Ende 2016 übernahm Prof. Dr.-Ing. Antje Junghans die Leitung des Instituts für Facility Management der ZHAW in Wädenswil. 154 Tage später trafen wir sie zum Gespräch.
Vor einem Jahr sprachen wir mit Thomas Wehrmüller, der rund ein halbes Jahr vor der Übergabe der Institutsleitung des Instituts für Facility Management (IFM) an der ZHAW ein Resümee zog. Nun, rund ein halbes Jahr nach dieser Übergabe, sprachen wir mit seiner Nachfolgerin, Prof. Dr.-Ing. Antje Junghans.
Sie sind in grosse Fussstapfen getreten. Welcher Weg führte sie in diese Fussstapfen?
Thomas Wehrmüller war in der Schweiz von Anfang an dabei. Er hat das Facility Management als akademischen Lehr- und Forschungsbereich in der Schweiz etabliert. Das ist eine grosse Leistung, ein Lebenswerk. Das Institut für Facility Management (IFM) hat mit seinen über fünfzig Mitarbeitenden den Anspruch, in Europa führend in Bildung, Forschung und Entwicklung für zukunftsweisendes, ganzheitliches Facility Management zu sein. Und genau hier kreuzen sich unsere Wege. Ich engagiere mich seit über 20 Jahren im Facility Management, zunächst in Deutschland und seit meiner Vorstandsarbeit im European Facility Management Network (EuroFM) international. In meinem Lebensweg habe ich Berufspraxis in der Privatwirtschaft, als Architektin, Projektmanagerin und Beraterin mit einer akademischen Karriere verbunden. Ich wurde 2006 als Professorin für Facility Management an die Fachhochschule Frankfurt am Main berufen. Dort habe ich das Fachgebiet Facility Management eingeführt und aufgebaut. 2011 erhielt ich einen Ruf als Professorin an die Norwegian University of Science and Technology (NTNU) in Trondheim, Norwegen. Dort habe ich Forschungsprojekte entwickelt, im Englischsprachigen Master in Real Estate und Facility Management gelehrt und Doktoranden betreut. Ich war darüber hinaus in wissenschaftlichen Gremien, internationalen Konferenzen und als Gutachterin des Schwedischen Forschungsministerium tätig. Anfang 2016 erhielt ich eine Einladung an die University of California, Berkeley als Gastwissenschaftlerin.
Was bewegte sie dazu, die Institutsleitung zu übernehmen?
Die Leitung des Instituts für Facility Management (IFM) ist eine sehr anspruchsvolle und komplexe Aufgabe, für die ich mich mit fundierter Berufspraxis, akademischer Karriere und Lehr- und Forschungserfahrung an international führenden Universitäten sehr gut qualifiziert habe. Als Leiterin des Instituts für Facility Management (IFM) mit über 50 Mitarbeitenden habe ich die Gesamtverantwortung für Lehre, Forschung und Entwicklung, Weiterbildung und Beratung in Facility Management (FM). Ich vertrete und vernetze das Institut nach innen und nach aussen und bin für die strategisch inhaltliche, personelle und finanzielle Führung zuständig. Darüber hinaus bin ich Mitglied der Leitung im Departement Life Science und Facility Management (LSFM) der ZHAW. Am IFM studieren rund 250 Bachelor-Studierende (BSc in FM) in Facility Management, 50 Master-Studierende sind im englischsprachigen und von der IFMA akkreditierten internationalen Master of Science (MSc in FM) in FM eingeschrieben. FM-Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind: Workplace, FM in Health Care und das Management von Immobilien und Gebäudebeständen. Im Technopark Zürich bieten wir als berufsbegleitende Weiterbildung den MAS in FM, den MAS in Nachhaltigem Bauen und diverse CAS an.
Worin unterscheiden Sie sich von Ihrem Vorgänger?
Thomas Wehrmüller und ich sind auf unterschiedlichen Wegen zum Facility Management gekommen. Er studierte Psychologie, ich studierte Architektur, Baumanagement und promovierte im Bereich Immobilienwirtschaft. Das ist ja genau das spannende am FM, es ist eine sehr interdisziplinäre Disziplin. Thomas Wehrmüller führte das englischsprachige Master-Studium ein. Der Master of Science in Facility Management ist von der International Facility Management Association (IFMA) akkreditiert. Das ist etwas ganz besonderes, eine Fachhochschule mit einem englischsprachigen Master. Das verpflichtet, auch in der Forschung international tätig zu sein. Die Studierenden kommen von überall her und suchen Arbeitgeber, bei denen sie internationale Managementkenntnisse anwenden können. Das hat mich sehr angesprochen und ich fand hier viele Grundlagen, die ich mit meiner Biografie und mit meinen Kompetenzen aufgreifen und weiterentwickeln kann. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich von Thomas Wehrmüller dieses Haus übernehmen und weiterführen kann.
