Ende 2016 wird mit Prof. Thomas Wehrmüller ein Vordenker und Pionier der Aus- und Weiterbildungen in Facility Management pensioniert. Zeit, auf eine bewegte und vor allem viel bewegende Laufbahn zurückzublicken.

Prof. Thomas Wehrmüller ist eine Koryphäe in der Schweizer FM-Landschaft. Er gilt in der Schweiz als Mitbegründer und als Pionier in Sachen Aus- und Weiterbildung in diesen Berufsfeldern. Ende 2016 wird der Leiter des Instituts für Facility Management der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in den Ruhestand treten. Ob das Wort Ruhestand dafür passend ist, das ist allerdings noch offen.

Erinnern Sie sich noch, was Sie machten, als Sie 35 Jahre alt waren?
Das ist eine etwas delikate Frage.

Das klingt spannend.
Ich unterrichtete damals an der Höheren Hauswirtschaftlichen Fachschule in Zürich und sammelte erste Lehr-Erfahrungen. Ich lernte dort meine heutige Frau kennen. Sie war eine Studentin. Wir hatten eine sogenannte Konzentrationswoche, eine Art Studienwoche, das Thema war Augen und Gesichter. Dort funkte es.

Wie blickten Sie damals auf die Welt?
Das war ein Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer. Der Blick von damals auf die Welt, verglichen mit heute, war natürlich ein anderer. Der Gedanke ans Aufhören, an den Ruhestand, der war weit weg. In meinem ersten Job davor sagte ich, ich würde vier oder fünf Jahre bleiben und dann weiterziehen. 1988 war ich dann voll auf das Unterrichten fokussiert, die Frage des Weiterziehens stellte sich nicht. Es war dann eher die private Perspektivenänderung, die mich beschäftigte.

Wie schnell verging die Zeit seither?
Sehr schnell. Es war immer sehr kurzweilig. Ich war immer beschäftigt, mir wurden spannende Aufgaben zugetragen und ich konnte eine Menge realisieren. Viele Aufgaben waren echte Herausforderungen, in die ich mich voll einbringen musste, was es aber umso spannender machte.

Was würden Sie als die grössten Meilensteine auf diesem Weg bezeichnen?
Das eine ergab immer das andere. 1978 begann ich mit meiner Lizenziats-Arbeit in Psychologie, mit dem Schwerpunkt Angewandte Psychologie. Mein Professor fragte mich, ob ich dazu eine Berufsanalyse der Hausbeamtin machen würde. Es handelte sich um eine Auftragsarbeit von aussen und ich machte diese Berufsanalyse, fokussierte den Aspekt Ausbildung der hauswirtschaftlichen Betriebsleiterinnen, was von Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Vertreter gewünscht wurde. Ich stellte die Schlussfolgerung auf, dass der betriebswirtschaftliche Teil und die Aspekte der Personalführung massiv ausgebaut werden müssten und der hauswirtschaftliche Teil zu reduzieren sei, da es sich primär um eine Führungsaufgabe handle.

Eine schicksalhafte Schlussfolgerung, wie sich später herausstellen sollte.
Ich arbeitete danach ein paar Jahre lang bei Sulzer. Währenddessen wurde basierend auf meiner Analyse eine Stelle für einen Dozenten Personalführung geschaffen und es wurde jemand eingestellt, der dann aber unvermittelt im Amt starb. Ich wurde für die Nachfolge angefragt und sprang also in jene Funktion ein, die ich einmal kreierte.

Das war dann der definitive Wechsel zur Bildungslandschaft?
So war es. 1992 machte der Bund dann eine Studie, ob die Höheren Fachschulen (HF) zu Fachhochschulen (FH) gemacht werden sollten. Im Bericht des Bundes hiess es, dass alle überführt werden sollen, ausser die Höhere Hauswirtschaftliche Fachschule (HHF). Diese Frauen hätten zwar eine hohe Verantwortung, müssten in der Praxis aber nicht auf wissenschaftliche Methoden zurückgreifen, hiess es. Der damalige Direktor und ich sagten uns, nein, das geht nicht. Es folgten vier oder fünf Jahre harter Kampf für die Überführung der HHF in eine Fachhochschule. Das war herausfordernd, schliesslich aber ein grosser Schritt.

