ISS Schweiz ist in der Schweiz Marktführer im Bereich Facility Services und wurde innerhalb der weltweit tätigen Gruppe mit über 500’000 Mitarbeitenden mehrmals zur besten Ländergesellschaft gekürt. Wir wollten von CEO André Nauer wissen, was sein Erfolgsrezept ist.

André Nauer übernahm die Geschäftsleitung von ISS Schweiz im Jahr 2003. In einer schwierigen Situation, wie er sagt. Heute ist das Unternehmen einige grosse Schritte weiter – aber noch lange nicht am Ziel.

Seit Sie CEO sind, wurde ISS Schweiz vier Mal zur besten der 50 Ländergesellschaften gewählt. Keine andere Gesellschaft schaffte das bisher. Was machen Sie besser?
Das könnte der CEO der Gruppe wohl besser beantworten. In seiner Laudatio betonte er jeweils unsere ausgesprochene Kunden- und Qualitätsorientierung, die sich auch in der Zufriedenheit der Kunden und Mitarbeitenden widerspiegelt. Ich glaube, ein wichtiger Faktor ist, dass wir explizit das Unternehmertum wahrnehmen, einen unserer Kernwerte. Bei uns muss jeder ein Unternehmer sein, der Entscheidungen trifft und auch Fehler machen kann. Wir reissen niemandem den Kopf ab. Es braucht diese Selbstverantwortung zu Gunsten der Kunden. Auch die Wertschätzung und Anerkennung sind ausschlaggebende Faktoren. Unsere Mitarbeitenden werden gelobt und verdankt, wenn sie Gutes machen. Neue Mitarbeitende erwähnen oft, dass die Wertschätzung hier viel ausgeprägter ist, als sie es sich bislang gewohnt waren. Das sind echte Werte, die wir leben und mit denen wir aktiv arbeiten. Diese Dinge machen wir vielleicht besser als andere Ländergesellschaften.

Auch deshalb erhielten Sie den Swiss Arbeitgeber Award 2016?
Zu meiner Überraschung. Ich sehe nämlich schon noch Handlungsbedarf und habe nicht das Gefühl, dass wir die Besten sind. Zumindest sehe ich sehr viel Spielraum, noch besser zu werden. Toll ist, dass wir ein Team haben, das ständig hungrig bleibt. Man darf einen Tag lang zufrieden sein, aber dann sollte man sich neue Ziele setzen und analysieren, wo man sich weiter verbessern muss, um weiterzukommen.

Wo müssen Sie sich denn noch weiter verbessern?
Beispielsweise in der Kaderentwicklung; wir wollen mehr interne Mitarbeitende in Führungs- und Spezialisierungspositionen. Oder im Einsatz von neuen Systemen und IT-Tools. Auch im Rahmen der Digitalisierung, die noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es neben den Gefahren wohl noch viel mehr Chancen, und diese wollen wir erkennen und nutzen – ich denke da an die Robotik, an Sensoren, an verschiedenste Systeme und Apps. Aber das wichtigste ist bestimmt, interne Talente zu identifizieren und weiterzuentwickeln, um das zukünftige Wachstum auf einer stabilen Management-Entwicklung aufbauen und absichern zu können. Ich würde mir ausserdem noch mehr Frauen in Führungspositionen wünschen. Viele übernehmen Spezialisierungsfunktionen, aber nur wenige wollen an die Front und in operativen Portfolios Führungsverantwortung übernehmen. Dabei machen die Frauen, die wir in diesen Positionen haben, einen super Job und sind bei Kunden und Mitarbeitenden sehr angesehen. Aber sie sind massiv untervertreten. Die Gründe dafür sind vielfältig: sie melden sich zu wenig, trauen es sich nicht zu oder bewerben sich nicht. Das ist schade. Aus diesem Grund haben wir unsere Anstrengungen erhöht, um Frauen aus den eigenen Reihen in dieser Hinsicht zu fördern.