Was waren Ihre ersten grossen Herausforderungen und Erfolge?
Kurz nach der Übernahme der Institutsleitung erhielt ich die Chance einen Antrag für die Einführung eines Doktorandenprogramms in Facility Management mit internationalen Partneruniversitäten zu erarbeiten. Der Antrag wurde im Dezember 2016 eingereicht und im April 2017 genehmigt. Das IFM ist somit das erste und einzige Fachhochschulinstitut mit einem Doktorandenprogramm in FM. Die Promotionsmöglichkeit an Fachhochschulen zu etablieren ist eine grosse Herausforderung. Die Bewilligung des Doktorandenprogramms zähle ich zu meinen grössten Erfolgen für das IFM bisher. Ich freue mich sehr über das Doktorandenprogramm: Nach dem Masterabschluss gibt es zwei Wege, der eine führt in eine Führungsposition in der privaten Wirtschaft oder Befähigung zur höheren Laufbahn der öffentlichen Hand, der andere in eine akademische Karriere. Facility Management ist eine junge Disziplin und es braucht nicht nur am IFM gut ausgebildeten wissenschaftlichen Nachwuchs und zukünftige Dozierende, die sowohl über Berufserfahrung als auch die akademische Qualifikation verfügen. Weitere Erfolge sind die IFM-Veranstaltungen, wie der internationale FM Day im Frühjahr und das Forschungssymposium im Herbst, auf das ich mich schon sehr freue. Diese Veranstaltungen sollen Lehre, Forschung und Wirtschaft miteinander in Dialog bringen. Beim internationalen FM Day im März 2017 waren auch fmpro und andere Schweizer und internationale Verbände vertreten. Ich möchte auch in Zukunft intensiv mit der Praxis zusammenarbeiten. Das ist das tolle an einer Fachhochschule: die Wege sind kurz, vom Wissen über die Forschung und Entwicklung bis zur Innovation in der Anwendung.
Im Interview vor einem Jahr sprach Ihr Vorgänger die fehlenden Studierenden aus der Romandie an. Wie sehen Sie das Problem?
Da gibt es noch Entwicklungspotenzial. Wir haben Studierende aus aller Welt, aber selten solche aus der Romandie. Sie würden dieses Studium noch attraktiver machen und das Studium wäre auch attraktiv für sie. Sie würden hier internationale Studienkollegen treffen und internationale Management-Kompetenzen erlernen, ohne dass sie dabei die Schweiz verlassen müssten. Wir machen Werbekampagnen in der Romandie und möchten Botschafter hinschicken. Die potenziellen Studierenden dort müssen erfahren, dass es diese Möglichkeit gibt.
Wie beurteilen Sie den Schweizer FM-Markt?
Ich bin erst seit einem halben Jahr in der Schweiz und höre seitdem nur von Wachstum und exzellenten Berufsaussichten unserer Absolventen. Facility Management ist eine Wachstumsbranche mit hervorragendem wirtschaftlichem Potenzial. Die zunehmende Akademisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt trägt zu steigender Nachfrage bei. Ich habe in sehr kurzer Zeit sehr viele gute Kontakte geknüpft, auch zu fmpro und den anderen Verbänden, die mit dem IFM verbunden sind. Mit dem Institut für Facility Management (IFM) am Zürichsee möchte ich ein offenes Haus für Begegnungen mit Studierenden, Lehrenden, Forschenden und der Schweizer Wirtschaft sowie den nationalen und internationalen Facility Management Organisationen bieten. Die Möglichkeiten zu persönlichen Treffen und Erfahrungsaustausch mit den Studierenden sehe ich als eine Win-Win-Situation, die Kontakte zum Schweizer FM-Markt erleichtern einen Einstieg in den Job – und Verbände und Wirtschaft können vom Innovationspotenzial der Studierenden profitieren.
Welche Erwartungen haben Sie an Verbände wie fmpro?
