Bild: © Manu Friederich –

Balz Halter ist Verwaltungsratspräsident der Halter AG. Er sprach mit uns über die Unternehmensgruppe, den Immobilienmarkt, das Facility Management sowie über aktuelle Themen wie Digitalisierung oder die Nachhaltigkeit.

Die Halter AG ist schwergewichtig ein Immobilienentwickler und Anbieter für Gesamtleistungen. Sie geht entweder selbst ins Marktrisiko oder entwickelt Projekte zusammen mit Bauherren und Investoren. Ein Schwesterunternehmen innerhalb der Gruppe ist die Halter Immobilien AG, die kürzlich zur Tend AG umfirmiert wurde. Sie ist ein Dienstleistungsunternehmen für den ganzen Lebenszyklus einer Immobilie.

Sie haben durch die verschiedenen Firmen in den Halter-Gruppe einen umfassenden Erfahrungsschatz rund um die Immobilie. Wie beurteilen sie den Stellenwert und die Wahrnehmung des Facility Managements?

Das FM wird nochmals erheblich an Bedeutung gewinnen. Aus drei Gründen. Einerseits, weil die guten Zeiten vorbei sind. Wir erreichen nicht mehr einfach Wertsteigerungen aufgrund sinkender Kapitalmarktzinsen und ohne viel dafür zu tun. Es geht nun darum, Objekte gut zu betreuen und zu bewirtschaften, die Kosten zu reduzieren und mit den Ressourcen haushälterisch umzugehen. Es ist nicht mehr alles einfach vermietbar und verkaufbar und die tatsächliche Leistung für den Nutzer spielt eine wichtigere Rolle. Der zweite Punkt ist das Thema Ökologie. Es reicht nicht mehr zu sagen, man hätte eine Massnahme zur Reduktion des CO2 getroffen. Man muss den Effekt auch belegen und wird deshalb kontinuierlich an der Nachhaltigkeit arbeiten müssen. Da ist das FM prädestiniert, vor allem das technische FM, um auch in der Betriebsphase Optimierungen umzusetzen. Der dritte Punkt ist die Digitalisierung. Das FM ist sehr prozessorientiert. Hier wird die Digitalisierung enorme Innovationen bringen und Prozesse neu definieren. Das wird eine neue Dynamik auslösen und wahrnehmbare Resultate bringen.

Das bedeutet aber auch, dass Sie den Stellenwert des FM aktuell noch als zu tief betrachten?

FM wird noch zu oft als notwendiges Übel verstanden und nicht als Chance, um ein Objekt besser zu machen. Die FM-Branche hat selbst auch die Tendenz, sich schlechter zu verkaufen als sie eigentlich ist. Sie stellt sich zu häufig als austauschbar dar, reduziert auf die Höhe von Stundenansätzen für Leistungen, die jederzeit jemand anderes übernehmen kann. Da kann die Branche ein neues Selbstverständnis entwickeln.

Weshalb wurde aus der Halter Immobilien AG eigentlich die Tend AG und weshalb fiel die Wahl auf den Begriff ‘Tend’?

Die Halter AG war in unserer Struktur immer dominant und das Schwesterunternehmen Halter Immobilien AG stand oft in ihrem Schatten. Deshalb sollte es klarer positioniert werden – mit dem Aufbau eines neuen Brands. Wir suchten einen griffigen Namen, wollten jedoch keinen seltsamen Fantasienamen. Der Begriff Tend ergab sich in einem Brainstorming. Er ist eingängig, kurz und hat eine gewisse Botschaft. ‘Tendere’ heisst: sich kümmern. Das Unternehmen kümmert sich um Gebäude oder Portfolios. Mir persönlich gefällt der Satz ‘Tend – to higher performance’. Darum geht es im Unternehmen. Wir führen die Assets zu einer besseren Performance – mit anderen Worten, Kosten zu senken und Erträge zu erhöhen. Das sind die beiden massgeblichen Elemente, wo wir Eigentümer und Investoren unterstützen können. Wir müssen sukzessive an den Kosten arbeiten und aus dem Objekt ein gutes Produkt machen, dass am Markt das Optimum erbringt.

Zwischen der Bauphase und der Betriebsphase gibt es häufig einen Bruch. Die Halter-Gruppe deckt alle Phasen ab. Haben Sie deshalb Rezepte, wie diese Lücke geschlossen werden kann?

