Gefahrstoffe zum Gesprächsstoff zu machen ist schwierig. Kaum jemand will darüber reden. Das Thema ist für viele Gastbetriebe ein zu heisser Stoff.

Der Fall ging breit durch die Medien. In einem Restaurant in Flamatt im Kanton Fribourg trank ein Gast Putzmittel statt Weisswein. Es war eine folgenschwere Verwechslung: Der Wirt liess eine Weissweinflasche mit dem verdünnten Reinigungsmittel RV 481, das zur Reinigung von Weinmasskrügen verwendet wird, auf dem Buffet stehen, als er zu einer Besprechung gerufen wurde und wegging. Jemand stellte die nicht speziell gekennzeichnete Flasche in den Kühlschrank. Als der Gast ein Glas Weisswein bestellte, nahm die Bedienung die Flasche aus dem Kühlschrank und servierte ihm ein Glas. Er trank davon und ihm wurde sofort schlecht. Das Personal brachte ihn nach Hause, wo sich sein Zustand enorm verschlechterte, so dass er ins Berner Inselspital gebracht wurde. Dort verstarb er einen Monat später aufgrund von Verbrennungen in Hals und Magen.
«Das ist ein klassisches Beispiel mit einem fatalen Ausgang», sagt Matthias Mettke, Gefahrstoffexperte der Swiss TS Technical Services AG. «Reinigungsmittel, die in Lebensmittelflaschen umgefüllt werden, häufig in PET-Flaschen, das geschieht leider viel zu oft und ist hochgefährlich.»

Gefahrstoffe haben Sie nicht?
Gefahrstoffe können sich entzünden, explodieren, oxidieren, ätzen oder in irgendeiner Weise die Gesundheit oder die Umwelt gefährden. Es gibt sie überall. Wer denkt, er oder sie habe keine Gefahrstoffe, irrt ziemlich sicher. Sogar zu Hause haben wir sie und in einem Hotel oder Restaurant gibt es sie teilweise sogar in grossen Mengen. «Typischerweise sind das die unterschiedlichsten Reinigungsmittel, aber auch Brennsprit und vieles mehr», sagt Mettke. «In grösseren Hotels gibt es ein Schwimmbad, dort braucht es Mittel zur Chlorung. Stimmt die Dosierung nicht, kann Chlorgas entstehen», sagt Mettke. In den vergangenen Jahren hat auch der Einsatz von Desinfektionsmitteln zugenommen. Die sind meistens entzündlich. Waschmittel sind ebenfalls Gefahrstoffe. Oder der Alkohol. Auch der ist gesundheitsschädlich, auch wenn man das im Gastgewerbe vielleicht weniger gern hört. Alkohol ist ein Gefahrstoff.

Negative und positive Beispiele
Negative Beispiele zu finden ist ein leichtes Spiel. Die Suche nach gewissenhaften, vorbildlichen Betrieben in dieser Frage gestaltet sich deutlich schwieriger. Zwar sind sich die meisten Gastbetriebe bewusst, dass sie da eine offene Pendenz haben, aber das Thema ist für viele ein zu heisses Eisen, um offen darüber zu sprechen. Doch dann hatte ich plötzlich Rainer Rufer am Draht. Er ist Head of Department Purchasing, Environment & Quality Assurance bei McDonald’s Suisse Restaurants Sàrl und er hat ein gutes Gewissen, wenn es um Gefahrstoffe geht. Auch bei McDonald’s gibt es jede Menge davon. «Wir haben unter anderem Grillreiniger, Fritteusenreiniger, Bodenputzmittel, Desinfektionsmittel, Scheibenreiniger, Kaffeemaschinen-Putzmittel, WC-Reiniger, Tiefkühl-Reiniger, Waschmittel und Weichspüler», sagt Rufer. «Es braucht einiges, um ein sauberes Restaurant zu gewährleisten.»

Gefährliche Stoffe ersetzen
Mit dem Ersatz eines Gefahrstoffes lässt sich die grösste Wirkung erzielen. «Es stellt sich die Frage: braucht es diesen Stoff überhaupt, oder können wir ihn durch einen ungefährlichen Stoff ersetzen?», sagt Matthias Mettke. «Wenn das gelingt, schränkt man die Gefährdungen bereits wesentlich ein.»
Auch bei McDonald’s ist das der erste und wichtigste Ansatz, um das Risikopotenzial zu minimieren: «Wir verwenden nur Produkte, die auf unserer Positiv-Liste stehen. Wir haben keine besonders aggressiven Mittel und wir vermeiden ätzende oder chlorierende Reinigungsmittel», sagt Rufer. «Zweitens haben wir für alle Gefahrstoffe einen einzigen Lieferanten. Damit stellen wir sicher, dass uns Spezialisten in diesen Fragen unterstützen und wir die richtigen Mittel für unsere individuellen Anwendungen erhalten. Für viele Anwendungen gibt es Dosierstationen, die exakt die benötigte Menge des Reinigungsmittels ausgeben. Grillreiniger beispielsweise werden in Portionen abgepackt für die korrekte tägliche Anwendung bei der Reinigung nach Geschäftsschluss.»