Finden Sie genügend Fachleute?
Nein, die richtigen Fachleute zu finden ist nicht ganz einfach. Damit haben aber viele spezialisierte Bereiche zu kämpfen. Wir legen den Fokus darauf, unsere Mitarbeitenden intern zu fördern und auch auszubilden. Wir verfügen über gute Programme, dass sich diese Menschen denn auch langfristig für uns engagieren. Zudem messen wir die Fluktuation und möchten diese kontinuierlich senken. Bisher gelingt uns das sehr gut. Die Geschäftsleitung ist im Schnitt neun Jahre bei uns, aber auch in den Regionen haben wir sehr treue Mitarbeitende – wir feierten dieses Jahr mit 73 aktiven Mitarbeitenden ihr 25-, 30-, 35-, 40- oder gar 45-jähriges Jubiläum. Manchmal treten die Mitarbeitenden aus, arbeiten woanders und kommen wieder zurück. Die Herausforderungen, das Arbeitsklima, es gibt verschiedene Punkte, die sie wieder zu uns ziehen.

Sie sind in der Schweiz klarer Marktführer. Haben Sie überhaupt noch Wachstumspotenzial?
Ja, dieses Potenzial gibt es. Wir wollen aber bewusst nicht in jedem Markt- oder Industriesegment wachsen, auch nicht mit jedem Service. In den Bereichen Life Science und Pharma zum Beispiel wird die Schweiz ein wichtiger Arbeitsplatz bleiben, vor allem in der Forschung und Entwicklung und im Management. Hier besitzen wir spezifische Kompetenzen, auch für Neukunden. Dann sehe ich viel Potenzial bei der öffentlichen Hand. Kostenoptimierungen und Einsparungen drängen sich auf, aber wenige handeln. Wesentlich ist in diesem Kontext die Gewährleistungen der Sicherheit, damit die öffentliche Hand diese Auslagerungsprozesse vornimmt. Und drittens gibt es den Gesundheitsmarkt, der substanziell zunehmen wird, mit neuen Produkten, einer neuen Positionierung und neuen Chancen. Allerdings braucht es dazu eine erste Initiative, beispielsweise von einem Spital-Direktor, der sich für ein integrales Outsourcing entscheidet und das Synergiepotenzial insgesamt nutzen möchte. Natürlich gibt es auch noch Firmen aus anderen Branchen, welche die Erbringung von Facility Services noch intern lösen. Wir glauben allerdings, viele dieser Prospects in den nächsten fünf bis zehn Jahren von einem integralen Outsourcingmodell zu überzeugen, damit sie ihre weiteren Entwicklungsschritte sicherstellen können.

Welche Argumente bringen Sie für ein Outsourcing ins Feld?
Insbesondere bei Kunden mit reduziertem Flächenbedarf, zum Beispiel in der Finanzbranche, und ganzen Populationen im Bereich Logistik bieten wir durch Outsourcing eine interessante Perspektive, damit sie sich in ihrem Kerngeschäft entwickeln können. Dies bietet auch Chancen, um Arbeitsplätze zu sichern. Das zweite Argument: Unser Kerngeschäft sind die Facility Services und das Facility Management. So verfügen wir über die Möglichkeiten, Gesamtprozesse effizienter zu gestalten und wirtschaftlich deutlich günstiger. Das dritte Argument: Mit unseren Systemen können wir oft eine bessere Transparenz herstellen, verschiedene KPI’s bieten und den Kunden aufzeigen, wie sich ihre Industrie im Bereich Facility Management entwickelt und wie sie ihre eigenen Prozesse daran ausrichten können, um sich kontinuierlich zu verbessern. Dank unserer guten Datenqualität und einer besseren Transparenz, welche Kostenblöcke tatsächlich anfallen, haben die Kunden eine Grundlage, um Optimierungen rund um die Qualität, Nutzerzufriedenheit und Kosten zu erreichen.

«Bei der öffentlichen Hand drängen sich Kostenoptimierungen und Einsparungen auf, aber wenige handeln.»