Einfache Rezepte gibt es nicht, aber es ist tatsächlich so: Wenn man die Betriebskosten als nicht besonders bedeutend betrachtet, widmet man sich dem Thema in der Phase des Engineerings, der Produktion und der Herstellung eines Gebäudes weniger. Wir versuchen diese Elemente in der Planung und Realisierung stark einzubringen. Ich muss aber auch eingestehen: es gelingt uns nicht immer, die erwartete Performance in die Betriebsphase zu bringen. Das Problem liegt in der klassischen Arbeitsteilung. Zwischen Planung, Erstellung und Betrieb gibt es jedes Mal einen Schnitt, ganz neue Leute stossen auf das Gebäude. Dieser Wechsel führt dazu, dass das Angedachte nicht clever in die Betriebsphase gebracht wird. Deshalb ist ein grosser Teil der Gebäude in jeder Beziehung ineffizient, sowohl in Fragen der Energie als auch der Unterhaltskosten, des Komforts oder des Servicedesigns. Für dieses Problem gibt es keine schnellen Rezepte. Ich denke aber, dass sich die Bau- und Immobilienindustrie in einem Wandel befindet. Durch die Digitalisierung entstehen neue Geschäftsmodelle. Auch wir versuchen dies voranzutreiben. Wir wollen weniger Arbeitsteilung und weniger Schnittstellen. Wir beziehen den Unternehmer viel früher ein. Er weiss, wie er sein Gewerk optimal realisieren und Gewährleistung bieten kann und dabei auch noch effizient ist. Für die Ersteller wird es so viel interessanter, in eine frühe Kooperation zu gehen und die Ausführungsplanung nicht ein zweites Mal machen zu müssen. Das setzt aber voraus, dass der Besteller genau weiss, was er will. Das «Wie» kann dem Unternehmer überlassen werden. Mit klaren Schnittstellen kann der Unternehmer früher Verbindlichkeit schaffen.

Wie kann sich das FM selbst mehr in die Realisierungsphase einbringen?

Wir sehen fünf Phasen im Lebenszyklus einer Immobilie: Development, Design, Engineering, Production und Operation. Wir reden jetzt über den Bruch zwischen den letzten zwei Phasen. Es ist oft so, dass der Unternehmer ein Gebäude übergibt und nur noch eine übliche Gewährleistung bietet, zum Beispiel zwei Jahre auf Mängel. Hier braucht es Geschäftsmodelle, die sowohl Erstellung als auch Betrieb abdecken: Der Bauherr sagt, was er will, welche Performance er erwartet. Der Unternehmer bringt diese Performance, egal mit welchen Lösungen und Systemen. Er bietet dafür Gewähr für die nächsten fünf oder zehn Jahre. Hier gibt es viel Potenzial für das FM, um mehr in die Realisierungsphase zu kommen. Das kann sein, indem es selbst gewisse Gewerke anbietet, aber auch indem es sich mit Anbietern von Gebäudetechnik, Fassaden oder Ausbauten zusammenschliesst. So lassen sich Pakete schnüren, die für die Besteller interessant sind, zum Beispiel rund um die CO2-Bilanz, die Kosten oder die Funktionalität. Wie erwähnt: es ist wichtig, die Unternehmer einzubinden und in die Verantwortung zu nehmen. Schliesslich geht es hier auch um Fachgebiete, die nicht in den Kernkompetenzen der Besitzer liegen, dafür jedoch bei den Unternehmern.

Hat die Digitalisierung einen grossen Einfluss?

Die Digitalisierung per se bringt noch nichts, aber sie ist eine grosse Chance, wenn man sie nutzt, um Prozesse zu optimieren, um Effizienz und Wirkung zu erzielen. Wir arbeiten stark daran, in allen fünf Phasen des Lebenszyklus einer Immobilie, zusammen mit Partnern, die sich in dieser digitalen Welt auch entwickeln wollen. Dabei fördern wir offene Strukturen und neue Zusammenarbeitsmodelle. Das Ziel muss immer sein, die Performance zu erhöhen. Die Digitalisierung wird uns dabei helfen, auch weil sie es ermöglicht, ständig zu überwachen, ob wir die gesetzten Ziele auch tatsächlich erreichen und wo wir die Hebel noch weiter ansetzen können.

Werden uns die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz alle Arbeit abnehmen?

Mit einer vernünftigen Datenbasis kann künstliche Intelligenz in der Analyse und Lösungsfindung viel helfen. Aber am Schluss muss man dennoch wissen, was man tut und die Prozesse strukturell und konzeptionell erfassen können. Dafür braucht es Fachleute. Letztlich bewegen sich Menschen in diesen Gebäuden, das verlangt nach einem Mass an Empathie, die eine künstliche Intelligenz noch nicht bieten kann. Ich sehe das also nicht so problematisch.

Sie beschäftigen sich schon lange mit Themen der Nachhaltigkeit – gibt es da aktuell einen gesellschaftlichen und politischen Schub?

