Krebspatienten erfahren viel Leid. Aber auch die Freude gehört zum Menschen. Sie kann wie ein inneres Medikament wirken.

«Das Negative kommt von alleine», sagt Dr. Dietmar Max Burger. «Das Positive hingegen muss man sich aktiv bewusst machen und kultivieren. Menschen, die leiden», weiss der Arzt und Psychotherapeut, «haben oft den Zugang zum Humor verloren. Doch die Freude kann bleiben, auch wenn einem das Lachen vergeht. Sie ist ein inneres Medikament und löst Selbstheilungskräfte aus.»
Burger war früher in der Altersmedizin tätig. Dort merkte er, wie wichtig Humor und Freude für seine Patienten sind. Diese Erfahrungen wollte er weitergeben. Seit 2007 ist er Gesundheitsclown und gibt Kurse, die Menschen spielerisch an ihre Freudenquellen erinnern. Einen solchen Kurs führte er kürzlich im Winterthurer Turmhaus durch, dem Begegnungs- und Informationszentrum der Krebsliga Zürich. Das ist kein Zufall. Seit geraumer Zeit stehen dort verschiedene Aktivitäten auf dem Programm, die dem belastenden Thema Krebs etwas die Schwere nehmen möchten.

Gemeinsame Lichtblicke
Zwei der zwölf Teilnehmenden sind Rita und Karin. Sie sind häufig hier und besuchen die Veranstaltungen, die unter dem Motto «Gemeinsame Lichtblicke» angeboten werden. «Im Turmhaus kann ich andere Gespräche führen als in meinem persönlichen Umfeld», sagt Karin. Denn eines ist klar: Alle, die hier sind, haben mindestens eine Gemeinsamkeit – Krebs. Es tut ihnen gut, über diese Gemeinsamkeit sprechen zu können. Mit den Angehörigen ist das oft schwierig. Hier muss man nicht weit ausholen, man wird verstanden.

Rückenwind
Rita kann wegen ihrer Krankheit nicht sprechen. Das hindert sie nicht daran, sich mitzuteilen. Auch im Kurs greift sie zu Stift und Papier und schreibt eindrückliche Zeilen: «Das Leben ist echt schön und lebenswert! Ich bekam vier Mal die Chance zu leben. Zuerst, als mich meine leibliche Mutter austrug. Dann überstand ich den Zungenkrebs. Dann den Oberkieferkrebs. Und dann wieder den Zungenkrebs. Und ich lebe noch immer.» Ihr ist ein feiner und feinfühlender Humor sehr wichtig. «Er setzt Energie frei, ist ein Antrieb für das Leben, löst Lachen aus und befreit», schreibt sie.
«Rita hat immer Rückenwind», sagt Karin und lächelt. «Sie kann die anderen mitreissen. Das tut gut. Alles hat seine ernsten Seiten, aber es braucht auch Humorvolles und Verspieltes. Das hilft, Schwierigkeiten zu überwinden.» Karin selbst macht es am meisten Freude, anderen Menschen zu begegnen, in der Natur zu sein, zu reisen. Und sie liebt die Vorfreude: «Wenn die Bestrahlungen abgeschlossen sind, werde ich nach Skandinavien reisen.»
«Freude und freudige Ereignisse bleiben gespeichert», unterstreicht Gesundheitsclown Dietmar Max Burger im Turmhaus. «Man kann sie reaktivieren, und das stärkt die Psyche. Wir müssen das Leid eines Krebspatienten würdigen, aber zum ganzen Menschen gehört die Freude immer dazu.»

Veröffentlicht in der Mediaplanet-Ausgabe “Diagnose Krebs” (September 2016).

Bild: Stefan Kühnis