Sie kommen aus dem Service-Bereich, bieten aber auch Management- und Beratungsleistungen. Was bringt diese Verbindung?
Den Kern bilden weiterhin die Facility Services, aber die Beratungsdienstleistungen kommen ergänzend dazu und werden kontinuierlich erhöht. So sind wir seit Jahren aktiv im Auf- und Ausbau vom Energiemanagement und verfügen über fundierte Erfahrung im Gebäudemanagement, beispielsweise im Bereich Workplace Solutions, wo wir uns künftig weiterentwickeln wollen. Mit anderen Worten wissen wir, wie man Flächen effektiv betreibt und wir haben qualitativ hochwertige FM-Daten, um Benchmarks ziehen zu können und Kunden entsprechend zu beraten. Diese integrale Betrachtung ist eine gute Entscheidungsgrundlage, und die Kunden schätzen den Single Point of Contact.

Der Trend nach integralen Lösungen nimmt also weiter zu?
Definitiv. In den letzten fünf Jahren sah ich keine Ausschreibung für Single Services. Im restlichen Europa sind das Catering und die Sicherheit meistens auch dabei, das ist in der Schweiz noch etwas anders. Aber der Trend geht klar in Richtung integrale Konzepte.

Wie hat sich die Wahrnehmung der Branche in den 13 Jahren, in denen Sie CEO von ISS Schweiz sind, verändert?
Es hat eine Professionalisierung in der Branche stattgefunden und viele Industrien haben die Idee des Outsourcings verstanden und einen Zugang dazu gefunden. Früher bestand eine gewisse Angst, einer Partei mehr als einen Service zu übertragen. Doch das Vertrauen ist gewachsen, auch aufgrund guter Erfahrungen, und die Anbieter werden verstärkt als Partner denn als reine Dienstleister verstanden: Wir bieten Kontrollmöglichkeiten, Transparenz und Datenqualität, so dass die Partnerschaft gelebt werden kann, und sind uns der übertragenen Verantwortung bewusst, Stichwort Betriebssicherheit und Kontinuität der Anlagen. Aber auch das Einbringen von Vorschlägen für Betriebsoptimierungen ist Teil einer solchen Geschäftsbeziehung. Auf diese Weise können wir Vorteile generieren, die über mehrere Jahre wirken. Das ist ein wichtiger Aspekt und wurde in der Vergangenheit in unserer Branche oft vernachlässigt. Die Kunden fragten nach Proaktivität, nach einer beratenden Haltung, nach professionellen Inputs. Dazu muss man den Kunden verstehen, seine Strategie und seine Kultur kennen.

Wie sehen Sie die Schweizer Branche im internationalen Vergleich?
Die Servicelevels werden in der Schweiz einer höheren Qualität gerecht als im restlichen Europa. Ich glaube, das wird auch so bleiben. Die Maturität von Outsourcing-Lösungen lässt sich ebenfalls sehen: Die Schweizer Branche arbeitet höchst professionell, im Prozess- und Dokumentationswesen sind wir deutlich weiter. Aufholbedarf besteht noch bezüglich des Outsourcing-Grads. Da ist das Ausland, bis auf den Bereich Catering, schon deutlich weiter, aber der Leidensdruck ist auch viel höher. In der Schweiz gibt es diesen Druck und den politischen Willen noch zu wenig, aber eine entsprechende Entwicklung ist absehbar.

In Kürze: wo liegt der Schlüssel zu einem erfolgreichen Outsourcing?
Eine solide Vertrauensbasis und ein offener Austausch sind entscheidend. Kunden formulieren transparent, was gewährleistet werden muss, damit wir auf dieser Grundlage gemeinsam Ziele vereinbaren und erreichen können – eine Partnerschaft eben. Wenn man das schafft, können die grössten Erfolge realisiert werden. In einer klassischen Auftraggeber-Dienstleister-Beziehung geht das nicht. Doch im Rahmen einer Partnerschaft müssen die Dienstleister gewillt sein, Daten auszutauschen und sich manchmal vielleicht ins eigene Fleisch zu schneiden, um für den Kunden Optimierungen zu erzielen. Das mag kurzfristig Nachteile haben, führt aber langfristig zu einer starken Geschäftsbeziehung.

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift “fmpro service” (Dezember 2016).

Bild: ISS Schweiz AG