Zweifellos. Es ist schon seit einiger Zeit eine Bewusstseinsversänderung im Gang und es wurde auch schon sehr viel gemacht. Wir beginnen nicht bei null. Aber das Thema wird nochmals an Bedeutung gewinnen. Ich muss aber offen gestehen, ich bin skeptisch, dass wir viel erreichen werden. Alle reden von Nachhaltigkeit und vom CO2-Abdruck. Ein Hyper-Aktivismus macht sich breit, vor allem in der Politik. Man will Zeichen setzen, etwas unternehmen, aber am Schluss sind diese Massnahmen – das zeigt die Erfahrung – oft kontraproduktiv. Man macht gewisse Dinge, um sagen zu können, man habe etwas unternommen. Aber man legt nicht wirklich Rechenschaft darüber ab, ob tatsächlich Wirkung erzielt wird. Auch hier stellt sich zuerst die Frage nach dem «Was» und nicht nach dem «Wie». Was will ich erreichen? Welche Ziele sollen verfolgt werden? Der Weg dahin muss offenbleiben. Der Wettbewerb soll spielen. Die besten Lösungen sollen sich durchsetzen können. Leider werden vorschnell Wege und Systeme vorgeschrieben. So führten beispielsweise Fassadendämmungsvorschriften zu enorm hohen Kosten, verunstalteten Gebäude und zu Konsumation von grauer Energie. Mit cleveren gesamtheitlichen Konzepten liesse sich deutlich mehr Wirkung erzielen, sogar bei geringeren Kosten. Es ist zu befürchten, dass die Gesetzgebungs-Maschinerie nun noch mehr in Bewegung kommt und dadurch Freiheiten und Innovationskraft eingeschränkt werden. Sprich, dass finanzielle Ressourcen für wirkungsarme Massnahmen absorbiert werden und die ohnehin schon teuren Gebäude noch teurer werden. Das wird ökologisch nicht viel bringen, aber unsere Volkswirtschaft belasten. Wir dürfen nicht überreagieren und dadurch den Nutzen aus den Augen verlieren. Meine Hoffnung ist, dass die tatsächliche Wirkung in den Vordergrund gestellt und mehr gemessen wird. Hier sind wir dann wieder beim FM: es muss messen statt behaupten. Dann werden wir einige Überraschungen erleben aber auch zu guten Lösungen kommen.

Sie plädieren also eher für das Deregulieren als für das Überregulieren?

Absolut. Man traut dem Staat zu viel zu. Wir können die Welt nicht retten, indem wir unseren Fussbadruck hier in der Schweiz reduzieren. Aber wir können einen positiven Beitrag leisten, indem Forschung und Industrie gute Konzepte entwickeln, die auch exportierbar, skalierbar und ökonomisch gerechtfertigt sind. Wir können es uns im Moment leisten, Geld in die Gebäude zu pumpen, damit sie nachhaltiger sind. Aber an anderen Orten wächst die Umweltbelastung viel rasanter, dort könnten wir mit unseren Konzepten vielleicht etwas bewirken. Dabei ist es auch wichtig, experimentieren zu dürfen. Technologieverbote oder Diktate sind kontraproduktiv.

Welche Tipps oder Wünsche haben Sie an Facility Manager?

Ich glaube, dass die Facility Manager die Trends als Chancen verstehen und ihr Selbstverständnis hinterfragen sollten, genauso wir ihre Prozesse und Geschäftsmodelle. Dann wird das Facility Management die Rolle spielen, die ihm zusteht – und die ist nicht unbedeutend! Es sind riesige Assets, Immobilienwerte, die die Facility Manager betreuen. Es ist deshalb wichtig, dass man sich nicht über den Rabatt, sondern die Leistung differenziert.

Die Halter AG ist schon in dritter Generation in Familienhand. Sie sind seit 1988 am Steuer und haben das Unternehmen stark weiterentwickelt – aber wer ist Balz Halter eigentlich?

Mein Vater starb früh, während meinem Studium zum Bauingenieur. Nach dem Abschluss kam ich direkt und unvermittelt ins Unternehmen, da war ich 25 Jahre alt. Natürlich musste ich zuerst das Handwerk lernen. Ich bin in einer privilegierten Zeit geboren und habe in der Schweiz fast nur Wachstumsphasen erlebt. Dennoch erlebte ich Anfang der Neunzigerjahre auch eine richtige Rezession. Das war eine heilsame Zeit. Leider fehlt heute vielen diese Erfahrung. Eine Rezession kann aber jederzeit wiederkommen. Mich prägte diese Erfahrung und sie half mir auch, mich als Unternehmer zu entwickeln, mir den Risiken bewusst zu sein und sie zu managen. Wir sind wieder in einer ähnlichen Phase. Es wird schwieriger. Die Spreu wird sich vom Weizen trennen. Aber ganz allgemein haben wir eine der besten Volkswirtschaften, um darin arbeiten zu können. Ich konnte das nutzen und freue mich, dass sich das Unternehmen gut entwickelt hat. In den letzten drei Jahrzehnten, während derer ich das Unternehmen leiten durfte, fand auch eine extreme Professionalisierung der Bau- und Immobilienbranche statt. Dazu haben wir bestimmt einen Teil beigetragen. Es macht mir Spass, etwas zu unternehmen, zu gestalten und weiterzutreiben. Die kurze Antwort auf Ihre Frage wäre also: ich bin Unternehmer.

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift “fmpro service” (März 2020).