Eine Schindelfassade hat ein besonderes Flair. Meistens wird sie aus Lärchen- oder Fichtenholz gefertigt. Andere Hölzer finden den Weg an eine solche Fassade seltener. In Wil SG steht neuerdings jedoch eine Schindelfassade aus Zedernholz.
Das Objekt steht in der Dorfzone von Wil im Kanton St. Gallen. Eine alte Liegenschaft wurde abgerissen und machte Platz für einen Neubau. Dieser Neubau hatte allerdings gewisse Auflagen zu erfüllen. Eine davon: es musste eine Holzschindelfassade sein. Dabei handelte es sich um rund 165 Quadratmeter Fassadenfläche. Der private Bauherr erhielt von der B. Stillhart Dach + Fassaden AG diverse Holzmuster vorgeschlagen und entschied sich letztlich für Schindeln aus Zedernholz. «Dieses Material wird sehr selten gewählt», sagt Stefan Accordino, Geschäftsführer des Unternehmens. «Traditionellerweise fällt die Wahl auf Lärchenholz oder allenfalls Fichtenholz. Doch Zeder gibt ein ruhigeres, gleichmässiges Bild und hält sehr lange. Eine Lebensdauer von 60 bis 70 Jahren erreicht eine solche Fassade problemlos.»
Das für solche Anwendungen verwendete Zedernholz stammt von Zypressengewächsen, die im amerikanischen Sprachraum Red Cedar genannt werden. Das an diesem Objekt verbaute Zedernholz kam aus Kanada und wurde als Rohlinge in Containern angeliefert. In der Schweiz wurden die Balken dann mit speziellen Fräsen und Bandsägen zu Schindeln verarbeitet: Fünf bis sechs Millimeter dick, rund 20 Zentimeter lang und 9,5 Zentimeter breit. «Diese maschinell gefertigten Schindeln sind sehr massgenau und rechtwinklig», erklärt Stefan Accordino. «Das ist ein grosser Vorteil und gibt während der Arbeit weniger Aufwand als mit herkömmlichen, ungleichmässigen Schindeln.»
100 Schindeln pro Stunde
Der Materialbedarf für die rund 165 Quadratmeter Fassade: Knapp 30’000 Schindeln. Jede Schindel wurde mit zwei Chromstahlklammern befestigt – also waren es insgesamt rund 60’000 Klammern. «Es ist wichtig, dass man Chromstahlklammern verwendet», sagt Accordino. «Normale, verzinkte Klammern rosten wegen der Gerbsäure zu schnell und dann lösen sich einzelne Schindeln.» In über 300 Stunden Arbeit brachte ein einzelner Mitarbeiter des Unternehmens die rund 30’000 Schindeln an. «Man muss die richtigen Leute haben», sagt Accordino. «Unser Mitarbeiter kommt aus dem Appenzellerland und kennt diese Machart. Für ihn ist es eine echte Leidenschaft und er würde am liebsten nichts anderes tun. So gut wie er kann das bei uns auch niemand anders. Leider verstehen heute nicht mehr viele Leute dieses alte Handwerk. Ich selbst lernte das Schindeln noch in der Polierschule, aber die Jungen lernen es nicht mehr. Es gehört nicht mehr zum Unterrichtsstoff. Für solche traditionellen Aufgaben fehlen uns deshalb bald die Fachkräfte. Das ist schade.»
Die Nachfrage nach Holzschindelfassaden im Raum Wil SG beurteilt Stefan Accordino als nicht sehr gross. Häufiger nachgefragt werden solche Fassaden vor allem noch in der Westschweiz, im Appenzellerland oder im Toggenburg. «Wir hatten Glück und konnten in den letzten beiden Jahren je eine Holzschindelfassade im Raum der Stadt Wil und ihrer Umgebung realisieren. Aber wir würden gerne noch mehr machen», sagt er. Natürlich kostet eine Holzschindelfassade etwas mehr als eine herkömmliche Fassade aus Stein oder Eternit – allein schon wegen der vielen Arbeitsstunden. Allerdings hat sie auch viel mehr Charakter und Charme. Als Naturprodukt ist sie atmungsaktiv und langlebig und verlangt nach keinen besonderen Massnahmen rund um die Reinigung, ein Regenschauer reicht bereits aus.
Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Gebäudehülle Schweiz“.
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