Die digitale Transformation verändert die Bauwirtschaft grundlegend. Sie ersetzt die gewohnten Werkzeuge und bringt neue Methoden hervor.

Fast schon nostalgisch romantisch mutet der Blick zurück an: Mit Stolz erinnern wir uns an die handwerklichen Meisterleistungen, durch die ein Gotthardtunnel oder ein Empire State Building beispielsweise entstehen konnten. In passgenauer Teamarbeit wurden solche Bauten erstellt, mit Manneskraft und herkömmlichen Werkzeugen. Schon heute gibt es andere Werkzeuge, mit denen wir noch genauer, noch effektiver und noch schneller bauen können. Und doch sind wir mit den Methoden, wie wir heute bauen, eigentlich noch sehr nahe bei dieser Vergangenheit. Die Zukunft wird nämlich ganz anders aussehen. Es ist eine exponentielle Entwicklung im Gang, die immer schneller wird, die immer breiter Einzug hält. Wir kommen von der Pionierphase in eine Zeit, in der Themen der Digitalisierung, allen voran das Building Information Modeling (BIM), von vielen kleinen und grossen Unternehmen angegangen werden. In den nächsten zwei bis drei Jahren, so erwarten es die meisten Experten, wird sich die Planungsbranche umfassend mit BIM beschäftigen. Von dort aus wird sich diese Methode weiterentwickeln. Denn die konsequente Digitalisierung aller planungs-, realisierungs- und betriebsrelevanten Bauwerksdaten und deren durchgängige Kombination und Vernetzung machen die Optimierung von Prozessen über den gesamten Projekt-Lebenszyklus hinweg möglich. Sprechen wir heute noch immer von den einzelnen Phasen eines Bauprojektes, werden wir künftig von Aktivitäten sprechen.

Phase 1: Planung
Bleiben wir vorerst aber noch bei den Phasen, zum Beispiel bei der Phase der Planung. Natürlich hat die digitale Technologie auch hier schon lange Einzug gehalten. Doch genau betrachtet arbeitet man mit ihr immer noch ganz ähnlich wie mit einem Zeichenbrett. In 95 Prozent der Fälle werden schlicht Pläne gezeichnet und Striche ausgetauscht, aber keine intelligenten Informationen.

In 95 Prozent der Fälle werden schlicht Pläne gezeichnet und Striche ausgetauscht, aber keine intelligenten Informationen

Die Methoden der Arbeitsentwicklung haben sich noch nicht verändert. Noch heute legen wir Informationen an vielen verschiedenen Orten ab und häufig legen wir sie mehrfach ab – die immer gleichen Informationen. Jede Disziplin macht ihre eigenen Bauwerksplanungen, die am Ende des Tages zusammengefügt werden. Das ist eine koordinierte Planung, die heute parallel oder seriell passiert. Jeder macht es und schickt es weiter. Doch das alles wird nicht mehr lange so sein. Ein Planer kann bereits heute viel mehr machen, als nur Pläne zu zeichnen. Die Digitalisierung erlaubt uns ein modellbasiertes Planen, Bauen und Kommunizieren. Mit BIM können wir alle vorhandenen Informationen in einem Modell vereinen, in höherer Qualität und im gleichen Umfang. So vermeiden wir Redundanzen, und das führt dazu, dass wir qualitativ bessere Entscheidungen in kürzerer Zeit treffen können. Hier sprechen wir von der integralen Planung: Jede Information beeinflusst modellbasierend jede einzelne Disziplin. Das ist schneller, effektiver, günstiger und qualitativ besser – sowohl in der Planung als auch in der Realisierung und in der Bewirtschaftung. Braucht es dafür neue Standards? Ja, die braucht es. Für die Planung benötigt man vor allem ein Datenaustauschmodell. Das ist vorhanden, seit drei Jahren gibt es einen ISO-Standard, seit Oktober 2016 einen EN-Standard und ab 2017 wird es einen SN-EN-Standard sowie einen SIA-Standard geben. Damit ist jedoch noch nicht geregelt, wer wem was liefert. Auch mit einem Datenaustauschmodell braucht es noch immer Vereinbarungen. In dieser Frage werden weitere Standards nötig, hier stecken wir noch immer in den Kinderschuhen.

