nichts anderes übrig bleibt.

Solange an der Nullzinspolitik festgehalten wird, sind die Aktienmärkte weiterhin attraktiv.

Was halten Sie von Negativzinsen?

Sie verändern den ganzen Wirtschaftsablauf und schaden der Wirtschaft. Währungen abzuwerten, ist falsch und gefährlich. Man kann verstehen, dass man vorübergehend Negativzinsen einführen musste, um die Spekulation zu dämmen. Aber man sollte das nur über eine relativ kurze Zeit tun.

Die kurze Zeit ist abgelaufen?

Ja, die ist abgelaufen. Deshalb bin ich ja so besorgt. Die Meinung der Allgemeinheit ist aber auf der anderen Seite, man glaubt, ein schwacher Schweizer Franken sei das Allheilmittel. Obwohl uns die Vergangenheit genau das Gegenteil bewiesen hat.

Wie und wo sollte man heute investieren?

Solange an der Nullzinspolitik festgehalten wird, sind die Aktienmärkte weiterhin attraktiv. Aber es gilt, nur in Bereiche zu investieren, die man versteht und wo man weiss, um was es geht.

Erkennen Sie Blasen am Horizont?

Wir müssen uns damit abfinden, dass die Märkte in Zukunft viel schneller reagieren, auf gute wie auf schlechte Nachrichten. Wir werden schneller Blasen haben, die aber auch schneller platzen. Ein gutes Beispiel sind die Technologie- und Biotechnologieaktien, die sehr volatil geworden sind.

Es gibt Online-Angebote, die mittels weniger Fragen eine persönliche Empfehlung zusammenstellen. Was halten Sie davon?

Darin liegt ein grosses Potenzial. Es gibt viele Menschen, die sich einen gewissen Betrag zusammengespart haben, für die eine persönliche Beratung aber viel zu teuer ist. Für sie ist es heute mittels Online-Empfehlungen leichter, einen Investmententscheid zu treffen. Sie sollten nur vorsichtig sein und ihre Risikofähigkeit nicht überschätzen.

Ein Risiko nimmt man aber ohnehin, ob man nun investiert oder nicht?

Sobald man ein Vermögen hat, hat man ein Risiko. Man muss sich immer darum kümmern. Sonst wird man verlieren, was man hat.

 

Veröffentlicht in der Mediaplanet-Ausgabe “Private Banking & Vermögensverwaltung” (Dezember 2015).

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