Es folgte aber weiterhin viel Aufbauarbeit?
Ja, vor allem mussten wir die Akzeptanz als FH-Studiengang aufbauen. Wir mussten entscheiden, mit wem wir zusammengehen sollten. Mit der Wirtschaft in Winterthur? Oder mit der Ingenieurschule in Wädenswil? Wir standen immer noch im Prozess mit Bund und Kanton, die Bundesvertreter wollten uns in Winterthur ansiedeln. Wir vermuteten aber, dass wir dann nur noch ein Vertiefungslehrgang würden, kein eigener Studiengang. Also gingen wir mit Wädenswil zusammen. Ich begleitete die Fusion. Das waren schwierige Verhandlungen. Doch schliesslich zogen wir hier hin, es entstand das Gebilde Hochschule Wädenswil. Ein Jahr später stellten wir ein Gesuch beim Bundesrat, den Fachbereich Ökotrophologie in Facility Management um zubenennen. Der Gesamt-Bundesrat entschied sich dafür. So begann die FM-Ausbildung, das Interesse stieg von 20 Studenten auf 40, 50, 60 Studierende. Und es kamen laufend mehr Männer, in eine Ausbildung, die früher eine typische Frauen-Domäne war.

Ab jetzt sprechen wir von FM. Wir kommen der Gegenwart also näher.
Das war 2001. Als nächster Meilenstein kam dann der Einsatz, dass für das FM neben dem Bachelorstudium auch ein Master of Science in FM möglich wird. Während rund fünf Jahren war das für mich das wichtigste, ganz zentrale Thema. Ein strategisch sehr bedeutsames Thema. Am Anfang hiess es wieder, nein, das brauche es nicht. Ich konnte mit dem Chef des Hochschulamtes zwei Stunden lang diskutieren. Am Ende hiess es, ihr könnt das tun, aber auf euer eigenes Risiko. Wir gingen es ein. Wenn man heute für das FM spricht und sagt, es sei eine Disziplin mit volkswirtschaftlicher Relevanz, in der Forschung und Entwicklung sich lohnen, dann haben wir unser damaliges Hauptanliegen erreicht. Das ermöglicht natürlich einen ganz anderen Umgang. Ich finde es super, dass die FM-Ausbildung sehr spannend ist, sowohl aus der sozialen als auch aus der wirtschaftlichen Perspektive. Es braucht so viele verschiedene Kompetenzen. Dass es uns gelungen ist, einen Master mitsamt Forschungsauftrag zu schaffen, das ist definitiv ein Meilenstein meiner Berufslaufbahn.

Heute ist die FM-Landschaft eine ganz andere.
Es kamen viele neue Inhalte hinzu, der Stellenwert ist sicher auch ein anderer. Auch wenn es immer noch dazugehört, dass man sich im FM darüber beklagt, aber im Vergleich zu vor zehn oder fünfzehn Jahren besteht heute viel weniger Erklärungsbedarf. Die Reputation hat sich ebenfalls verändert. Als wir eine Fachhochschule wurden, gab es Reviews, in denen wir zunächst schlecht abschnitten. Wir mussten uns rechtfertigen, dass das FM tatsächlich Fachhochschul-würdig ist. Heute sind wir eines der erfolgreichsten Institute der ZHAW. Wir haben den Master geschaffen, betreiben Forschung und Entwicklung, wir erarbeiteten alles selber, was andere Institute und Studiengänge nicht nötig hatten. Wir haben den Service-Gedanken im FM stark gewichtet, neben der Ausrichtung auf Gebäude und Technik. Im FM-Verständnis ist das heute selbstverständlich, und auch in der Wirtschaft wird das so gelebt. Wir haben viel verändert, sowohl gegen innen als auch aussen. Wenn man etwas bewirken konnte, das empfinde ich als sehr befriedigend.

Darauf dürfen Sie auch stolz sein.
Als ich etwa zehn Klassen unterrichtet hatte, also irgendwann Anfang der Neunzigerjahre, rechnete ich einmal aus, wie viele Menschen ich mit meinen Bemühungen im Personalführungsunterricht erreichen konnte. Wenn jede Studentin rund 40 Mitarbeitende führt, so rechnete ich, konnte ich
indirekt auf mehrere tausend Menschen Einfluss nehmen. Das zählt auch. Das ist das Schöne am FM: man kann sowohl strukturell etwas bewirken, wie auch auf der individuellen, persönlichen Ebene, und das ist ein gutes Gefühl.

