Die Bildungslandschaft in der Schweiz ist ein stabildes tief verankertes Gerüst und eine gute Basis für kommende Herausforderungen. Ein Interview mit Rudolf Minsch, Leiter allgemeine Wirtschaftspolitik & Bildung / Chefökonom von economiesuisse.
Wie wichtig ist Mitarbeiterförderung in Unternehmen?
Sie ist das eigentliche Kerngeschäft vieler Unternehmer. Das sogenannte Humankapital ist das wichtigste Kapital einer Unternehmung. Je weiter man auf der Wissenspyramide aufsteigt, desto wichtiger ist es, dass die Mitarbeitenden ihr Know-how verbessern und dieses wiederum in die Firma einbringen können.
Auch um eigene Mitarbeitende bis in Führungspositionen nachziehen zu können?
Erstens ist Mitarbeiterförderung wichtig, damit die Fluktuation möglichst tief bleibt. Besonders im Hinblick auf den demografischen Wandel wird sich die Mangelsituation an Arbeitskräften noch deutlich verschärfen. Entsprechend wird die Mitarbeiterförderung in den nächsten Jahrzehnten dramatisch an Bedeutung gewinnen. Ob das für einen Angestellten dann bis in die Geschäftsleitung reicht, ist eine andere Frage. Auf jeder Stufe braucht es ab und zu auch frisches Blut von aussen, neue Ideen, die Fähigkeit, gewisse Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen und Betriebsblindheit zu überwinden. Nur Interne zu bevorzugen ist nicht optimal – aber genauso falsch wäre es, nur auf Externe zu setzen.
Gibt es für die Mitarbeiterförderung auch Unterstützung von aussen?
In der Schweiz haben wir einen grossen Vorteil: Weiterbildungen werden zu grossen Teilen von den Unternehmen finanziert, zu den restlichen Teilen von den Arbeitnehmenden. Dieses Wechselspiel, das mit dem dualen Bildungssystem zusammenhängt, existiert schon lange. Eine zu starke staatliche Weiterbildungs-Finanzierung schafft die grosse Gefahr, dass sich Weiterbildungen von den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts entfernen. Für eidgenössische Fachprüfungen gibt es zwar zusätzliche Unterstützung. Das finde ich gut. Aber besonders in Sachen Weiterbildung soll es ein Geben und Nehmen zwischen Unternehmen und ihren Angestellten sein.
Wird in der Schweiz genug in Weiterbildungen investiert?
Generell, ja. Nachholbedarf gibt es bei älteren Mitarbeitenden. Auch für sie ist es immer noch sinnvoll, die Qualifikationen aufzubessern. Sie werden noch einige Jahre tätig sein, vermutlich immer länger, und in dieser Zeit tut sich noch viel, die Entwicklungen sind enorm schnell. Die Zeiten der Frühberentungen sind definitiv vorbei und die demografische Entwicklung wird das noch weiter verstärken.
Gibt es gewisse Branchen, die noch viel Potenzial haben?
Ein Thema ist die Hochschulstufe. Die Vorstellung des klassischen Bildungsweges ist von gestern. Die Ausbildungswege verteilen sich vermehrt über das ganze Arbeitsleben, das macht berufsbegleitende Studiengänge immer wichtiger. Die Angebote müssen noch flexibler werden, denn wer schon eine gute Stellung hat, kann, will und soll den Job nicht einfach hinschmeissen, sondern auch am Abend und nach der Arbeit in Kurse gehen können. Fachhochschulen haben diesbezüglich reagiert, bei den Universitäten steckt das noch in den Kinderschuhen.
Haben wir in den letzten Jahren die Sache gut gemacht oder haben wir etwas verpasst?
Ich glaube, der Mensch bewegt sich nur dann stark, wenn er wirklich gefordert ist. Der Arbeitskräftemangel ist erst seit wenigen Jahren ein dominantes Thema. Heute adressiert man ihn klarer, es ist aber verständlich, dass man das vor 20 Jahren noch nicht machte. Das Gerüst der schweizerischen Bildungslandschaft ist so stabil und sowohl in kleinen und mittleren als auch in grossen Betrieben tief verankert, dass es über alle Modetrends hinweg trug. Von dieser Tradition profitieren wir heute, und das ist eine gute Basis für die nächsten Herausforderungen.
Veröffentlicht in der Mediaplanet-Ausgabe „Moderne Wirtschaft“ (Februar 2015).
Bild: Economiesuisse
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