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Nachhaltig. Regional. Saisonal. Das alles klingt nicht nur gut, es ist auch gut: für die Umwelt, für die Gesundheit, für die Tiere, für die lokale Landwirtschaft. Aber ganz einfach ist es nicht.

«Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, nachhaltig zu denken und zu handeln und für eine gesunde Umwelt einzustehen», sagt Simon Glaus, Leiter Gastronomie des Alters- und Pflegeheims Im Brühl in Spreitenbach. «Wir möchten regionale Lieferanten unterstützen und haben uns schon vor langer Zeit entschlossen, nur noch Schweizer Fleisch zu verwenden. Zwei Bauernhöfe, die quasi an unserer Strasse liegen, beliefern uns zudem mit selbst produzierten Lebensmitteln.»

Aber saisonal, regional und nachhaltig ist häufig nicht ganz so einfach, wie man das manchmal wünschen würde. Erstens ist es eine wirtschaftliche Frage: saisonal, regional und nachhaltig kostet mehr. Saisonale Produkte bedeuten auch saisonale Einschränkungen. Regionale Produkte bedeuten Verfügbarkeits-Herausforderungen für die Einkäufer. Und nachhaltig ist manchmal dermassen verzwickt und undurchsichtig, dass man daran scheitern kann. «Irgendwann kommt der Punkt, an dem man an Grenzen stösst», sagt Glaus, «ganz besonders rund um die Transparenz von gewissen Produkten und Lieferanten.» Vor allem verarbeitete Produkte kommen von grösseren, internationalen Konzernen und dementsprechend kann auch die Zusammensetzung der Produkte sehr international sein. Transparent ist das selten.

Laufendes PHR-Projekt zum Thema

Seit 2017 und bis 2019 läuft im Metropolitanraum Zürich ein SECO/PHR-Projekt zur Förderung nachhaltiger und vermehrt regionaler Versorgung in der Verpflegung der Gemeinschaftsgastronomie, mit Fokus auf Betriebe, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen: Heime, Spitäler oder Schulen. Federführend ist Projektleiter Alfred Bänninger von AGRIDEA. «Natürlich sollte ein guter Lieferant bis zu einem gewissen Grad deklarieren, wo sein Produkt herkommt und wie es verarbeitet wurde», sagt er. «Wenn wir jedoch eine Beelong-Analyse machen, sehen wir auch, wie viele Produkte eben nicht klar deklariert sind.» Beelong ist ein Startup der Hotelfachschule in Lausanne und hat sich darauf spezialisiert, die Lebensmitteleinkäufe von Gemeinschaftsgastronomie-Betrieben nach den Kriterien Herkunft, saisongerechter Konsum, Produktionsweise (Labels), Klima- und Ressourcen-Wirkungen sowie dem Produkt-Verarbeitungsgrad zu analysieren und zu bewerten. Mittlerweile wurden im Projekt ein Dutzend Alterszentren und Spitäler mit über 10’000 eingekauften Produkten nach dieser Methode analysiert. Das ermöglicht den Betrieben einen präzisen, ehrlichen Blick auf die aktuelle Beschaffung von Lebensmitteln bezüglich Nachhaltigkeit, um Verbesserungsmöglichkeiten diskutieren und festlegen zu können. Besonders interessant ist eine solche Analyse, um die problematischsten Produkte zu erkennen, vor allem, wenn diese im Betrieb in bedeutenden Mengen verbraucht werden. Oft sind das verarbeitete Produkte und Getränke, von ausserhalb Europa oder von nicht transparenter Herkunft, welche teilweise durch Schweizer Produktealternativen, Labelprodukte (Bio Suisse, IP-Suisse, Suisse Garantie, Fair Trade) oder manchmal durch hausgemachte Produkte ersetzt werden könnten. Finden sich nachhaltige Alternativen, hat das eine grosse Hebelwirkung.

