In der FM-Branche gehe es vor allem um Menschen, sagt sie. Also müsse man sich am Menschen orientieren, Mitarbeitende fördern und wertschätzen und die vernetzt denkenden Menschen dieser Branche besser miteinander vernetzen. Doch das ist noch nicht alles, was Cathrine Pauli zu sagen hat.

Cathrine Pauli studierte Architektur an der ETH, machte den Master of Business Administration in Paris und übernahm dann bei Sulzer Infra sämtliche Aufgaben rund um die FM-Dienstleistungen. Seither hat sie das Facility Management nie mehr verlassen.

Wie logisch war für Sie der Schritt von der Architektur ins Facility Management?
Das FM ist die Weiterführung der Architektur. Es geht um die Menschen, die in den Gebäuden leben und agieren. Der Unterschied liegt bloss darin: Den Architekten geht es um den Entwurf, um einen kreativen Akt. Im FM macht man diese Hülle dann möglichst bewohnbar. Das sind natürlich andere Anliegen, kann aber auch sehr kreativ sein. Ich konnte mich in meinen verschiedenen Tätigkeiten im FM durchaus kreativ ausleben, ich konnte wirken und etwas bewirken, Prozesse verändern und Mitarbeitende weiterentwickeln. Ich konnte meine ganze Management-Erfahrung im FM aufbauen und versuchte, die Branche weiterzubringen. Das hat immer Spass gemacht.

Stimmt es, dass Architekten zu selten an das FM denken?
Nicht nur die Architekten, sondern vor allem auch die Investoren denken zu selten ans Facility Management. Architekten haben die Aufgabe etwas Ästhetisches und Langlebiges unter der Optimierung der Ressourcen aufzustellen. Der Investor hat klar die Aufgabe, nicht nur die Investitionskosten, sondern auch die Langfristigkeit zu sehen. Das geschieht jedoch viel zu selten, was ich überhaupt nicht verstehe. In anderen Ländern ist der Preisdruck höher als bei uns, dort gibt es PPP-Projekte, die zu diesem Fokus zwingen. Man weiss dort, dass nach acht Jahren die Betriebskosten gleich gross sind wie die Investitionskosten. In der Schweiz gibt es aber eine sehr strenge Trennung zwischen Investor, Eigentümer und Mieter. Es steht nicht im Fokus, die Nebenkosten zu optimieren. Ein Zusammenschluss zwischen den Architekten, Investoren und dem Facility Management würde viel bringen. Wer in den Lebenszyklus investiert, baut am langfristigen Wert einer Immobilie. Doch unser ganzes System ist anders aufgebaut, auch die Versicherungen rechnen anders. Eigentlich müsste man hier politisch ansetzen. Ich möchte aber keine politische Debatte auslösen und auch PPP-Projekte sind nicht ausschliesslich gute Beispiele, sie sind aber bestimmt gute Beispiele in Sachen Optimierung von Betrieb, Design und finanziellen Ressourcen.

Was schätzen Sie an dieser Branche besonders?
Was ich toll finde: das FM ist eine Dienstleistungsbranche und Dienstleistungen werden von Menschen erbracht – also ist es eigentlich eine Menschen-Branche. Wenn ich meine Laufbahn heute reflektiere, ist und war für mich immer der Mensch die Motivation, und zwar sowohl der Kunde als auch der Mitarbeitende. Ohne freundliche und motivierte Mitarbeitende erbringt man einen schlechten Service. Es ist ein People-Business. Doch welche Ausbildung, welche kulturellen Hintergründe und welche Motivationstreiber ein Mensch hat, ist immer unterschiedlich. Es stellt sich also die Frage: wo holt man die Leute ab? Das ist eine Herausforderung. Meistert man sie, kann man sehr viel bewirken.

Wie wichtig ist dafür eine gute Unternehmenskultur?
Ich war in vielen Firmen und erkannte, dass jede eine ganz eigene Kultur hat. Keine einzige davon entstand aus dem FM, alle kamen aus einzelnen Dienstleistungen heraus, ob Technik, Gastronomie oder Reinigung. Sie alle haben deshalb ihre entsprechend geprägten Kulturen und diese Vielfalt wird häufig unterschätzt. Man muss die Tonalität einer Firmenkultur treffen. Auch wenn man eine Ausschreibung analysiert, muss man wissen, ob man auf dieser Ebene zusammenpasst. Sonst spricht man zwei verschiedene Sprachen und kann das Angebot nicht massschneidern.

