Thomas Sutter sieht für den Finanzstandort Schweiz und dessen Zukunft mehr Chancen als Risiken.

Thomas Sutter ist stellvertretender CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung und Leiter Kommunikation. Wir wollten von ihm wissen, was den Finanzplatz Schweiz stark macht – heute und in Zukunft.

Was sind die grossen Vorteile des Finanzplatzes Schweiz im Vergleich zum Ausland?

Einerseits sind es die Stabilität, die Seriosität, die lange Tradition und die hohe Kompetenz der Mitarbeitenden. Andererseits und gerade im Vergleich mit Europa sind die Schweizer Banken viel besser kapitalisiert. Wir haben die Finanzkrise trotz UBS-Krise deutlich besser durchgestanden. Es kommt natürlich nicht von ungefähr, dass ein stabiles Land auch einen stabilen Finanzplatz hat. Wir sind eher vorsichtig, denken langfristiger und arbeiten nachhaltiger. Ich bin froh, für eine Branche tätig zu sein, die heute keine staatliche Unterstützung braucht und gute Arbeitsplätze schafft.

Gibt es auch Nachteile?

Erstens: Wir sind in der Vermögensverwaltung sehr stark auslandorientiert, Europa ist der grösste Markt. Da haben wir im Moment das Problem, dass kein uneingeschränkter Marktzutritt möglich ist. Ein Dienstleistungsabkommen ist heute und morgen nicht realistisch. Deshalb muss man mit den einzelnen Ländern gute Bedingungen aushandeln. Mit Deutschland fand man bereits eine vernünftige Lösung, das brauchen wir nun auch mit anderen Staaten. Zweitens: die zu dichte Regulierung. Wir sind ja nicht gegen intelligente Regulierungen, wo sie wirklich nötig sind. Aber gerade heute, wo die Erträge stark unter Druck stehen, hat jede Regulierung einen bedeutenden Kosteneffekt. Das Bankengeschäft ist bereits jetzt eine der am strengsten regulierten Branchen. Das ist auch richtig, es geht schliesslich um Geld und um Ersparnisse. Aber man sollte differenzierte Regulierungen haben, die auf die Geschäftsmodelle und die internationale Wettbewerbssituation Rücksicht nehmen.

Wie verändert die Digitalisierung den Finanzplatz?

Sie ist eine Chance, effizientere Prozesse zu ermöglichen. Das liegt im Interesse einer Bank und ihrer Kunden. Mit ihr findet die dringend nötige Industrialisierung in unserem Sektor statt. Vor zehn Jahren hatte eine Bank alles selber gemacht. Das ändert sich und wird noch deutlich stärker aufgebrochen. Es gibt Anbieter, die als Konkurrenz gewisse Dienstleistungen übernehmen. Gerade im Zahlungsverkehr findet das schon statt und das ist auch rund um andere Geschäfte denkbar. Ich gehe davon aus, dass Banken verstärkt mit Fintech-Unternehmen zusammenarbeiten werden und ihre Wertschöpfungskette aufbrechen. Man muss darauf achten, wie sich Geschäftsmodelle und Kundenbedürfnisse verändern. Ich glaube aber, dieses Bewusstsein ist in meiner Branche da.

Was versprechen Sie sich von Fintech?

Wir begrüssen es sehr, dass sich hier eine Szene entwickelt mit kleinen und grossen Anbietern. Dazu muss man Sorge tragen. Man muss sich zur Fintech bekennen, Jungunternehmen mit Aufträgen unterstützen, keine langen Bewilligungsfristen haben und die Regulierung technologieneutral gestalten. Und vielleicht braucht es auch einmal ein öffentliches Bekenntnis eines Bundesrats zum Fintech-Standort Schweiz. Nur so nimmt das Ausland wahr, dass die Schweiz in diesem Bereich ein gutes Umfeld bietet, das von der Regierung unterstützt wird.

Ich höre heraus: Sie sehen in Sachen Digitalisierung für die Zukunft mehr Chancen als Risiken für den Finanzplatz Schweiz?

Das muss man und darf man. Wir haben eine lange Tradition und vieles aufgebaut. Da braucht man keine Angst haben, wenn sich technologisch Neues entwickelt. Man muss wissen, wohin mal will, keine Zeit verlieren und losmarschieren. Die Karten werden nämlich heute verteilt. Wer nicht mitspielt, hat schon verloren.

Hat auf unserem Finanzplatz auch ein Typ wie Gordon Gekko aus dem Film Wall Street Platz?

Der Typ, mit all seinen Schattierungen, sicher nicht. Aber es ist richtig für ein Unternehmen und ein Individuum, Gewinne zu erzielen und damit seine finanzielle Situation zu verbessern und zu optimieren. Das treibt die Wirtschaft an und führt zu mehr Wohlstand für alle. Denn Gewinn heisst auch, dass es dem ganzen Wirtschaftssystem gut geht, und zwar nachhaltig. Das hat Gekko in den 80ern nicht begriffen. In der Schweiz gibt es diese nachhaltige Komponente aber, und zwar auch in der jüngeren Generation von Bankiers.

Veröffentlicht in der Mediaplanet-Ausgabe “Standort Schweiz” (April 2016).