Für Simon Glaus war die Beelong-Analyse ein Hauptargument, um als Pilotbetrieb am Projekt teilzunehmen. «Das Geschäftsfeld ist so breit und man verwendet so viele Produkte, da fehlen die Zeit und auch die Möglichkeiten, um jedes einzelne Produkt genau zu durchleuchten», sagt er. Für ihn gibt es dabei immer wieder aufschlussreiche Erkenntnisse. Manchmal mache man sich ein Bild und habe das Gefühl, man mache es gut, müsse sich dann aber eines Besseren belehren lassen. «Die ganze Logistik und was sonst dahintersteckt, sieht man zu wenig – und man hinterfragt es auch selten bis ins Detail», sagt Glaus.

Weiterbilden und sensibilisieren

«Wir wollen Geschäftsführer, Gastronomieleiter, Einkäufer und Küchenchefs von Gemeinschaftsgastronomie-Betrieben sowie Entscheidungsträger aus Städten, Gemeinden, Ämtern, Politik und Organisationen sensibilisieren», sagt Alfred Bänninger, «genauso wie Vertreter der Lebensmittel-Wertschöpfungskette: landwirtschaftliche und gewerbliche Direktlieferanten , industrielle Lebensmittelverarbeiter und Gastro-Lieferanten.» Sensibilisiert werden soll beispielsweise über Schulungen, die einen Erfahrungsaustausch ermöglichen und vermitteln, worauf genau zu achten ist – unter anderem rund um Labels. Oft ist zu wenig bekannt, welche Herkunft und welche Produktionsbedingungen hinter einem Label stecken. «Wir achten beim Fleisch, Geflügel und Fisch stark auf Labels, beim Gemüseeinkauf entscheidet hingegen weniger die Produktionsart, sondern vielmehr die Regionalität und die Saisonalität», sagt Simon Glaus.

Was ist regional und saisonal?

Regional und saisonal hat natürlich auch Grenzen. «Grundsätzlich empfehlen wir, dass die eingekauften Produkte eine möglichst nahe Herkunft haben sollten», sagt Alfred Bänninger. «Beim Einkauf sollte die Herkunft in dieser Reihenfolge Priorität haben: Region, Kanton, Schweiz, Europa, Welt. Die Beschaffung ist vereinfacht gesagt nachhaltiger, je näher die Produktion und der Anbau eines Produktes liegen. Der Einkauf regionaler Produkte trägt auch zur Erhaltung des wirtschaftlichen und sozialen Gefüges der Regionen bei – Bauernbetriebe, Bäckereien, Metzgereien und Käsereien. Dabei muss immer die Verfügbarkeit eines Produktes berücksichtigt werden. Bei Obst und Gemüse gilt es die Saisonalität zu beachten. Lagergemüse, welches im Winter aus den Lagern genommen wird, ist ebenfalls saisongerecht.»

Simon Glaus begegnet dem Faktor Verfügbarkeit immer wieder, wenn er seinen Menüplan zusammenstellt. Geht es um den saisonalen Aspekt, ist er ziemlich strikt. «Natürlich gibt es da Einschränkungen. Wir versuchen stets, so viele saisonale Produkte wie möglich zu verwenden und diese so wenig wie nötig mit anderen zu ergänzen», sagt er. «Man muss einen vernünftigen Mix finden. Wenn jemand im Februar Spargeln will, gibt es die bei mir nicht, denn Spargeln aus der Region sind im Februar schlicht nicht verfügbar. Es braucht etwas Kreativität und gewisse Einschränkungen sind unumgänglich, aber auf alles zu verzichten ist auch nicht realistisch.» Etwas mehr reduzieren müsse man allerdings den Fleischkonsum, sagt Glaus: «Man kann die Menschen mit kreativen, vegetarischen Gerichten dazu bewegen, auch einmal auf Fleisch zu verzichten. Und wir müssen mehr hinterfragen, nicht nur die einfache Produktdeklaration und Herkunft anschauen, sondern das Produkt und die Produktionsart detaillierter betrachten.»