Was sind die Herausforderungen für die nächsten FM-Generationen?
Dass man in Sachen Workplace Management und Healthcare, aber auch in Richtung Immobilienmanagement einiges entwickelt, das finde ich gut. Und es ist ja immer so, dass es eine Art Überbau gibt. Es stellt sich stets die Frage: macht es Sinn? Die Bereiche Ökologie und Energie sind solche Bereiche. Die Demografie ebenfalls. Hinzu kommen nun auch Themen wie die Robotik und wie wir damit umgehen. Es ist gut, wenn wir uns heute schon damit beschäftigen. Wenn die älteren Menschen nach Ungarn müssen, weil die Schweizer Pflegeheime zu viel kosten, muss man sich schon fragen ob es da nicht günstigere Infrastrukturlösungen gäbe.

Welche grossen Herausforderungen übergeben Sie nun Ihren Nachfolgern an der ZHAW?
Eine ist sicher die Zahl der Studierenden. Wir müssen attraktiv bleiben und darauf achten, dass das FM-Image auf breiter Basis gut ist. Wir wollen das FM vermehrt auf der strategischen Ebene positionieren. In jeder erfolgreichen Geschäftsleitung soll das FM mitvertreten sein. So erreicht auch der Masterabschluss eine höhere Attraktivität. Doch natürlich soll nicht alles auf der strategischen Ebene stattfinden, und ich bin glücklich, dass unsere Bachelor-Absolventen noch immer sehr gut Stellen finden und hohe Einstiegsgehälter erhalten. Aber auch für den Bachelor ist es wichtig, dass es eine Masterstufe gibt. Die Konkurrenzsituation besteht schlussendlich nicht zwischen der Bachelor- und Master-Stufe, sondern zwischen verschiedenen Mastern in unterschiedlichen Themen. Wir müssen im FM auf breiter Front gute Fachleute haben, die Verantwortung übernehmen können und viele Kompetenzen haben. Das ist auch eine interne Herausforderung. Wir haben hier am Institut sehr unterschiedliche Disziplinen, die wir zusammenbringen müssen. Das ist ein harter Job. Wenn jemand forschen will und darin Erfolg haben möchte, muss er ein Stück weit Egoist sein, Ehrgeiz haben und sich nicht zwingend an die 42-Stunden-Woche halten. Das braucht es. Aber man muss gleichzeitig auch interdisziplinär arbeiten können. Das ist eine ganz andere Kompetenz, und diese Mischungen zusammenzubringen, ist eine Herausforderung.

Noch fehlen der FM-Branche die Fachleute in und aus der Romandie.
Sie fragen, ob ich da noch etwas aufbauen würde?

Indirekt wollte ich darauf hinaus.
Das wäre wirklich interessant. Die Frage kam immer wieder auf. Es kam auch einmal eine Anfrage, ob wir unser Konzept an eine Partnerschule in Indien exportieren möchten. Doch wir hatten stets genügend eigene Aufgaben zu lösen. Es wäre völlig illusionär gewesen, das auch noch zu exportieren und uns zu verzetteln. Vielleicht wäre es auch besser, eine Westschweizer Hochschule würde das initiieren und dort einen Bachelor anbieten. Aber ja, es wäre schon spannend, ein Projekt Westschweiz noch in Angriff zu nehmen.

Werden Sie sich also weiter in das Thema FM einbringen oder ziehen Sie sich nun völlig zurück?
Ich habe privat ein zusätzliches Projekt mit einem Bau, eine Aufgabe, die ich auch nach der Pensionierung noch haben werde. Dass mich das FM-Thema nicht kalt lässt, ist auch gegeben, weil meine Frau immer noch in diesem Bereich aktiv ist. Aber ich habe keine konkreten Pläne, was ich künftig tun werde oder nicht. Das muss ich im Moment auch nicht wissen. Die Möglichkeit, anderen
Aktivitäten nachzugehen, aus purem Interesse oder in einer gesellschaftlichen Funktion, das ist doch ein Privileg. Ich möchte das alles offenhalten und auf mich zukommen lassen. Derzeit bin ich ohnehin noch sehr stark hier eingebunden und habe noch einiges zu tun, bevor es so weit ist.

Wenn Sie ein ganz kurzes Fazit Ihrer Berufslaufbahn ziehen müssten, wie würde es lauten?
Ich bin froh und dankbar für das, was ich machen durfte und konnte. Manchmal war es auch sehr herausfordernd. Ich konnte mich aber immer für etwas einsetzen, was für mich Sinn machte. Es war eine tolle Chance, meine Vorstellungen zusammen mit vielen anderen zu entwickeln und Erfolg zu haben. Das ist es in etwa.

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „fmpro service“ (Mai 2016).

Bild: Stefan Kühnis