Die Lagerung auslagern
Lässt sich ein Gefahrstoff nicht durch einen ungefährlichen Stoff ersetzen, müssen dessen Lieferung und Lagerung gut organisiert werden. Häufig wollen Betriebe von Mengenrabatten profitieren und bestellen auf Vorrat. Das rechnet sich jedoch nicht – denn ab einer gewissen gelagerten Menge braucht es plötzlich ein Gefahrstofflager mit vielen Anforderungen an den Brand-, Umwelt- und Gewässerschutz. Solche technischen Massnahmen sind sehr kostenintensiv, häufig ein zehntausendfaches teurer als der eingesparte Betrag. Und: Ein grosser Vorrat im Haus ist häufig gar nicht nötig. Die Wiederbeschaffungszeit ist selten ein Problem, viele Lieferanten liefern täglich. Also reicht es, einen Tagesbedarf an Lager zu halten. So kann man das Problem der Lagerung ganz einfach dem Lieferanten auslagern.

Über der magischen Grenze
Das lässt sich jedoch nicht immer so regeln und gerade grössere Betriebe überschreiten die magische Grenze der 25 Liter brennbarer Flüssigkeiten. Ab dann gilt es genau zu beachten, was wo gelagert wird – zum Beispiel in einem feuerfesten Schrank, in verschiedenen Brandabschnitten, separiert von anderen gefährlichen Stoffen und vieles mehr. Je nachdem wird eine natürliche oder künstliche Lüftung verlangt, rund um den Umwelt- und Gewässerschutz braucht es Auffangwannen und Massnahmen für die Löschwasser-Rückhaltung und hinzu kommen verschiedene Aspekte rund um die Arbeitssicherheit oder den Explosionsschutz. In den Restaurants von McDonald’s gibt es abgeschlossene Schränke oder Räume, die diese Anforderungen erfüllen. «Dort kommt nur rein, wer täglich mit diesen Stoffen zu tun hat», sagt Rufer. «Es gibt dort Sicherheitsschränke mit Auslaufschutz, damit Gefahrstoffe aus defekten Behältern sicher in Wannen auslaufen würden. Und der Lieferant stellt sicher, dass es zu keinen kritischen chemischen Reaktionen zwischen einzelnen Stoffen kommen kann.»

Dicker Lesestoff
Solche möglichen chemischen Reaktionen, die genauen Zusammensetzungen der Stoffe sowie sämtliche Gefahren und nötigen Massnahmen werden in Sicherheitsdatenblättern (SDB) beschrieben. Für jeden Gefahrstoff gibt es ein solches SDB und der Lieferant muss es aktiv zur Verfügung stellen. Auch bei McDonald’s sind sie in jedem Restaurant zugänglich. Bloss: wer liest das schon? Das derzeit längste SDB soll tatsächlich 202 Seiten umfassen. Das ist dicker Lesestoff für einen einzigen Gefahrstoff.
Dabei ist die Sensibilisierung der Mitarbeitenden ein ganz wesentlicher Bestandteil des sicheren Umgangs mit Gefahrstoffen. «Mindestens zwei Mal im Jahr besucht unser Lieferant jedes unserer 166 Restaurants und schult die betroffenen Mitarbeitenden», sagt Rufer. «Es gibt Anwendungspapiere dazu, Piktogramme und Sicherheitsvorkehrungen. Es ist aber nicht möglich und nicht nötig, dass alle Mitarbeitenden sämtliche Sicherheitsdatenblätter auswendig kennen. In den SDB finden wir eine Antwort, wenn es ein Problem oder eine detaillierte Frage gibt. Doch eine Schulung muss so aufgebaut sein, dass sie auch Nicht-Chemiker verstehen. Unsere Mitarbeitenden brauchen den Grillreiniger, um den Grill zu reinigen. Sie müssen wissen, wann sie Handschuhe oder Schutzbrillen tragen müssen. Die chemische Zusammensetzung des Grillreinigers hingegen müssen sie sicher nicht kennen. Das ist die Aufgabe des Betriebs und seines Lieferanten.»

Kein Spass
Man muss das Thema Gefahrstoffe zum Gesprächsstoff machen und sich darum kümmern. Es ist definitiv kein Spass, wie der Fall aus Flamatt deutlich aufzeigt: Der Wirt des erwähnten Restaurants wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt und wegen Vergehen gegen das Chemikaliengesetz und gegen das Gesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände für schuldig befunden.
In der Praxis gibt es für viele Gastbetriebe noch sehr viel Nachholbedarf. Es kann sich lohnen, das mit ausgewiesenen Experten zu tun. Sie kennen die genauen Anforderungen und sinnvolle Lösungen. Für Rainer Rufer ist ein zentrales Element des erfolgreichen Umgangs mit Gefahrstoffen, dass man alles aus einer Hand bezieht. «Das machen wir bei McDonald’s seit vielen Jahren so», erzählt er. «Der Lieferant ist unser Rückgrat, er muss für uns denken und wir müssen ihm zuhören und entsprechend handeln.»

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift “gastrofacts businessmagazin” (März 2017).

Bild: Rainer Sturm / pixelio.de