Die Wirtschaftlichkeit

Eine weitere Herausforderung sei es, diese Bemühungen nach aussen zu kommunizieren: «Wichtig ist, das Bewusstsein des Endkonsumenten zu fördern», sagt Glaus. «Natürlich beeinflusst der höhere Einkaufspreis den Verkaufspreis. Man muss also eine Preiskalkulation durchführen, welche die Gäste am Schluss auch zu bezahlen bereit sind. Bio-Fleisch kann ich nicht in den Wochen-Menüplan integrieren, es liegt preislich auf zu hohem Niveau. Aber ich möchte nun den ganzen Fischeinkauf – in unseren Augen ein sehr kritischer Bereich – auf rein schweizerischen Zuchtfisch umstellen. Ich rechne dafür mit Mehrkosten von mehreren tausend Franken im Jahr. Das muss ich ins Budget aufnehmen und so absegnen lassen. Es ist nur ein einzelner, eigentlich kleinerer Posten, der sich in den Warenkosten jedoch bemerkbar macht. Doch das lässt sich sehr gut vermarkten und ich habe einen Lieferanten gefunden, der uns den Fisch in der gewünschten Menge und Qualität liefern kann. Die Nachfrage nach solchen Produkten steigt und das merken auch die Anbieter.»

Die Bauernhöfe in der Umgebung

Natürlich sind auch die Schweizer Produzenten in diesem Projekt sehr wichtig. Heime und Spitäler sollen möglichst direkt regionale Produkte beschaffen können. Das ist für einen kleinen Betrieb einfacher, als wenn es um grosse Volumen geht. «Wir untersuchen, welche Fragen und Hindernisse die lokalen Produzenten umtreiben», sagt Alfred Bänninger. «Wir möchten beispielsweise prüfen, ob die vermehrte Zentralisierung des Einkaufs mehrerer Betriebe, verbunden mit öffentlichen Ausschreibungen zur Lebensmittelbeschaffung, den regionalen, direkten Einkauf behindert und ob es allenfalls nötig ist, dazu Verbesserungen vorzuschlagen.» Primär sei das Ziel des PHR-Projektes, einen ‘Pull-Effekt’ zu erreichen: Die Nachfrager wollen nachhaltigere, regionale und saisonale Produkte und ändern ihr Einkaufsverhalten entsprechend. Die Lieferanten und die ganze Lieferkette passen sich dieser Veränderung an und stellen nachhaltigere, regionale Produkte zur Verfügung. Dazu müssen die Betriebe im Einkauf aber mehr sensibilisiert sein und konsequent mehr Transparenz bei der Produktedeklaration verlangen – also Druck machen und notfalls gewisse intransparente Produkte nicht mehr einkaufen.

Übrigens: Der Faktor Schweiz an sich muss gar nicht teurer sein. Eine Studie von AGRIDEA hat gezeigt, dass die Verwendung von Schweizer Produkten (der Marke Suisse Garantie) in den Menüs nicht teurer ist als jene von Importprodukten.

 

Tipps und Empfehlungen für Köche, Einkäufer und Entscheidungsträger

  • Bereiten Sie so viel wie möglich selber zu und kommen Sie weg von Convenience-Produkten, dann wissen Sie genau, was drin ist
  • Kaufen Sie ausgewogen ein, also mit einem hohen Anteil an frischen Früchten und Gemüse
  • Bevorzugen Sie saisonale, regional produzierte Produkte, wenn möglich mit Label oder direkt vom Hof Ihres Vertrauens
  • Wo die Schweiz über eine hohe Selbstversorgungsrate verfügt, sollten Sie Schweizer Produkte einkaufen: Milch und Milchprodukte, Rind-, Schweine- und Kalbfleisch, Äpfel, Lagergemüse und saisonales Frischgemüse beispielsweise

Veröffentlicht im gastrofacts businessmagazin (Frühling 2019).