Phase 2: Realisierung
Digitale Bauwerksmodelle vermeiden aber nicht nur das mehrfache Erfassen und Führen von gleichen Informationen, sie können auch die Fehleranfälligkeit massiv reduzieren. Und die ist heute noch viel zu hoch. Im schlimmsten Fall müssen Mängel beseitigt werden, wenn das Bauwerk eigentlich schon fertig gebaut ist. Auch um Nachweise für Behörden zu erbringen, um die Nachhaltigkeit zu untermauern oder die Energieeffizienz zu bestimmen, baut man die Gebäude mehrmals in verschiedensten Dateiformaten und Darstellungsformen auf, macht vieles immer wieder neu. Das wäre nicht nötig. Digitale Bauwerksmodelle können das besser. Die Bauleitung und das Baumanagement haben künftig ein Modell vor sich, das den Bauablauf simuliert. Ob und wo es noch Optimierungspotenzial gibt, lässt sich laufend durchspielen, bis hin zur Logistik. Auch eine Baufortschrittskontrolle wird viel einfacher.

Die digitale Transformation wird einen qualitativen Sprung ermöglichen, von dem alle Beteiligten profitieren können. Man muss sich jedoch aktiv einbringen und nicht einfach zuwarten

Was draussen gebaut wird, lässt sich drinnen mit dem Modell abgleichen. Zeitplan, Kosten, Abweichungen, auf alles kann sofort reagiert werden. Und sollte es am Ende des Tages trotz der massiv reduzierten Fehleranfälligkeit noch Mängel geben, speist man diese direkt ins Modell ein und die Information ist für alle Parteien direkt verfügbar. Auch die digitale Fabrikation wird vermehrt Einzug halten. Das erkennt man bereits heute im Holzbau, man merkt es nun aber auch in klassischen Gewerben. Zum Beispiel haben Bagger digitale Informationen für den Aushub und sind dadurch viel schneller. Hinzu kommt eine digitale Fabrikation von Materialien und Kunststoffen, von Backsteinen und Mauern. Auch in der Gebäudetechnik und im Sanitär-Bereich wird der Vorfertigungsgrad durch die Digitalisierung laufend steigen. Und einiges werden Roboter erledigen. Spannend wird das dann, wenn die Planungsdaten aus dem Modell direkt zur Herstellung von komplizierten Mauern verwendet werden können. Heute müssen Roboter noch mit Informationen versorgt werden, in der Zukunft dürften sie durchgängig selber arbeiten. Solche Roboter drängen auf die Baustelle, denn Maschinen können serielle Arbeiten nun mal viel effektiver, schneller und präziser erledigen als der Mensch. Das alles heisst allerdings nicht, dass das Handwerk aussterben wird. Die Digitalisierung beeinflusst nur die Werkzeuge und die Methoden. Die Kenntnis der Disziplin und des Materials, die beispielsweise ein Schreiner haben muss, diesen Aspekt kann sie nicht ersetzen.

Revolution mit Ansage
Diese Gedanken und Prognosen sind alle nicht neu. Teilweise sind sie schon 40 Jahre alt. Die Bauwirtschaft ist manchmal etwas träge und das hat durchaus die verschiedensten Gründe. Zum Beispiel, dass es so viele verschiedene Disziplinen gibt, so viele beteiligte Unternehmen, die teilweise weniger als zehn Angestellte haben. Und sie beschäftigt sich mit greifbaren Realitäten. Wie sollte sie also von der virtuellen Welt profitieren können? Das zeigt: Die traditionellen Denkmuster stellen die erste Hürde dar, die genommen werden muss, um die Potenziale der Digitalisierung im Bau nutzen zu können. Ob Hoch-, Tief- oder Tunnelbau: Gewohnte Herangehens- und Denkweisen, wie etwa die Planung in 2D, auf die man sich zum Teil seit Jahrhunderten verlassen hat, müssen aufgebrochen werden. Vieles, was bisher als absolut gültig betrachtet wurde, muss zumindest hinterfragt werden. Die digitale Transformation wird einen qualitativen Sprung ermöglichen, von dem alle Beteiligten profitieren können. Man muss sich jedoch aktiv einbringen und nicht einfach zuwarten. Sonst wird es ungemütlich. Selbstverständlich sind dazu auch Partnerschaften und Kooperationen nötig, die über die bisherigen brancheninternen und -verwandten Vernetzungen hinausgehen.

Veröffentlicht in der Mediaplanet-Ausgabe “Smarter Leben” (Dezember 2016).