Roger Krieg, Geschäftsführer bei der Immobilienberatung RESO Partners, analysiert die Entwicklungen und Unterschiede im Schweizer FM- und FS-Markt.

Anfang 2016 erschien die bereits fünfte Ausgabe des FM-Komplettanbieterberichts für die Schweiz und Österreich, herausgegeben von der Reality Consult GmbH und der RESO Partners AG. Letztere hat sich nun auch an der ersten Lünendonk-Liste «Führende Facility-Service-Unternehmen in der Schweiz» beteiligt. Wir wollten von Roger Krieg, dem Geschäftsführer der RESO Partners AG, wissen, weshalb ihm das wichtig war, welche Erkenntnisse er daraus zieht und wie er die verschiedenen Entwicklungen in der FM- und FS-Branche beurteilt.

Worin unterscheidet sich die Lünendonk-Liste vom FM-Komplettanbieterbericht?
Der FM-Komplettanbieterbericht fokussiert ein bestimmtes Marktsegment, nämlich jenes der Integralanbieter. In der Schweiz identifizierten wir rund 19 solcher Anbieter. Der Bericht zeigt nur deren Leistungsprofile und das ist keine 360-Grad-Beurteilung. Er widerspiegelt die Märkte und die Kundenzufriedenheiten nicht. Die Lünendonk-Liste verfolgt einen anderen Ansatz. Dort werden das FM als solches und die Services untersucht und dies nicht nur innerhalb der Integralanbieter, sondern inklusive allen Dienstleistern, die Facility-Service-Leistungen erbringen. Darüber hinaus werden Entwicklungen innerhalb der Branchen und des Portfolios ebenso dargestellt wie Marktvolumina und -trends. Die Lünendonk-Liste zeigt zudem, wer sich in welche Richtung entwickelt. Sie ist eine etwas dynamischere Darstellung. Hinzu kommt die hohe Methodenkompetenz, die dort angewendet wird. Das Ziel der Liste ist es natürlich, den Anbietern ein Instrument zur Strategieplanung zu geben. Auch für grössere Firmen oder internationale Konzerne, welche eine Ausschreibung machen, ist es sehr hilfreich zu sehen, welche Anbieter in welchem Markt wie positioniert sind. Die Liste liefert gute Infos, die vor einer Auswahl notwendig sind. Wir sind schliesslich bestrebt, in alle Bereiche mehr Transparenz zu bringen. Nach unserem FM-Komplettanbieterbericht war das also die nächste Stufe und deshalb wollten wir da mitmachen.

Welche wesentlichen Erkenntnisse haben Sie daraus gezogen?
Da gibt es einige, vieles muss man natürlich auch entsprechend interpretieren. Manche Dinge überraschten mich, andere hatte ich erwartet, habe sie nun aber schwarz auf weiss. Zum Beispiel einige Zahlen, die wir nun genauer kennen, unter anderem dass die EBIT-Ziele dieser Unternehmen zwischen zwei und sieben Prozent liegen. Es ist auffällig, dass der Markt immer mehr in Richtung Total FM geht, alle Dienstleister lösen sich von der eigentlichen Spezialisierung hin zu einer breiten Dienstleistungs-Palette. Weitere Details, die wir nun auf Papier haben, sind beispielsweise die Dominanz von internationalen Unternehmen, die vorherrschende Nachfrage nach Fachkompetenz, Kostendreduzierung und Qualität, oder dass die niedrigen Marktpreise als grösstes Erfolgshemmnis angesehen werden.

Sind wir stärker in einem Wachstumsmarkt als dies im Ausland der Fall ist?
Das Wachstumspotenzial ist eigentlich vergleichbar mit dem Ausland, trotzdem habe ich persönlich das Gefühl, dass es in der Schweiz etwas grösser ist. Der Outsourcing-Grad ist im Vergleich zum Ausland gut, wir haben hier viel liberalere Arbeitsgesetze und das fördert das Outsourcing.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in dieser Branche?
Ich bin überzeugt, dass sie einen massiven Einfluss haben wird. Trotzdem ist das Thema momentan auch ein Hype. Ich glaube nicht, dass die Digitalisierung durchgehend disruptiv ist. Menschen, die etwas reinigen oder warten, die braucht es nach wie vor. Aber die Planung dieser Leistungen, die Bestellungen, Abwicklungen, Verrechnungen und ähnliche Tätigkeiten, die werden sich massiv verändern. Natürlich ist die Digitalisierung auch in der Wartung ein grosses Thema, beispielsweise in der Predictive Maintenance. Mehr Informationen zu einer Anlage ermöglichen eine gezieltere Instandhaltung.

Wie schnell und wie intensiv wird dieser Einfluss sein?
Das ist die Gretchenfrage. In anderen Branchen hat man es unterschätzt. Aus ganz anderen Marktsegmenten kamen Firmen mit Lösungen und überrollten Bestandsmärkte. Das kann partiell auch in der Immobilienbranche passieren. Ich glaube aber nicht, dass solche Firmen für den gesamten Immobilienmarkt disruptiv sein können. Die Unternehmen, die Dienstleistungen erbringen, verstehen ihr Business und auch die Digitalisierung kann das Hauptgeschäft nicht verändern, es braucht irgendwann eine Bewirtschaftung. Man kann Supportelemente schaffen, die in die Gestaltungsprozesse fliessen, aber die Prozesse müssen immer noch Menschen machen. Was man aber sah: wenn man nicht mit der Technologie geht, wird es andere Dienstleister geben, die das übernehmen und bessere Methoden haben. Man muss da auch keine Strategie machen oder Roadmap erarbeiten. Die Geschwindigkeit der Veränderungen ist zu hoch. Aber ob die Intensität auch so hoch ist, das bezweifle ich im Moment.