Was macht Ihnen Sorgen für das FM?
Was ich kritisch beobachte ist die stark zunehmende Preisorientierung, obwohl es eigentlich um Menschen geht. Fortlaufend wird ausgeschrieben, alles soll vergleichbar sein. Wenn man die tiefen Löhne gewisser Berufsgattungen sieht und als Arbeitgeber in die Mitarbeitenden und deren Weiterentwicklung investieren will, ist das schwierig. Ich wollte immer erreichen, dass eine ungelernte Reinigungskraft zum Objektleiter eines FM-Mandates werden kann, aus interner Förderung heraus. Das sollte die Vision jedes FM-Unternehmens sein: wie fördern wir unsere Mitarbeitenden konstant, dass sie mit der Zeit einen Schritt vorwärts machen und eine Lohnsteigerung erfahren können? Die Reinigungsthematik kann man lernen, technisches Wissen kann man schulen, aber die Themen Menschenführung und Menschenorientierung muss man weitgehend in sich haben. Ich habe mich oft dafür eingesetzt, dass man solche Menschen fördert. Denn gerade in der Reinigung gibt es viele Mitarbeitende, die aus einem persönlichen Schicksal und einer individuellen Geschichte, aus einem familiären Umfeld oder aus Vertreibung aus ihrer Heimat in diesen Beruf kamen, aber sehr viel mehr könnten. Sie machen diesen Job eigentlich aus der Not heraus. Sie kann man weiterentwickeln und sie schätzen es sehr, wenn man sie so nimmt und direkt mit ihnen kommuniziert. Da kann man mit wenig Mitteln viel erreichen.

Ist die Wertschätzung ein Schlüsselfaktor?
Wertschätzung ist das Allerwichtigste – und zwar nicht nur im Leitbild. Es braucht Vorgesetzte mit Integrität, Authentizität und Wertschätzung, die das auch vorleben. Wie man begrüsst und wie man verabschiedet wird, das ist das, was bleibt. Doch um andere wertzuschätzen, muss man sich selber wertschätzen können. Solche Dinge, das ganze Zwischenmenschliche, das kommt in den Führungsetagen jedoch oft viel zu kurz. Früher war das nicht unbedingt besser, aber ich glaube, es gab nicht den gleichen Zeitdruck. Man gab sich mit dem Gegenüber mehr ab und erhielt mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit – und damit auch mehr Wertschätzung.

Welche sind die grössten Herausforderungen für die Branche?
Die Preisorientierung ist wie erwähnt ein grosses Thema. Wer FM-Leistungen fassbar macht und beispielsweise an einen Lebens- oder Nachhaltigkeits-Index koppelt, kommt aus dieser Schiene weg. Ein ehemaliger Arbeitgeber von mir erbrachte auf einer Erdöl-Plattform sämtliche Soft-Service-Dienstleistungen. Die Mitarbeitenden dort leben alle einige Wochen auf der Plattform, schlafen, essen, schauen fern, machen Sport und arbeiten. Das ermöglicht eine relativ einfache gesundheitliche Einflussnahme. Die Mitarbeitenden ernährten sich nämlich ungesund, waren häufig übergewichtig und vergleichsweise oft krank. Man koppelte die Dienstleistungs-Angebote also an die Gesundheit – und die Mitarbeitenden nahmen ab, waren motivierter, seltener krank und kamen gerne auf die Plattform zurück. Solche Dinge muss man sich auch in Büros fragen: was kann das FM tun, um sich von der Preisorientierung der Dienstleistungen zu lösen und Mehrwerte zu bieten? Dass die Mitarbeitenden gesund bleiben? Das hat einen grossen Effekt für den Arbeitgeber. Aber so weit denken wir gar nicht, wir drehen uns immer nur im Rad von Effizienzsteigerung und Kostenersparnissen. Unser Wunsch ist ja seit Jahren, dass wir in die Führungsetagen kommen und es dann einen Chief Facility Officer gibt. Das ist eine gute Vision. Aber so lange wir uns als preisorientiertes Produkt positionieren und nicht gewillt sind, fachlich zusammenzuarbeiten, werden wir das nicht erreichen. Hier kommen wir zu einer weiteren Herausforderung: es fehlt ein grosser Dachverband. Ein einziger, schlagkräftiger Verband, der auch Lobbying in Bern machen kann und der alle Teil-Verbände unter seinem Dach vereint. Er könnte sich beispielsweise für eine Vereinfachung der Arbeitsgesetze stark machen, denn ein Outsourcing ist so kompliziert geworden, wenn man sich ans Gesetz hält. Als dritte Herausforderung sehe ich die Innovationskraft. Das ist in einer Dienstleistungsbranche etwas schwierig – wir haben keine Produkte. Wenn es im FM Innovationen gibt, sind sie meistens durch globale Verträge getrieben, beispielsweise rund um neue Workplace-Konzepte. Auch die Zusammenarbeit mit Hochschulen kann zu solchen Innovationen führen. Aber diese Initiativen kommen, wenn überhaupt, immer von den grossen globalen Anbietern.

