Schilfdächer gibt es in der Schweiz nur noch selten, vor allem in den Kantonen Aargau, Bern, Solothurn und in der Romandie. Dabei waren einst die meisten unserer Dächer mit Schilf oder Stroh gedeckt. Andreas Bergamini bewahrt dieses Handwerk als einer der letzten.

«Ein Schilfdach hat eigentlich nur Vorteile», sagt Andreas Bergamini, Inhaber der Ber4Roof GmbH und der Berplan GmbH in Lausen. «Es ist schön und als nachwachsendes Naturprodukt verursacht es fast keine graue Energie. Wir können altes und unbehandeltes Schilf einfach kompostieren. Man kann fast alles mit Schilf eindecken, vorausgesetzt das Dach hat die richtige Neigung, sprich 40 bis 45 Grad. Es braucht keine zusätzliche Dämmung. Und solch ein Dach hält bei entsprechendem Unterhalt 50 bis 60 Jahre.» Der einzige Nachteil: Schilf ist leichter brennbar als harte Materialien. Zwar gibt es ein Mittel, um Schilf zu imprägnieren und feuerfester zu machen. Doch dieses Mittel gehört in die Giftklasse 1 und wenn er nicht muss, verzichtet Bergamini lieber darauf.

Aufbau und Unterhalt

Schilf liefern mehrere Länder. Er bezieht seines aus Holland, wo es rund um das Ijsselmeer geerntet wird. «Das ist immer einjähriges Material und es sind Halme mit einer Länge von 1.60 bis 2.40 Metern, die möglichst zwischen sechs und acht Millimeter dick und gerade sein sollten», sagt er. Auch das grösste Schilfdach in der Schweiz im aargauischen Kölliken deckte Bergamini neu ein. Nach dem Rückbau des alten Daches verlegte er auf knapp 900 Quadratmetern Fläche rund 40 Tonnen Schilf, sechs Wochen lang, mit vier weiteren Mitarbeitenden. Er beginnt bei der Traufe und verlegt zuerst eine Gleitlage über die ganze Fläche. So verhindert er, dass Halme ins Dach ragen. Dann arbeitet er sich mit besonderem Werkzeug von unten nach oben, Lage um Lage. Die Dicke des Daches wird durch die Länge der Halme bestimmt – 30 bis 33 Zentimeter dick ist ideal, damit es optimal isoliert. Beim First legt er eine Folie unter das Schilf, damit kein Wasser eindringt. Natürlich gibt es unterschiedliche Techniken und je nach Dach und seinen Besonderheiten kann er im Vorgehen variieren. «Man muss wissen, wie viel man ausdecken muss und wo man welche Halme verwendet, damit das Dach überall gleich dick wird», sagt er. «Das braucht Erfahrung.»

Ein neues Schilfdach benötigt in den ersten drei bis fünf Jahren kaum Unterhalt. Ein Augenschein, ob beispielsweise Vögel Halme rauszupften, reicht bereits. Danach braucht es eine jährliche Kontrolle. «Besonders an den Schattenseiten setzt Moos an», sagt Bergamini. «Das wächst in das Schilf hinein und es beginnt zu faulen. Also muss man das Moos entfernen und Löcher stopfen.»

Ein seltenes Handwerk

Andreas Bergamini realisiert seit den frühen Achtzigerjahren Schilfdächer. Er lernte das Handwerk in Holland und brachte es dann in die Schweiz. Obwohl Stroh- und Schilfdächer auch hierzulande einst omnipräsent waren, gibt es heute nur noch zwischen 30 und 40 mit Schilf gedeckte Objekte, oft sind sie denkmalgeschützt. Diese Dächer zu sanieren oder neu zu decken ist meistens seine Aufgabe. Denn noch weniger als es Schilfdächer gibt, gibt es Menschen, die dieses Handwerk beherrschen. Bergamini möchte dieses Schweizer Kulturgut lebendig halten. «Ich bin nun 62 Jahre alt, aber ich werde das weiter machen, so lange ich gesund bin», sagt er.

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift “Gebäudehülle Schweiz”.