«Wir sind bestrebt, in alle Bereiche mehr Transparenz zu bringen.»

Stehen uns noch weitere grosse Entwicklungen bevor?
Der Zahlungsverkehr könnte ein grosses Thema sein. Auch in der Technologie als solche gibt es enorme Entwicklungen: Feinmechanik, Robotik, die ganze Computerisierung. Die Nachhaltigkeit und Globalisierung sind immer auf der Agenda, das sind aber sehr langfristige Themen. Hinzu kommen Fragen der demografischen Entwicklung. Unterstützende Systeme sind nötig und hier können beispielsweise Roboter helfen. Die Service-Dienstleistungen an Bewohnern werden immer mehr zunehmen. Die Spitex wird mit den Altersstrukturen überfordert sein, es wir mehr private Dienstleister im unterstützenden Bereich geben. Neue Unternehmen, neue Technologien, das sind auch neue Chancen für die Märkte. Das wiederum betrifft die ganze Gesundheitsbranche. Selbstverständlich stellt der demografische Wandel auch neue Anforderungen an Immobilien, sie werden flexibler sein müssen.

Hier stellt sich die Frage, wie wir heute planen können, was in zehn Jahren gebaut und bezugsbereit ist?
Wenn man nichts denkt und einfach baut, ist das der schlimmste Fall. Wenn man zu viel denkt, wird es zu teuer. In den letzten Jahren hat sich schon abgezeichnet, dass vor allem eine Grundstruktur wichtig ist. Dann erst kommt die Technik ins Gebäude, ein Rückbau muss möglich bleiben, und die Grundstruktur soll in verschiedenen Formen nutzbar bleiben, für alle künftig möglichen Nutzungen.

Sehen Sie Unterschiede zwischen der Deutschschweiz und der Romandie?
Definitiv. Nicht unbedingt in den klassischen Ingenieur- und Architektur-Berufen, aber in der Bewirtschaftungsphase. Die Deutschschweiz hat sich stark professionalisiert, es gibt viele Ausbildungsmöglichkeiten, man ist gut vernetzt mit Deutschland, wo es auch gute Unis, Hochschulen und aktive und professionelle Kapitalmärkte gibt. Das schafft Druck und Kompetenzen. In der Romandie bringen die Unternehmen die Kompetenz aus dem Ausland ein. Aber der Markt hat sich noch nicht professionalisieren können, es gibt kaum Ausbildungen. Dementsprechend ist der Nachfragedruck gross, aber es wird nichts geliefert. Das ist ein Spannungsfeld. Wer wachsen will, findet die Fachkräfte nicht. Es gibt schlicht zu wenig Strukturen. Mit Grossinvestitionen wie jene der Schweizerischen Bundesbahnen in der Romandie, so hoffen wir, gibt es einen noch höheren Nachfragedruck, der dann auch einmal zu mehr Qualität führen kann.

Welche Unterschiede sehen Sie zwischen urbanen und ländlichen Gebieten?
Urbane Zentren sind funktionierende Märkte. Es gibt keine oder wenig Absprachen, genügend Wettbewerb und für alles irgendwo eine Lösung. In ländlichen Gebieten kennt man sich und tut sich nicht weh. Das ist eine Eintrittshürde für Unternehmen, auch in unserer Branche. Die Skalierungseffekte sind zudem viel zu gering. Das ist für viele Firmen gar nicht interessant. In Zentren hingegen kann man sich nur differenzieren, wenn man etwas besser oder anders macht und nicht bloss eine Norm einhält. Zürich, Basel, Genf, das sind unternehmerische Gebiete, kleinere Städte sind eher verwaltungsorientiert. Sie werden nie durch die Decke gehen.

Welche Unterschiede sehen Sie zwischen der Industrie und der Verwaltung?
Die Industrie ist ein Margengeschäft. Diese Firmen sind die Gründer von Mittelfluss-Rechnungen oder Betriebsabrechnungsbogen. Sie wollen die Kosten ganz genau kennen. Diese Denkweise haben sie im ganzen Wertschöpfungsprozess. Dementsprechend beschäftigten sie sich viel früher mit dem Facility Management. Banken oder Pharma-Branche haben dort auch grosse Kostenblöcke, aber die Einnahmen sind ein vielfaches höher und die Hebelwirkungen auf die Einnahmen sind grösser. Diese Firmen wollen zwar auch die Kosten im Griff haben, stehen aber nicht unter dem gleichen Druck wie die Industrie, die da eher mit einem Discounter-Geschäft zu vergleichen ist und mit tiefen Margen arbeitet. Also sind Banken oder Pharmafirmen in diesen Fragen eher oberflächlich, wollen vor allem einen Ansprechpartner haben, der aber nicht in jedem Bereich der günstigste sein muss. Die Industrie hingegen will Einfluss haben, überall dort, wo es noch eine Schraube zu drehen gibt. Dadurch gewinnt sie auch viel mehr Einblick in unsere Themen und ist wesentlich weiter im Verständnis der Supportprozesse als eine Gesellschaft mit einer hohen EBIT-Marge.

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift “fmpro service” (März 2016).

Bild: Stefan Kühnis