Die Zusammenarbeit mit fmpro ist in vielen Bereichen fruchtbar und bereichernd und müssen wir unbedingt so weiterführen. Die Mitglieder eines Verbandes arbeiten direkt in der Praxis, das gibt direktes Feedback und erlaubt uns, die Stimmungen einzufangen, mit der wir in die Zukunft gehen können. Das ist uns sehr wichtig. Wir wollen Studiengänge zukunftsfähig ausrichten. Auch arbeiten die Verbände in verschiedenen Arbeitskreisen an unterschiedlichen Einzelthemen und auch am Aufbau grösserer Forschungsplattformen. Sie sind alle wichtige Partner, die sich in der Schweiz für das FM einsetzen.
Welche Themen sind im FM und im Institut aus Ihrer Sicht derzeit wichtig?
Es gibt ganz unterschiedliche Themenschwerpunkte und unsere Studierenden haben immer wieder neue Ideen. Natürlich werden die Themen vor allem auch vom Markt bestimmt: Von Augmented Reality, BIM, der Digitalisierung und dem IT-Support für das Immobilienmanagement geht es bis hin zum FM in Healthcare, wo es über Jahre aufgebaute Forschungskontakte zu mehr als 50 Spitälern gibt. Es ist spannend, abwechslungsreich und innovativ, was hier läuft.
Wie hat sich die Branche verändert, seit Sie sich zum ersten Mal mit Facility Management beschäftigten?
Meine Abschlussarbeit vor fast 20 Jahren entstand in Zusammenarbeit mit der Architektenkammer Westfalen. Zu dem Zeitpunkt wurde das FM in Deutschland speziell von den Architekten noch belächelt. Es ist für mich eine unglaubliche Bestätigung und sehr schön zu sehen, wie sich all das immer mehr entwickelt, was ich damals bereits vorausgesehen hatte. Die Verantwortung, für die bestehende und bereits gebaute Umwelt, der Fokus auf den Bedarf der Unternehmen, der Blickwinkel, wie die Umwelt und die Arbeitsplätze gestaltet und betrieben werden sollen, die Schnittstelle zwischen physischer Umwelt, Betriebsorientierung und Nutzerfreundlichkeit – diese interdisziplinären Ansätze, die haben sich durchgesetzt. Auch bei den Architekten. Die gesamte Immobilienbranche hat erkannt, dass es so viel Neues nicht mehr zu bauen gibt. Das wird weitergehen und hat auch mit den vielen neuen Themen zu tun, die Druck ausüben: Energie-Effizienz, Digitalisierung, physische und psychische Gesundheit, innovative Lebens- und Arbeitswelten, nachhaltige Bewirtschaftung – und für all diese Themen steht auch das IFM.
FM-Studierende werden vom Markt sehr schnell absorbiert…
Die sind heiss begehrt, finden gute Jobs, sehr attraktive Einstiegsgehälter und viel Verantwortung. Es gibt nach wie vor zu wenige Fachkräfte für die interdisziplinären Bereiche. Die Mischung aus technischem Verständnis, Management-Kompetenz und einem Gesamtverständnis für Organisationen, diese Mischung macht den Facility Manager einzigartig. Wir verlieren sehr viele Bachelor-Absolventen, die ohne weiteres auch den Master machen könnten, weil sie vom Markt schon vorher absorbiert werden. Das ist aber ein Luxusproblem: denn wir wollen ja raus, wir wollen Wissen anwenden. Wir beschäftigen uns mit angewandten Wissenschaften und wollen diese Wissenschaften anwenden.
Worauf müssen Facility Manager heute besonders achten?
Für uns alle gilt Life-Long-Learning, das heisst, das man immer wieder dazu lernen muss. Es reicht nicht mehr, einmal eine Ausbildung zu machen und dann lebenslang einen sicheren Job zu haben. Lebenslanges Lernen gehört dazu. Für Facility Manager ist vieles im stetigen Wandel, durch Technisierung oder Automatisierung, es bleibt nichts stehen. Auch die Geschäftswelt verändert sich ständig. Es braucht Verständnis, Offenheit und Lernbereitschaft, das darf nie aufhören. Weiterbildungen, zum Beispiel CAS oder MAS, sind auch im weiteren Verlauf des Berufslebens sehr wichtig. Alles geht immer schneller. Das ist natürlich auch für uns als Lehrinstitut eine Herausforderung: wir müssen uns fragen, wie Ausbildung sein muss, was die Praxis von den Absolventen erwartet. Ich freue mich, diese Herausforderungen als neue Leiterin des Instituts für Facility Management annehmen und gestalten zu dürfen. Ich bin zuversichtlich für die Zukunft.
Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „fmpro service“ (August 2017).
Bild: zVg
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