Ist der Fachkräftemangel auch ein Problem?
Die Situation hat sich verbessert. Man muss aber daran denken, dass es in dieser Branche nicht die eine Fachkraft gibt. Es gibt ZHAW-Absolventen, die Facility Manager. Aber wenn wir einen Mandatsleiter brauchten, schaute ich immer, welche Kultur und welche kritischen Dienstleistungen der Kunde hat. In Pharmaunternehmen ist es manchmal wichtiger jemanden zu haben, der sich in Zertifizierungen und Validierungen auskennt. Für andere Kunden ist es wichtiger, einen Hotelmanager zu haben, der weiss wie man mit anspruchsvollen Gästen und Gastgebern umgeht. Das FM umfasst ein breites Spektrum an Fachkräften. Die Herausforderung ist es eher, erfahrene Mitarbeitende zu finden, die über den Tellerrand blicken und vernetzt denken können, die sich nicht zu schade sind, auch andere Bereiche mitzuführen. Ich machte sehr gute Erfahrungen mit Quereinsteigern, die man ganz intensiv schulte und begleitete und die ihre neuen Aufgaben schnell lernen konnten. Das FM ist ein gutes Umfeld für Menschen mit viel Erfahrung, also auch für Quer- und Wiedereinsteiger. Wenn man bereit ist, die Lebensläufe anders anzuschauen, dann gibt es keinen Fachkräftemangel. Man muss nur den Mut haben, zu investieren. Gerade die jungen Mitarbeitenden haben einen sehr hohen Anspruch an den Arbeitsplatz und sind sehr ehrgeizig, wenn man sie richtig nimmt. Wenn man ihnen die Chance gibt, sind sie so motiviert, dass sie überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Dann muss man darauf achten, dass man diese Dynamik aufrechterhalten kann.

Investiert man zu selten in Weiterbildungen?
Es braucht die Weiterbildungsbereitschaft der Mitarbeitenden. Sie sind das Kapital im FM. Doch der Mensch ist per se wohlwollend und wissbegierig. Wenn man zwei Prozent der Lohnsumme in die Weiterbildung investieren würde, käme man sehr weit. Aber es ist wahnsinnig schwierig, diese zwei Prozent zu verteidigen. Das geht natürlich auf Kosten der Marge. Doch es gibt eine Menge ungenutzter Möglichkeiten, die nicht viel kosten würden: Tools und Online-Trainings zum Beispiel. Aber da kommen wir wieder zum Thema Innovation. Wir haben mit Menschen zu tun, schaffen aber keine innovativen Tools, um diese Menschen richtig zu erreichen.

Was muss der Facility Manager von heute ganz besonders beachten?
Das Business wird internationaler. Wenn wir nach wie vor ein Anziehungspunkt für international agierende Firmen sind, sind Fremdsprachen sehr wichtig. Auch eine Affinität zur Technik und zur IT-Thematik ist wichtig. Und die Kommunikation. Wenn etwas schiefgeht, muss man informieren und kommunizieren. Der Kunde wird häufig nicht an der Hand genommen, damit er entsprechend planen kann, wenn es ein Problem gibt. Hinzu kommen die Themen Führung und Menschenkenntnis. Und das vernetzte Denken. Das sind die wesentlichen Faktoren. Vieles davon kann man lernen.

Veröffentlicht in der Fachzeitschrift “fmpro service” (März 2017).

Bild: Reto Schlatter